Einer der größten Hebel zur Erreichung der Klimaziele ist digital. © Adobe Stock/fitpinkcat84
Digitalisierte Gebäudeautomation ist eine Schlüsseltechnologie für das Erreichen der Klimaziele. Denn ein erheblicher Anteil der weltweiten CO₂-Emissionen wird von Gebäuden verursacht.
Die digitalisierte Gebäudeautomation ist eine Schlüsseltechnologie für den Betrieb klimafreundlicher und damit zukunftsfähiger Immobilien. Laut Zahlen der International Energy Agency werden rund 26 Prozent der weltweiten energiebedingten CO₂-Emissionen von Gebäuden verursacht. Energieeffizienzmaßnahmen in diesem Bereich sind demnach ein großer Hebel zur Erreichung der globalen Klimaschutzziele.
Davon ist nicht nur der VDMA Fachverband Automation + Management für Haus + Gebäude (AMG) überzeugt, der in seiner Initiative „Gebäudeautomation. Die Branche. Der Maßstab“ insbesondere auf das Potenzial smart automatisierter Gebäudefunktionen für die aktive Energieeffizienz verweist. Gleichzeitig erhöht eine moderne, digitalisierte Gebäudeautomation die Attraktivität eines Gebäudes für Bewohner, Betreiber und Investoren – und schafft damit einen erheblichen wirtschaftlichen Mehrwert.
„Beim Thema Klimaschutz geht es in der öffentlichen Debatte häufig zu einseitig um die Energieerzeugung“, so Markus Hettig, der als Vice President Buildings DACH bei Schneider Electric unter anderem für Themen wie Gebäudeautomation und Energieeffizienz zuständig ist. „Für einen wirtschaftlich und sozial verträglichen Klimaschutz aber mindestens genauso wichtig ist die Energieeffizienz, also die Verbrauchsseite. Mit Unterstützung digitaler Technologien können wir ein Gebäude heute schon so intelligent automatisieren, dass kaum noch Energie verschwendet wird. Und das hat einen enormen ökologischen und ökonomischen Effekt.“
Dinge smarter machen
Für Hettig ist daher klar, dass es im Sinn der Energiewende mehr gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit für Themen wie Gebäudeautomation und Energieeffizienz braucht. Denn nur, wenn die Energiewende nicht als Belastung, sondern als attraktives wirtschaftliches Projekt erkannt wird, kann sie gelingen. Das Gute: „Die Technologien für eine digitalisierte Gebäudeautomation sind alle vorhanden. Und im Gegensatz zu passiven Energieeffizienzmaßnahmen lassen sie sich auch praktisch überall sehr einfach nachrüsten“, betont Energieexperte Hettig. „Es geht nicht darum, alles auf den Kopf zu stellen. Es geht darum, die Dinge smarter zu machen. Und das gelingt mit der nötigen Datentransparenz sowie einem ganzheitlichen Ansatz für die bedarfsgerechte Regelung aller Abläufe und Funktionen.“
Schneider Electric beschäftigt sich seit Jahren mit digitalen Energieeffizienztechnologien. Diese kommen nicht nur bei Kunden auf der ganzen Welt, sondern auch an den eigenen Standorten des Unternehmens zum Einsatz. So etwa in der vom Weltwirtschaftsforum als „Sustainability Lighthouse“ ausgezeichneten Smart Factory im französischen Le Vaudreuil. Hier wurden nicht nur die Produktionsprozesse, sondern – da rund 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf den reinen Gebäudebetrieb entfielen – auch die automatisierte Regelung der Gebäudefunktionen mithilfe von 160 Datenpunkten digital optimiert.
Das Resultat: Indem der jährliche Energieverbrauch von 11.361 MWh auf 8.039 MWh gesenkt werden konnte, ließen sich die CO₂-Emissionen um mehr als 30 Prozent reduzieren. Und das bei gleichzeitiger Steigerung von Ausbringungsvolumen, Flexibilität und Resilienz.
Diese Erkenntnisse sind auf dem Markt mittlerweile auch angekommen. Laut der Studie „Gebäude der Zukunft“, die Schneider Electric beim Handelsblatt Research Institute (HRI) in Auftrag gegeben hat, zahlen sich Investitionen in diesem Bereich nicht nur auf dem Papier aus. Von den 326 befragten Entscheidungsträgern aus Unternehmen verschiedener Branchen mit mindestens 100 Mitarbeitern in der DACH-Zone gaben 43 Prozent an, durch den Einsatz digitaler Vernetzungstechnologien Energie und andere Ressourcen um mehr als ein Fünftel effizienter zu nutzen. Fast die Hälfte der größeren Unternehmen verzeichnet sogar Effizienzsteigerungen von mehr als 40 Prozent.
Über alle Branchen hinweg werden derzeit anspruchsvollere digitale Modelle vor allem in der Gebäudetechnik und im Gebäudemanagement eingesetzt. Immerhin 35 Prozent nutzen Building Information Modeling (BIM) bei Modernisierungen, bei Neubauten ist die Quote doppelt so hoch. Die wichtigsten Anwendungsfelder für Digitalisierungslösungen sind die Planung und Steuerung des Energie- und Ressourceneinsatzes, die 3D-Gebäudeplanung und die intelligente Steuerung von Licht, Klima und anderer Gebäudetechnik.
Erhebliche CO₂-Einsparungspotenziale
Richtet man seinen Blick auf Österreich, stellt man fest, dass auch hier der Gebäudesektor, als einer der energieintensivsten Sektoren, noch erhebliche CO₂-Einsparungspotenziale bietet. Allein im Jahr 2020 hat dieser Sektor acht Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verursacht. Über drei Viertel der Bestandsgebäude in Österreich wurden vor 1990 gebaut und gelten laut Statistik Austria zu 60 Prozent aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Widmet man sich nur der thermischen Sanierung, bleiben erhebliche mögliche Einsparungen ungenutzt.
Wie die bereits 2022 veröffentlichte Studie „CO₂-Einsparungspotenziale im Gebäudebereich“, durchgeführt vom AIT Austrian Institute of Technology, Center for Energy, festgestellt hat, sind CO₂-Einsparungen von zusätzlich 20 Prozent möglich, wenn bei den Sanierungen auch intelligente Regeltechnik, intelligente Beleuchtung sowie ein verbessertes Haus- und Gebäudemanagement Berücksichtigung finden.
„Durch die Vernetzung von Technologien und Systemen ermöglicht intelligente Gebäudetechnik die optimale Nutzung von Energie“, so Gundula Weber, Senior Expert Advisor Sustainable Thermal Energy Systems am AIT. Am größten sind die Einsparungsmöglichkeiten im Bereich Heizung: Kommt hier eine effiziente Regelung im Zusammenwirken mit einer ganzheitlichen Gebäudeautomation zum Einsatz, so ergibt das bei einer Sanierungsrate von fünf Prozent ein Einsparungspotenzial von bis zu 85.000 Tonnen CO₂.
Gesamtwirtschaftliche Effekte
In einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Folgestudie wurde darüber hinaus untersucht, welche gesamtwirtschaftlichen Effekte durch Investitionen in Gebäudeautomation entstehen. Die Studienautoren kommen darin zu dem Schluss, dass eine potenzielle Förderung ein kosteneffektives und integratives Instrument nicht nur für die Klima-, sondern auch für die Standortpolitik sein kann. Demnach könnten Investitionen in Gebäudeautomation in Österreich gesamtwirtschaftlich rund eine Milliarde Euro an heimischer Produktion sowie 7.800 Arbeitsplätze ermöglichen.
100 Euro an Gebäudeautomation zuzuordnender Produktion stünden demzufolge einer mittelbar erwirkten Brutto-Wirtschaftsleistung in der Höhe von 87 Euro im Rest der Wirtschaft gegenüber. 100 Beschäftigte in diesem Bereich sichern den Ergebnissen zufolge außerdem weitere 65 Arbeitsplätze ab. Bei proportionaler Erhöhung der derzeitigen Investitionen in Gebäudeautomation (312,6 Mio. Euro pro Jahr) könnten neben Produktion und Beschäftigung außerdem eine halbe Milliarde Euro Wertschöpfung sowie 192,9 Millionen Euro Fiskal- und Sozialbeiträge generiert werden.
Eine potenzielle Förderung von Gebäudeautomation könnte also Klima, Wohlstand und Beschäftigung gleichermaßen schützen. Den Angaben der Studie zufolge würden bei einer Förderrate von 14 Prozent 100 Millionen Euro an öffentlicher Unterstützung einem förderfähigen Volumen in Höhe von 714 Millionen Euro entsprechen. Davon würden 147 Millionen Euro aufgrund der Förderung realisiert, die als Impuls für zusätzlich 258 Millionen Euro gesamtwirtschaftliche Produktion, 1.800 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse sowie 64.000 zusätzlich eingesparte Tonnen CO₂ stünden.
Im Szenario einer Verdoppelung der Investitionen in Gebäudeautomation würde bei 14 Prozent Förderrate eine Bruttobelastung des Budgets in Höhe von 87,5 Millionen Euro entstehen. Dem steht ein investitionsinitiiertes Steuer- und Sozialbeitragsaufkommen in Höhe von 39,8 Millionen Euro gegenüber. Fast die Hälfte der Fördermittel würde also über Fiskal- und Sozialbeitragseffekte wieder an das öffentliche Budget zurückfließen.
Natürlich künstliche Intelligenz
Wenn es um das Thema Automatisierung geht, kommt man am aktuellen Hype-Begriff schlechthin nicht vorbei: künstliche Intelligenz. Der Gedanke, mit KI noch das eine oder andere zusätzliche Effizienzpünktchen herauszukitzeln, liegt auch einfach zu nahe. Selbstverständlich wird auch in dieser Richtung intensiv geforscht und experimentiert, wie beispielsweise im Rahmen des Projekts „KICk-StARtER-G“, das sich die prädiktive Gebäudesteuerung mit künstlicher Intelligenz zum Ziel gesetzt hat. Gefördert wird es vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung im Zuge von dessen Programm „KMU-innovativ“.
Das Forschungsvorhaben konzentriert sich auf das enorme Potenzial der Energieeinsparung in Nichtwohngebäuden durch den Einsatz einer neuartigen, prädiktiven und energieoptimierten Gebäudesteuerung, die Wettervorhersagen und thermische Eigenschaften der Gebäude berücksichtigt. Es blickt also sozusagen in die Zukunft. Um die Einsparpotenziale realisieren zu können, muss jedoch anders als bislang der Nutzerkomfort berücksichtigt werden, sowohl um die Akzeptanz für eine effiziente Gebäudesteuerung sicherzustellen als auch um Nutzereingriffe in den Gebäudebetrieb zu vermeiden, die die Effizienz wieder verringern würden.
Die Innovation des Projekts liegt in der mehrdimensionalen Gesamtoptimierung durch die Kombination von Hard- und Softwarekomponenten mit neuen intelligenten und prädiktiven Verfahren zur Gebäudesteuerung unter Berücksichtigung des Nutzerkomforts. Hardwareseitig wird eine kompakte Sensorbox entwickelt, die der Erfassung der relevanten Raumparameter wie Temperatur, Luftfeuchte und Helligkeit, aber auch weiterer Messgrößen etwa zur Bestimmung von Warm- und Kaltstellen im Raum dient.
Das Nutzerfeedback zum Komfortempfinden ist direkt über die Sensorbox oder eine App möglich. Durch die Analyse der Messwerte sowie des Nutzerfeedbacks über dynamische Machine-Learning-Algorithmen kann das System neue optimale Betriebszustände erlernen und fehlerhafte Funktionsweisen erkennen. Schließlich wird für die energieeinsparende Gebäudesteuerung ein prädiktives Optimierungsmodell mit einem Zeithorizont von mehreren Tagen im Voraus entwickelt.
Es steht also außer Frage: Einer der größten Hebel zur Erreichung der Klimaziele ist digital. Es ist an der Zeit, diesen Effizienzschalter auch umzulegen. (RNF)