Innovation ist heute häufig technologiegetrieben. © Pixabay
Schwindende Unternehmensgrenzen eröffnen neue Möglichkeiten
Durch die zunehmende Komplexität von Wertschöpfung und Wertschöpfungsketten ist das Innovationsgeschehen immer stärker von Kooperationen über Unternehmensgrenzen hinweg geprägt. Zudem werden neben anderen Unternehmen auch Forschungseinrichtungen als Innovationspartner für die Wirtschaft aktuell immer wichtiger. Doch unternehmensübergreifende Kooperation birgt auch einige Hürden, die es zu überwinden gilt.
Innovation bringt Schwung, mehr Innovation bringt mehr Schwung. Doch nicht immer führt Innovation auch zu mehr Wertschöpfung. Denn kleine Hürden und Stolpersteine können, gerade wenn es um unternehmensübergreifende Kooperation geht, schnell zu großen Problemen führen. Um hier Abhilfe zu schaffen und Innovation durch Kooperation zu ermöglichen, haben die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) vor Kurzem ein Technologieabkommen unterzeichnet.
„Die Unternehmen und Institutionen Baden-Württembergs und Österreichs sind wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Gerade für österreichische Unternehmen bietet Baden-Württemberg mit seiner Industrie, seiner Finanzstärke und seiner hoch innovativen Wirtschaft ein gewaltiges Potenzial. Mit dem heute unterzeichneten Technologieabkommen heben wir die Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation auf eine neue Stufe. Nun können wir noch mehr und noch besser voneinander profitieren“, sagt Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).
„Wir wissen aus Umfragen und Gesprächen mit unseren Unternehmen, dass die Betriebe bei den Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in verschiedenen Bereichen zum Teil erheblichen Verbesserungsbedarf sehen“, erklärt BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke. Vor allem für kleinere Unternehmen werde es „offensichtlich zunehmend schwieriger“, in Forschung und Entwicklung zu investieren.
„Wir sind in Baden-Württemberg zwar an der Spitze bei den Patentanmeldungen, jedoch dominieren auch hier überwiegend die großen Unternehmen. Dagegen läuft ein Teil der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen – die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden – Gefahr, beim Thema Innovation abgehängt zu werden. Wir stellen eine ‚Investitionsschere‘ bei Forschung und Entwicklung fest, die momentan am weitesten bei den kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern geöffnet ist. Und genau deswegen gilt es, vor allem die kleinen Unternehmen bestmöglich beim Innovieren zu unterstützen. Wir müssen die noch brachliegenden Innovationspotenziale heben. Das Technologieabkommen soll hierzu einen Beitrag leisten.“
Ansprechpartner finden leicht gemacht
Das Technologieabkommen sei die Basis für eine noch bessere Unterstützung der Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern für Innovationsprojekte. Ziel sei, dass die Betriebe noch schneller und zielgerichteter die geeigneten fachlichen Ansprechpartner für ihre technologischen Fragestellungen finden, und zwar über Grenzen hinweg. So wollen WKO und IHK die Unternehmen etwa fallweise direkt an die geeigneten Intermediäre der grenzüberschreitenden Wirtschaftsförderung mit Innovationsbezug vermitteln. Zudem sollen die bestehenden Technologietransferangebote von IHK und WKO grenzüberschreitend für Unternehmen besser nutzbar sein – konkret durch Einbeziehung der bereits existierenden Schnittstellen zu Cluster- und Netzwerkstrukturen, Innovations- und Technologietransferstellen, Onlineplattformen und -datenbanken sowie Forschungseinrichtungen.
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Baden-Württemberg – eine der wirtschaftsstärksten Regionen in Deutschland und der Europäischen Union – seien, wie die Partner betonen, sehr eng. Die österreichischen Exporte nach Baden-Württemberg beliefen sich im Jahr 2016 auf 6,67 Milliarden Euro (+ 3,61 Prozent), die Importe auf 8,95 Milliarden Euro (+ 0,78 Prozent). Baden-Württemberg besteche auch mit einer sehr hohen F&E-Quote von 4,8 Prozent und liege damit im europäischen Vergleich der 97 EU-Regionen mit deutlichem Vorsprung auf Platz eins. Zudem gebe es viele Erfolgsbeispiele österreichischer Unternehmen in Baden-Württemberg – unter anderem die STRABAG SE (Übernahme des Stuttgarter Hoch- und Ingenieurbaubetriebs Ed. Züblin AG), AVL List (Test- und Engineering-Center mit rund 100 Technikern und Ingenieuren in Bietigheim-Bissingen) sowie die Grazer Andritz AG (Übernahme des deutschen Automobilzulieferers Schuler AG 2013). Baden-Württemberg sei für Österreich nach Bayern der zweitwichtigste Handelspartner in der Bundesrepublik Deutschland.
Die bisher besonders für die Entwicklung und den Bau von Biodieselanlagen international renommierte BDI-BioEnergy International setzt, gemeinsam mit ihrer hundertprozentigen Tochter BDI – BioLife Science GmbH, den ersten Schritt zur Umsetzung einer selbst entwickelten Algentechnologie. Der steirische Spezialanlagenbauer investiert rund 16 Millionen Euro in den Bau einer Industrieanlage zur Produktion von Algenbiomasse. Am Standort Ökopark Hartberg in der Steiermark soll noch 2017 der Spatenstich für die hoch automatisierte Betriebsanlage gefeiert werden.
Innovation im Produktionssystem
Nach jahrelanger Forschung gelang es BDI, ein neuartiges Produktionssystem zur Industriereife zu bringen. Mit der Planung, dem Bau und dem Eigenbetrieb einer industriellen Algenproduktionsanlage steigt BDI erstmals als Premium-Rohstoffproduzent in dieses sich international sehr stark entwickelnde Geschäftsfeld ein. Die Tochterfirma BDI – BioLife Science GmbH wird in einem ersten Schritt algenbasierte Zusatzstoffe für die Nahrungsergänzungsmittel- und die Kosmetikindustrie produzieren.
Getreu ihrer Spezialisierung auf die innovative Veredelung von Wertstoffen ist es der BDI gelungen, ein Algenzuchtsystem zu entwickeln, das eine standortunabhängige und vor allem konstante Produktion von hochqualitativen Algenrohstoffen garantiert. Mit der großen Erfahrung im Anlagenbau konnte ein zukunftsweisendes Indoor-Zuchtsystem entwickelt werden, das neue technologische Maßstäbe in der Algenproduktion setzt. Durch das vollständig geschlossene System können jegliche negativen Einflüsse von außen eliminiert werden, um dadurch ein schnellstmögliches Wachstum der Algen zu ermöglichen. In der Kosmetik- und Nahrungsergänzungsmittelindustrie gewinnt die Verwendung von natürlichen Inhaltsstoffen immer mehr an Bedeutung – der Trend geht hin zu biologisch unbedenklichen Alternativen. BDI – BioLife Science konzentriert sich vorerst auf die Produktion von natürlichem Astaxanthin. Dieser rote Farbstoff wird aus einer speziellen Mikroalge gewonnen und gilt als „Diamant“ unter den Radikalfängern und Antioxidantien.
Der Standort für die Produktionsanlage in Hartberg in der Steiermark wurde von BDI bewusst gewählt. Die Nähe zum firmeneigenen Forschungszentrum und zu den lokalen Universitäten bietet viele Synergien für die geplante Weiterentwicklung der Algenproduktpalette der BDI – BioLife Science. „Konstante Produktionsmengen sowie höchste Reinheit und Qualität des Algenprodukts sind für unsere künftigen Kunden entscheidend – es muss drinnen sein, was draufsteht! Mit der rasant steigenden Nachfrage für Algenprodukte am Weltmarkt scheint das aber nicht immer und überall der Fall zu sein. Deswegen wollen wir uns als verlässlicher Premiumproduzent positionieren“, sagt Edgar Ahn, Mitglied des Vorstands der BDI – BioEnergy International AG.
Digitalisierung als Chance nutzen
Mit einem umfassenden strategischen Programm will Covestro wiederum die Chancen der Digitalisierung nutzen und neue Standards in der Zusammenarbeit mit Kunden setzen. Dazu verankert der Werkstoffhersteller digitale Technologien und Arbeitsweisen auf zentralen Ebenen – in Produktion, Lieferkette, Forschung und Entwicklung, an allen Berührungspunkten mit den Kunden sowie zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem konkreten Nutzen für die Kunden.
Gleichzeitig sollen auch alle Mitarbeiter des Unternehmens von den Chancen der Digitalisierung profitieren. Damit wird die Digitalisierung zum festen Bestandteil der Unternehmensstrategie und ist mit konkreten wirtschaftlichen Zielen verknüpft.
„Die Digitalisierung und die Arbeitsweisen der Industrie 4.0 gehören zu den Wachstumstreibern der chemischen Industrie, die wir uns zunutze machen und maßgeblich mitgestalten“, erklärt Markus Steilemann, Vorstand für Marketing, Vertrieb und Innovation bei Covestro. „Denn digitale Lösungen tragen heute entscheidend dazu bei, das Leben zu erleichtern. Das nutzen wir intensiv für die laufende Weiterentwicklung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen mit ihrer Hilfe Grenzen für die chemische Industrie verschieben und vor allem einen entscheidenden Beitrag leisten, um unsere Kunden durch digitale Werkzeuge und Methoden in ihrem Geschäft noch erfolgreicher zu machen.“
Das Unternehmen bündle seine Aktivitäten in dem umfassenden Programm „Digital@Covestro“. Um digitale Betriebsprozesse in der Produktion gehe es in dem globalen Projekt „Optimized System Integration 2020“, das in der chemischen Industrie beispiellos sei, wie Steilemann betont. Ziel sei, Aufbau, Betrieb und Instandhaltung der globalen Produktionsanlagen effizienter und transparenter zu machen. Dies soll durch Datenintegration und damit verbundene neue Denk- und Arbeitsweisen innerhalb der nächsten drei Jahre gelingen. Zum Beispiel sollen die Anlagen künftig mithilfe mobiler Endgeräte, die Echtzeitdaten liefern, vorausschauend gewartet werden.
Anfang 2018 soll zudem eine neue, digitale Chemie-Handelsplattform starten. Geschäftskunden könnten dann Standardprodukte aus dem Angebot der Covestro-Polymere effizient zu aktuellen Marktpreisen online kaufen. Bis Ende 2019 sollen über die Plattform Werkstoffe für bis zu eine Milliarde Euro umgesetzt werden. Sie sei nach den Wünschen von Kunden konzipiert worden und werde derzeit getestet. Geplant sei auch, geprüfte Basisprodukte und Services anderer Anbieter über die Plattform zu vertreiben.
Technologische Innovationen
Die Blockchain macht indes als Innovation in der Logistik von sich reden. Schließlich berge diese Technologie enormes Potenzial, um Lieferketten effizienter und sicherer zu organisieren, sagt Werner Geilenkirchen von HERZIG Marketing.
Die Blockchain ist eine dezentrale Datenbanktechnologie, die auf einer (virtuellen) Kette einzelner Transaktionsblöcke basiert. Jeder neue Block wird mithilfe spezialisierter Algorithmen mit dem vorherigen Block verbunden und verifiziert, verschlüsselt und versiegelt. Damit sind die in den Blöcken enthaltenen Informationen ebenso wie die gesamte Prozesshistorie unveränderlich und – im Falle öffentlicher Blockchains, wie zum Beispiel dem Bitcoin – für jeden einsehbar. Lösungen für den Unternehmenseinsatz setzen eher auf branchenübergreifende Blockchains, bei denen die Daten im Unternehmen bleiben und in der Blockchain nur kryptografische Hashwerte gespeichert werden.
Interessant für die Logistik ist in diesem Zusammenhang die Nutzung von Smart Contracts. Hierbei handelt es sich um Verträge, die als computerlesbarer Algorithmus formuliert werden. Solche Daten müssen sicher und selbst bei einem Ausfall einzelner Rechner jederzeit verfügbar sein. Hier bietet sich die Blockchain-Technologie an. Die Blockchain sei aber nicht für jedes Szenario das Mittel der Wahl, warnt der Veranstalter der „Vision.Logistik“. „Ist die Blockchain die Revolution der Supply-Chain?“, fragt Geilenkirchen dementsprechend.
„Die Blockchain-Technologie ist bereits sinnvoll, wenn an die Supply-Chain außergewöhnlich hohe Sicherheitsanforderungen gestellt werden, beispielsweise bei Cyberrisiken im militärischen Einsatz oder zum Schutz vor Produktfälschungen in der Hightech-Industrie“, sagt Daniel Burgwinkel von GUARDTIME. Für den breiten Einsatz in der Logistikbranche müssten entsprechende Branchenlösungen entwickelt und Betriebsmodelle definiert werden. „Die Blockchain-Technologie kann viel zur Sicherheit und Effizienz beitragen, aber Technologie allein ist kein Allheilmittel. Die Logistikbranche muss jetzt aktiv werden, um Konsortien zu bilden und entsprechende Lösungen zu entwickeln.“ „Die Blockchain ist nicht Revolution, sondern Evolution der Supply-Chain“, so Michael Lorth von der TH Köln.
Innovative Arbeitskleidung
Indes steigt auch die Verbreitung von Wearables im Industriesektor durch moderne Sensorik und Software an – getrieben vom Innovationsgedanken. Wearables können die Produktivität und das Anwenderwissen ihrer Nutzer steigern, Zugriff auf unbegrenzte Datenmengen ermöglichen und als Verbindungselemente in Netzwerksystemen agieren, wie das Frost & Sullivans TechVision-Team vor Kurzem herausfand.
Das zunehmende Wachstum des Internet of Things (IoT) und der verstärkte Einsatz von Echtzeitdaten, Monitoring und Rückverfolgung im Produktionsalltag treiben die Entwicklung von Wearable-Technologien im Industriesektor weiter voran. Stakeholder in Produktion, Logistik und Lagerung und in den Bereichen Bergbau, Bau, Öl und Gas, Einzelhandel und Gesundheit arbeiten daran, neue Technologien, die bereits die Konzeptphase verlassen haben, bereitwillig in ihre jeweiligen Portfolios zu integrieren. Wearable-Technologien in Kappen, Brillen oder am Handgelenk, die mit fortschrittlichen Sensoren, Spracherkennung, Sehhilfen oder berührungssensitiver Technik ausgestattet sind, steigern die Anwendersicherheit und bieten einen einfachen Datenzugriff.
„Entwickler arbeiten derzeit an Wearables, die leichter, bequemer und einfach zu handhaben sind und die mithilfe längerer Batterielaufzeit und fortschrittlicher Sensortechnologien die menschliche Ergonomie verbessern und Probleme aufgrund von Ermüdungserscheinungen verringern“, erläutert Ranjana Lakshmi Venkatesh Kumar, Frost & Sullivan TechVision Research Analyst. „Der Trend hin zur Miniaturisierung und zu Fortschritten in der Materialentwicklung schafft die Grundlage für Wearables mit winzig kleinen Sensoren und elektronischen Komponenten, die Teil des menschlichen Körpers selbst sein können.“
Einsatzmöglichkeiten weiten sich aus
Die aktuelle Studie „Wearable Technologies for Industrial Applications“ ist Teil des Frost-&-Sullivan-TechVision-Growth-Partnership-Serviceprogramms. Die Studie ermittelt die bedeutendsten Technologien im Bereich Wearables wie auch Marktteilnehmer in den Anwendungsbereichen Produktionsstätten, Montage, Qualitätskontrollen, Warenabholung und -transport sowie Versandterminierung.
Während sich die Einsatzmöglichkeiten für die Geräte schnell ausweiten würden, verhinderten hohe Investitionskosten und begrenzter Support von bestehenden Plattformen die Akzeptanz im Industriesektor. Unternehmen stünden zudem den technologischen Möglichkeiten der Geräte, die sich nahtlos in bestehende Arbeitsprozesse integrieren, skeptisch gegenüber. Viele Entwickler hätten noch nicht einmal Zugang zu den notwendigen Technologien, um Ergonomik und das Nutzungsumfeld in ihrem Produktdesign berücksichtigen zu können.
„Im Verlauf der nächsten zwei bis fünf Jahre werden hochdisruptive Entwicklungen im Markt für Wearables erwartet“, sagt Kumar. „Die fortschreitende Digitalisierung wird den derzeitigen Industriesektor in eine ,smarte‘ Industrie mit internen Anwendern und externen Kunden verwandeln, die mit der Lieferkette verbunden sind und durch Mensch-Maschine-Schnittstellen die Produktivität, Nutzersensibilisierung und Arbeitsbedingungen verbessern.“ (TM)
www.wko.at
www.bdi-bioenergy.com
www.covestro.com
www.vision-logistik.de
www.frost.com