KI im Transport­management

NEW BUSINESS Guides - TRANSPORT- & LOGISTIK GUIDE 2024
Die Kombination eines Transportmanagementsystems mit KI kann Unternehmen Vorteile eröffnen. © Adobe Stock/zorandim75

Welches Potenzial hat der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Verbindung mit Transportmanagement- systemen?

Mit dieser Frage hat sich Gardiner von Trapp, Product Manager der Alpega Group, beschäftigt.

Viele Unternehmen investieren in ein Transportmanagementsystem (TMS), um schnell auf Kundenwünsche zu reagieren und detaillierte Informationen bezüglich des Standorts und des Liefertermins einer Ladung bereitzustellen. Transparenz und Kundenservice könnten weiter verbessert werden, wenn ein TMS mit anderen, neuen Technologien zusammengeführt wird – etwa mit künstlicher Intelligenz (KI). Denn KI kann Zeit und Kosten sparen, indem sie zeitraubende Routineaufgaben übernimmt.

Besonders für die effiziente Lagerverwaltung, die Optimierung der Lieferkette, prädiktive Analysen, die Sendungsverfolgung, die dynamische Preisgestaltung, die Ladeplanung und die Lieferantenauswahl ist KI sehr gut einsetzbar. Und durch die Anwendung von maschinellem Lernen auf historische Daten und Trends kann ein TMS zum Beispiel Transitzeiten genauer vorhersagen und Kapazitäten planen. 

Eine kontinuierlich „lernende“ künstliche Intelligenz kann die Ressourcenbemessung erheblich verbessern und dafür sorgen, dass rechtliche und regulatorische Standards eingehalten werden. So kann eine KI beispielsweise die kürzeste staufreie Route auf der Grundlage mehrerer Parameter auswählen oder umweltfreundlichere Verkehrsmittel empfehlen und damit die Transporte in Hinblick auf die verursachten CO₂-Emissionen optimieren. Das kann besonders hinsichtlich der Einhaltung der neuen europäischen Normen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS) wichtig sein.

KI braucht gute Daten
Damit die KI ihr volles Potenzial entfalten kann, muss sie auf ein erhebliches Daten­volumen (Quellen, Diversität, Zeitlichkeit usw.) zugreifen können. Zum Glück wird in der Supply-Chain und im Transportsektor täglich eine große Menge von Informationen gesammelt:

• TMS haben Zugriff auf Transportaufträge, Herkunfts- und Zielorte, Mengen und Arten von Gütern, Fristen sowie die verschiedenen verwendeten Transportarten. 
• Tracking-Lösungen bieten einen detaillierten Einblick in den Datenverkehr.
• Frachtenbörsen erfassen Spot-Sendungen.
• Das IoT (Internet of Things) ermöglicht es u. a., den Standort eines Produkts und seines Behälters in Echtzeit, die Temperaturkontrolle etc. zu verfolgen.

Bisher war es schwierig, Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Elementen herzustellen. Hier wird die KI viel schneller aussagekräftige Schlussfolgerungen ziehen können als ein menschliches Gehirn.

Die Anwendung auf den Transportbereich ist umso mehr gerechtfertigt, als der Sektor nach wie vor stark prozessorientiert ist, mit klar definierten Schritten. Diese Struktur begünstigt einen sequenziellen Verlauf. Ein TMS folgt beispielsweise einem definierten Ablauf vom Versand bis zum Bestimmungsort und umfasst die Erstellung eines Transportauftrags, die Auswahl der Transportfirma, die Lieferung, die Ankunft am Dock etc. Die KI kann jeden Schritt genau analysieren. Deshalb sind die Supply-Chain und insbesondere der Transportsektor ein idealer Anwendungsbereich für die KI. 

Für welche Unternehmen rentiert sich die Einführung von KI? 
Sowohl große als auch kleine Unternehmen können mithilfe von KI größere und komplexere Prozesse mit weniger Aufwand optimieren. Kleine Speditionen oder Familienunternehmen mit wenigen LKW haben einen begrenzteren Anwendungsbereich für KI. Bei Unternehmen mit hoher Prozesskomplexität und hohem Prozessumfang (z. B. mehrere Standorte, mehrere Variable) lässt sich eine höhere Kapitalrendite erzielen.

Auch der IT-Reifegrad einer Firma und besonders der Datenreifegrad spielen eine Rolle. Auch wenn Modelle wie OpenAI es bereits ermöglichen, KI zur Verbesserung von Prozessen und Experimenten einzusetzen, ist es entscheidend zu wissen, wie man diese Lösungen findet und auf die richtigen Probleme anwendet. Um solche Projekte durchführen zu können, ist daher eine ausgeprägte interne IT-Expertise von wesentlicher Bedeutung.

Entscheidend sind die Verfügbarkeit, die Quantität und die Qualität der Daten und die Digitalisierung von Prozessen. Eine große Anzahl von Eingaben und ein leistungsstarkes KI-Modell sind nur begrenzt wirksam, wenn die zugrunde liegenden Prozesse weitgehend manuell bleiben.

Was sollten Unternehmen beim Einsatz von KI beachten? 
Da maschinelles Lernen und KI-Lösungen äußerst ressourcenintensiv sind, ist eine solide Datengrundlage für die Wertschöpfung unerlässlich. Das Organisieren, Verarbeiten, Speichern und Erstellen von Datensätzen ist sehr zeitaufwendig und zudem nur der erste Schritt zum Aufbau einer KI-Lösung. Der Einsatz dieser Technologie kann erhebliche Kosten verursachen und viel Zeit in Anspruch nehmen.

Deshalb sollte man sich fragen, ob bei der Entwicklung und Wartung einer KI-Lösung der Nutzen die Kosten überwiegt. Dazu zählen auch die Kosten für den Aufbau und die Wartung der Datenströme, die genau und aktuell sein müssen und deren Anreicherung auch später noch möglich sein muss. Die Effektivität des Einsatzes von KI-Lösungen hängt maßgeblich von der Verfügbarkeit von Daten und dem sinnvollen Umgang damit ab. 

Ein TMS ist eine Unternehmensanwendung. Wie bei jeder solchen Anwendung ist eine Benutzerschulung erforderlich, um sicherzustellen, dass das volle Potenzial ausgeschöpft wird. Mit KI – und insbesondere mit LLMs (Large Language Models) – kann dieser Schritt beschleunigt und das Tool leichter erlernbar gemacht werden. Letztendlich ist die KI ein ergänzendes Werkzeug und kein Zaubermittel, das alle anderen vorhandenen Werkzeuge ersetzen kann.

Nehmen Sie ChatGPT als Beispiel: während seine Stärken bei der Erstellung von Texten mittlerweile klar sind, hat sich auch gezeigt, dass die Zuverlässigkeit seiner Antworten auf verschiedene Fragen begrenzt ist. Ein fachkundiges menschliches Eingreifen ist weiterhin erforderlich, um Perspektiven und Nuancen einzubringen, die die KI möglicherweise nicht erfasst. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis gefunden werden, das zuverlässige Ergebnisse gewährleistet. (GVT)


ÜBER DEN AUTOR
Gardiner von Trapp, Ph. D.,
ist Product Manager für Analytics & Data Science bei der Alpega Group.
Nähere Informationen finden Sie unter 

www.alpegagroup.com