Recht auf Reparatur

NEW BUSINESS Guides - UMWELTTECHNIK- & ENERGIE-GUIDE 2023/24
Die Reparatur von Gegenständen muss auch wirtschaftlich wieder sinnvoller werden. © refurbed/remarketed

Kilian Kaminski, Co-Founder von refurbed, über den Übergang zu einem zirkulären Wirtschaftsmodell sowie die Auswirkungen des „Rechts auf Reparatur“ und der Ökodesign-Verordnung.

Egal, ob es sich um Unternehmen handelt, bei denen Kreislaufwirtschaft bereits im Geschäftsmodell verankert ist, oder um solche, die (noch) linear wirtschaften: Für uns alle gilt, dass das Umdenken, das in der Zivilgesellschaft bereits eingesetzt hat, sich stark auf unser tägliches Wirtschaften auswirken wird. Viele der Ressourcen, von denen wir abhängig sind, sind endlich. Deren Ausbeutung bringt uns an die Grenzen unseres Planeten und zerstört unsere Lebensgrundlagen. Daher ist der Übergang zu einem zirkulären Wirtschaftsmodell nicht nur notwendig, sondern wird von Konsument:innen mittlerweile auch eingefordert. 

Vom missbrauchten Greenwashing-Schlagwort zur Definition
Daher muss der überstrapazierte Begriff „Nachhaltigkeit“ nun vom Greenwashing-Schlagwort zu einer allgemeingültigen Definition mit verbindlichen Standards werden. Daran feilt die EU derzeit auf mehreren Ebenen, u. a. beim Recht auf Reparatur, das uns eine rechtliche Grundlage bieten soll, damit Geräte innerhalb der Garantiefrist nicht ersetzt werden, sondern repariert werden müssen. Auch nach Ablaufen der Garantiefrist muss eine Reparatur weiterhin technisch möglich sein. 

Konsequent zu Ende gedacht, hätte dies monumentale Auswirkungen auf die Art, wie wir Produkte designen und produzieren. Durch ein solches Gesetz würden all jene Probleme, die es im Zusammenhang mit Reparierbarkeit derzeit gibt und die Konsument:innen täglich nerven (Warum werden Produkte so schnell kaputt? Warum sind Akkus verklebt? Welche Teile lassen sich nicht austauschen, ohne das gesamte Gerät zu zerstören?), zu Problemen von Herstellern – mit dem Effekt, dass Elektronik- und Haushaltsgeräte von Grund auf anders gebaut werden würden. 

Darum ist auch das Konsument:innen-Recht auf Reparatur in der Praxis nicht ohne die derzeit laufende Ökodesign-Regulation denkbar. Denn ein Recht, Produkte reparieren lassen zu können, ergibt eben nur Sinn, wenn diese so produziert und designt werden, dass sie repariert werden können. Derzeit sind das EU-Parlament, der Europäische Rat und die EU-Kommission in Trilogverhandlungen, um sich auf einen endgültigen Gesetzestext für die Ökodesign-Verordnung zu einigen. Diese hätte zwar keine sofortigen Auswirkungen, da sie zuvor für jede Produktkategorie definiert werden muss, um für die Praxis verbindlich zu werden. Aber der Boden, auf dem sich nachhaltigeres Wirtschaften besser entwickeln könnte, wäre damit ein Stück fruchtbarer.

Vor allem deshalb, da die bisher geltende Richtlinie von 2009 eben genau das war: eine Richt-Linie. Im Unterschied dazu wird die jetzt diskutierte Ökodesign-Verordnung eine Verordnung, was bedeutet, dass sie für alle EU-Staaten verpflichtend und anwendbar ist. Für europäische Unternehmen heißt das: Je vorausschauender und schneller ihre Umstellung auf nachhaltigere Produktionspraktiken erfolgt, desto besser. Denn kommen wird diese Verordnung in absehbarer Zeit ohnehin.

Nachhaltigeres Wirtschaften – bei allen europäischen Produkten
Die größte Veränderung ist darüber hinaus, dass die neue Verordnung für (fast) alle Produkte in der EU gelten soll und nicht bloß für einige ausgewählte Produktgruppen. Sie hat also den Anspruch, das gesamte Produktionsverhalten im EU-Raum nachhaltiger zu machen, und ist damit für alle produzierenden Unternehmen relevant.

Denn auch wenn es vielen Menschen noch immer nicht bewusst ist: Praktiken wie das „part pairing“ oder die „Serialisation“, also eine Art eingebaute Seriennummer-Erkennung, die einen Tausch (selbst mit Originalteilen) nicht zulässt, weil die Seriennummer nicht erkannt wird, sind leider gang und gäbe. An solchen Beispielen ist zu erkennen, dass die aktuellen Produktionspraktiken weiterhin hauptsächlich an Gewinn orientiert sind und es unter den derzeitigen Rahmenbedingungen schlicht und einfach gegen die Business-Natur der Unternehmen wäre, reparierbare und langlebige Produkte herzustellen. 

Unsere gemeinsamen Bestrebungen müssen daher darauf abzielen, dass die Reparatur von Gegenständen wieder (wirtschaftlich) sinnvoller wird als etwas wegzuwerfen und neu zu kaufen. Eine Erkenntnis, zu der unsere Großeltern übrigens sagen würden: „Endlich kommen die Jungen auch wieder drauf …“ (KK)


DER AUTOR
Kilian Kaminski
ist einer der drei Co-Founder von refurbed, dem Online-Marktplatz für Refurbished-Produkte, Vorstandsmitglied der European Refurbishment Association sowie Chair der Communication and Membership Working Group und im offiziellen Beirat des Thinkubator, Wien.

Nähere Informationen finden Sie unter www.refurbed.at