Viel erreicht, noch mehr vor

NEW BUSINESS Innovations - NR. 01, JÄNNER 2022
Die Single Pair Ethernet System Alliance ist ein weltweiter Zusammenschluss führender Unternehmen, der die Single-Pair-Ethernet-Technologie ganzheitlich umsetzen und weiterentwickeln möchte. © Gerd Altmann/Pixabay

2019 gegründet, treibt die SPE System Alliance die Entwicklung von Single Pair­Ethernet weiter voran. Einige ihrer Mitglieder brachten ihre Kompetenzen in die Steckverbindernormierung ein ...

... Erste Produkte und Lösungen wurden bereits realisiert.

Für die Kommunikation in Automatisierungsanwendungen haben sich seit Ende der 1990er-Jahre Feldbusse bewährt. Sie sind bis heute in der Fertigungs- und Prozessindustrie das am meisten genutzte Bussystem auf Sensor-/Aktor-Ebene: einfach zu installieren, zu warten und dabei kostengünstig. Doch in der Smart Factory haben sie ihre Grenzen erreicht: Für die Anforderungen des Industrial Internet of Things (IIoT) sind sie nicht geeignet. Deshalb wird sich in der Sensor-/Aktor-Ebene nach Ansicht der Experten Single Pair Ethernet (SPE) als Zubringer zu den IP-Hochgeschwindigkeitsnetzen etablieren.

SPE benötigt im Gegensatz zum klassischen Ethernet, das durch die höheren Datenübertragungsraten bis zu acht Adern erfordert, nur ein Adernpaar. Statt wachsender Übertragungsraten sind aber in der Feldebene der Industrie lange Kabelwege und Miniaturisierung gefordert. Und mit 10 Mbit/s bei einer Übertragungslänge von bis zu 1.000 m und bis zu 1 Gbit/s bei einer Übertragungslänge von 40 m ist SPE selbst für anspruchsvolle Sensorik völlig ausreichend.

Um SPE in den Märkten zu etablieren, wurde 2019 eine Interessenallianz gegründet, aus der im April 2020 die Single Pair System Alliance hervorging. In dem Verein sind derzeit 33 Unternehmen zusammengeschlossen, die sich mit dem gesamten SPE-Ecosystem und den offenen Fragen, die in diesem Zusammenhang bestehen, beschäftigt. Dies umfasst nicht nur physische Komponenten wie Kabel, PHYs, Stecker, Sensoren oder Switches, sondern auch Topologien, Standardisierungsvorhaben, Tests und Anwendungsfälle. 

Von der Theorie in die Praxis 
Seit dem Zusammenschluss waren die Mitgliedsunternehmen überaus aktiv: In einem ersten Schritt beteiligten sie sich maßgeblich an der Ausarbeitung der international standardisieren Steckgesichter gemäß IEC 63171-2 für Schutzart IP20 und IEC 63171-5 für M8 und M12 (Schutzart IP67). Die IP20- und IP65/67-Steckverbinder besitzen ein einheitliches Steckgesicht: So passt ein IP20-Patchkabel ohne Adapter in einen M8- oder M12-Anschluss. „Das Steckgesicht nach der IEC 63171-2 ist das kompakteste der gesamten Normenreihe und wird dadurch der Forderung nach Miniaturisierung absolut gerecht“, erklärt Verena Neuhaus, Manager Product Marketing bei Phoenix Contact. „Im Vergleich zum RJ45 ist eine Verdopplung der Portdichte möglich, wodurch deutlich kompaktere Gerätedesigns realisiert werden können.“

Phoenix Contact hat für die Fabrikautomation, die Prozessautomation und die Gebäudeautomation inzwischen auch entsprechende Geräte- und Kabelsteckverbinder für das einpaarige Ethernet entwickelt. Die normierten Schnittstellen nach IEC 63171-2 und IEC 63171-5 eignen sich ideal für Büro- und Industrieumgebungen. Auch im Bereich der Gebäudeautomation bietet SPE Vorteile, wie Matthias Gerber, Market Manager LAN Cabling bei Reichle & De Massari AG (R&M), erläutert: „SPE eignet sich ideal dafür, eine Vielzahl von Anwendungen in der Gebäudeautomation ans Datennetz anzuschließen.“ Besonders bei sogenannten Digital-Ceiling-Zonen zwischen dem Service Outlet (SO) und kleinen IoT-Anwendungen bieten sich vielfältige und neue Möglichkeiten für SPE. 

Daten und Energie übertragen
Ihren Ursprung hat die Entwicklung des Single Pair Ethernets in der Automobilbranche. Aus diesem Grund setzt die Automobil­industrie seit Jahren die Rosenberger-Steckverbinderserien MTD und H-MTD ein. „In der industriellen Automatisierung ist es ähnlich“, so Thomas Keller, Project Management Medical & Industries bei Rosenberger und Board Member der Alliance. Rosenberger unterstützt zukünftige Automatisierungslösungen für Industrial-Ethernet-Anwendungen durch die Steckverbinderserien RoSPE-HMTD und RoSPE-Industrial (IEC 63171-2 ­und -5).

Auf technischer Seite hat Telegärtner, wie die anderen Alliance-Partner, SPE-Steckverbindungen sowohl für den IP20- als auch für den IP67-Bereich entwickelt. Doch gleichzeitig habe die System Alliance, so betont Marcel Leonhard, Leiter Geschäftsbereiche ICT & DCF bei Telegärtner Karl Gärtner GmbH, auch das SPE-Gesamtsystem weiterentwickelt: „Denn neben den Steckern spielen natürlich die Kabel in dem System eine ebenso wichtige Rolle. Aber bevor man Kabel und Stecker verbinden kann, ganz besonders bei SPE, muss getestet werden, ob die beiden kompatibel sind und funktionieren.“

Denn der Markt bietet eine große Bandbreite von Kabeln wie AWG 22/1 bis AWG 26/7, die alle zwar der SPE-Kabelnorm IEC 61156 entsprechen, die jedoch mit den Steckern abgeglichen werden müssen. Marcel Leonhard: „In der Alliance haben die Stecker- und Kabelhersteller daher zusammengearbeitet, die passenden Produkte abgeglichen und im Round-Robin-Test erprobt. Denn unser Ziel als SPE System Alliance ist es ja, nicht nur einzelne Produkte, sondern das komplette System voranzubringen.“ 

Einen weiteren großen Vorteil der SPE-Technologie erläutert Simon Seereiner, Head of Product Management SAI & IE bei Weidmüller: „Neben Daten kann auch Energie über die zweiadrigen Leitungen übertragen werden.“ Mit Power over Data Line (PoDL) lassen sich bis zu 60 W bei gleichzeitiger Datenübertragung (100 Mbit) zu einer Schnittstelle führen. Seereiner: „Das reicht für die meisten Sensoranwendungen aus. So ist es möglich, kostengünstig, einfach und mit einer hohen Packungsdichte Sensoriken in der Industrie aufzubauen, die dazu führen, Auto­matisierungs- und Vernetzungsgrade zu steigern und immer höher automatisierte Prozesse zu realisieren.“ 

Mehr als ein Steckverbinder
Die SPE System Alliance steht also nicht für ein bestimmtes Steckersystem oder Produkt, die Aktivitäten richten sich vielmehr auf das gesamte zukünftige SPE-Ökosystem. Die erfolgreiche Arbeit der Alliance hat dazu geführt, dass das Single Pair Ethernet Consortium (SPEC) der TIA und die Single Pair Ethernet System Alliance ihre Kräfte seit Kurzem bündeln, um den globalen Markt über die Vorteile der SPE-Technologie gemeinsam zu informieren.

Gleichzeitig ermöglicht die Alliance den teilnehmenden Unternehmen einen schnelleren Aufbau des Know-hows, das für eine schnellere und zuverlässigere Implementierung von Single Pair Ethernet in Produkten erforderlich ist. „Diese Partner haben die Mission, Single Pair Ethernet als durchgängige Infrastruktur in den Markt zu bringen“, so Simon Seereiner von Weidmüller. Und Verena Neuhaus von Phoenix Contact ergänzt: „Die SPE Alliance und ihre Mitglieder treiben die Technologie als Ganzes voran – und das beinhaltet viel mehr als einen Steckverbinder.“ (BS)


INFO-BOX
Wachsende Gemeinschaft
Die Single Pair Ethernet System Alliance ist eine ständig wachsende, partnerschaftliche Gemeinschaft, die die Weiterentwicklung der SPE-Technologie und deren Implementierung in verschiedenen Applikationen vorantreibt. In der Allianz arbeiten Hersteller von Sensoren, Kabeln, Steckverbindern, Messgeräten, Chips, Switches, Endgeräten und Unternehmen aus der Onlinebildung zusammen. 
www.singlepairethernet.com