Auf der AMB-Sonderschau Digital Way sollen die Vorteile der Standardisierung im Rahmen der Digitalisierung gezeigt werden. © MESSE STUTTGART
Der Hochleistungs-Chipsatz und die praxisnahe Industriefunktionen des ersten Tablet-PCs von Siemens sollen den anspruchsvollen Aufgaben und Grafik-Anwendungen in der Industrie gerecht werden.
Standardisierung ist heute der einzige Weg, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu stemmen. Werkzeugmaschinen beispielsweise erreichen schon jetzt einen hohen Grad an Perfektion. Wer in Zukunft jedoch noch nennenswerte wirtschaftliche Verbesserungen und damit Vorteile erzielen will, kann das eigentlich nur noch im Zusammenspiel mit den anderen Komponenten des Gesamtsystems und sogar unternehmensübergreifend. Der Deloitte-Studie „Industrie 4.0 im Mittelstand“ zufolge verbinden 90 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit dem Begriff Industrie 4.0 vor allem digital vernetzte Systeme.
Ein Punkt, den etwa der VDW – Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken mittlerweile erkannt hat. Mit einer kürzlich vorgestellten Brancheninitiative legte der VDW einen konkreten Fahrplan vor, wie die Schnittstellen der Maschinen standardisiert werden sollen. „Ziel ist es, einen Standard für die Anbindung unterschiedlichster Maschinensteuerungen an eine gemeinsame Schnittstelle – einen Connector – zu entwickeln und softwaretechnisch zu implementieren“, erklärte VDW-Vorsitzender Heinz-Jürgen Prokop anlässlich der Vorstellung. Zunächst soll eine Schnittstellenspezifikation erarbeitet werden. Ein Connectorstack soll dann dafür sorgen, dass die Signale aus unterschiedlichen Steuerungsschnittstellen in das offene Format OPC UA (Open Plattform Communications Unified Architecture) übersetzt werden. Schließlich werde ein Gateway implementiert, mit dem sich unterschiedliche EDV-Systeme und Clouds via Standardprotokoll anbinden lassen.
Gemeinsame Sprache der Systeme finden
In der ersten Projektphase sei ein Kernteam mit den Firmen DMG Mori, Emag, Grob, Heller, Liebherr-Verzahntechnik, United Grinding und Trumpf beteiligt. Für die United Grinding Group sei Standardisierung und eine gemeinsame Sprache der Systeme jedenfalls der Schlüssel für die aktuellen Industrie-4.0-Visionen. Christian Josi, Projektleiter HW/SW Engineering beim Gruppenmitglied Fritz Studer AG: „Technisch ist Industrie 4.0 real umsetzbar. Wenn jedoch aufgrund der Interessen Einzelner keine Vereinheitlichung bei den Standards stattfindet, werden die Maschinen weiterhin Insellösungen bleiben.“
Auch DMG Mori sieht die Vernetzung der installierten Basis als eine derzeit noch relevante Barriere für die Umsetzung von I4.0-Projekten. Das Projekt soll für den Werkzeugmaschinenhersteller das Anschließen von Maschinen und die systematische und echtzeitnahe Datenauswertung vereinfachen. Konnektoren könnten zudem helfen, Maschinen verschiedener Fremdanbieter zu vernetzen, um Data Driven Services beziehungsweise IoT-Applikationen realisieren zu können.
Erste Ergebnisse der Initiative wurden für das erste Quartal 2018 angekündigt, weitere Fortschritte sollen zur Fachmesse „AMB“ im September folgen. Mit Sicherheit würden sie als Wegbereiter zu Industrie 4.0 in der Praxis eine wichtige Rolle auf der neuen Sonderschau und am Kongress „Digital Way“ spielen, sind sich die Projektbeteiligten sicher.
Systemübergreifenden Datenfluss unterstützen
Dass Standardisierung ein zentrales Thema sein wird, macht Thomas Hösle, Geschäftsführer von Elabo, einem Tochterunternehmen der Euromicron-Gruppe, deutlich. Er will Vorurteile abbauen, dass Standards für die Digitalisierung fehlen, die Kosten für die Umsetzung zu hoch seien und insbesondere kleine Mittelstandsunternehmen nicht über die notwendige Manpower verfügten: „Diese gilt es jetzt auszuräumen und diesen Trend nicht zu verschlafen.“ Besonders Steuerungshersteller seien gefordert, den Datenfluss in und vor allem aus den Werkzeugmaschinen zu unterstützen. Diese machen das aber nicht immer mit Begeisterung mit, denn darin steckt oft auch eine Menge Produkt-Know-how. Michael Marzluff, Deputy Division Manager Europe Mechatronics CNC bei Mitsubishi Electric Europe, sieht das anders. Er begrüßt eine Standardisierung ausdrücklich: „Endkunden, also die Kunden unserer Kunden, sagen, dass sie die Maschinen auf Basis eines Standards schneller anbinden können; wir müssen diesen Standard bedienen können, denn es ist eine Kundenforderung.“
Werkzeugmaschinenhersteller Emco sieht wiederum in standardisierten Schnittstellen erhebliche Vorteile für den Kunden beim Vernetzen von Maschinen in heterogenen Maschinenparks. Für Emco selbst „bringt eine gemeinsame Schnittstelle sowohl bei der Entwicklung als auch im Verkauf der Maschinen Erleichterungen“, erklärt Christian Klapf, Leiter Forschung und Entwicklung.
Weshalb bereits zusammen mit dem IFT – Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien das Forschungsprojekt „OPC4Factory“ durchgeführt wurde. Dabei wurde ein OPC-UA-Server inklusive Informationsmodell für die WinNC-Steuerung von Emco entwickelt. Klapf: „Wir werden die Ergebnisse des Projekts und der VDW-Brancheninitiative übereinanderlegen und damit die nächsten Schritte planen.“
Die positive Wirkung eines Standards bestätigt auch Jonas Ruesch, Manager Software Development Digital Transformation bei GF Machining Solutions: „Eine standardisierte Schnittstelle für Maschinensteuerungen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung von flexiblen Anwendungen wie sie unsere Kunden im Umfeld von Industrie 4.0 fordern.“ Und ein Connectorstack, wie ihn die VDW-Initiative vorsieht, würde den Aufwand für die Entwicklung steuerungsunabhängiger Lösungen signifikant senken und wäre auch eine wichtige Voraussetzung zur Produktion individualisierter Produkte mit Losgröße eins, da „beispielsweise die Umrüstzeit stark reduziert werden könnte“. Bei GF soll daher ein Weg gefunden werden, das Datenmodell der Maschinensteuerung mit den übrigen Daten, die in den Maschinen verarbeitet werden, „zu einer einheitlichen Repräsentation verknüpfen zu können“.
Einheitlicher Kommunikationsstandard als Basis
Kasto indes muss seine Sägen schon heute „mühelos in einen digitalisierten und einheitlich gesteuerten Materialfluss integrieren“ können, stellt Sönke Krebber, Mitglied der Geschäftsleitung, fest. Unnötige Schnittstellen sollten deshalb möglichst vermieden werden. Kasto ist bereits Mitglied in einem Konsortium führender Sägemaschinen- und Werkzeughersteller sowie verschiedener Forschungsstellen, um ein Konzept zur Vernetzung in der Sägetechnik zu entwickeln. „Basis ist ein einheitlicher Kommunikationsstandard, der alle wesentlichen Prozessdaten berücksichtigt und einen gesteuerten Lese- und Schreibzugriff für alle beteiligten Produktionspartner erlaubt.“
Auch Präzisionswerkzeuge profitieren von Digitalisierung und Vernetzung. Niklas Kramer, Product & Industry Segment Director bei Sandvik Tooling Deutschland: „Generell ist für uns die Digitalisierung eine Möglichkeit, unseren Kunden Anwendungswissen direkt und zielgerichtet zur Verfügung zu stellen.“ Um richtig beraten zu können, müsse aber der Ausgangszustand bekannt sein. „Konkrete Kontextdaten aus der Werkzeugmaschine sind da ein riesiger Schritt voran, je einfacher und einheitlicher sie uns zur Verfügung stehen, desto größer der Anwendernutzen.“
Den Weg zur Vernetzung über die Cloud geht wiederum Roboterhersteller Kuka. „Nicht nur der Roboter, auch die Werkzeugmaschine und weitere Geräte in der Fertigung können an die Kuka-Cloud angebunden werden, um dort die Daten zu sammeln und zu analysieren, um die Fertigungsabläufe zu optimieren“, erläutert Business Development Manager Winfried Geiger. (TM)
www.messe-stuttgart.de/amb
www.vdw.de
www.dmgmori.com
www.emag.com
www.elabo.de
www.mitsubishielectric.com
www.emco-world.com
www.gfms.com, www.kasto.com
www.sandvik.coromant.com
www.kuka.com
IM GESPRÄCH
Eberhard Abele, Leiter des PTW – Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der TU Darmstadt
Sind Schnittstellen ein Hindernis auf dem Weg zur Digitalisierung?
Eberhard Abele: Eindeutig ja! Betriebsleiter und vor allem Fertigungsplaner müssen sehr viele unterschiedliche Betriebsmittel planen, einkaufen und zunehmend vernetzen. Die Planer haben gar nicht die Zeit, viel Aufwand in die Vernetzungsproblematik zu investieren. Da ist es eine immense Hilfe, wenn ein herstellerübergreifender Standard vorhanden ist. Industrie 4.0 wird im Produktionsbetrieb nur vorankommen, wenn es möglichst einfach wird, die Komponenten zu vernetzen.
Muss ein solcher Schnittstellenstandard nicht weltweit gelten, um erfolgreich zu sein?
Auch wenn niemand vorhersehen kann, wie sich die Welt entwickelt, ist es auf jeden Fall wünschenswert, wenn die Standards hier gesetzt werden. Es ist ja fast ein Naturgesetz, dass derjenige, der die Standards setzt, gewisse Vorteile am Markt hat. Ich glaube, die Chancen stehen nicht schlecht, denn Deutschland ist ja eine der führenden Nationen im Werkzeugmaschinenbau.
Derzeit entsteht eine Vielzahl neuer Plattformen im Fertigungsbereich, die den Datenaustausch via Cloud vereinfachen sollen. Droht nicht wieder einer Verzettelung?
Hinter diesen Plattformen haben sich die unterschiedlichsten Allianzen gebildet, beispielsweise Mindsphere von Siemens, Axoom von Trumpf oder Adamos von DMG Mori und anderen. Es ist im Moment schwer zu erkennen, wohin die Reise geht, aber es wird langfristig sicher nicht nur eine Lösung geben. Schon deshalb, weil es Firmen gibt, die sehr uniform in der Auswahl der Betriebsmittel sind und die Lösung favorisieren werden, die ihr jeweiliger Maschinenhersteller empfiehlt. Andererseits gibt es Tausende von Produktionsunternehmen, die mit einer Vielzahl von Herstellern arbeiten. Diese werden eher offene Plattformen wählen.