Es gilt, die Rahmenbedingungen für den Aufschwung industriefreundlich zu gestalten und die europäische Stahlindustrie generell zu stärken. © Fachverband Metalltechnische Industrie
Der starke Anstieg der Preise in den letzten Monaten und das verringerte Angebot bei hoher Nachfrage führten zu einer hoher Volatilität am Stahlmarkt. Die metalltechnische Industrie ...
... sieht den erwarteten Aufschwung damit gefährdet.
Der Fachverband Metalltechnische Industrie sieht durch die aktuellen Entwicklungen am Stahlmarkt den bevorstehenden Aufschwung in der Industrieproduktion gefährdet. Das aktuelle Konjunkturbarometer für die metalltechnische Industrie zeigte kürzlich leicht steigende Produktionserwartungen für die nächsten Monate. Laut einer Blitzbefragung in der Branche investieren 77 Prozent der Unternehmen heuer mehr oder zumindest gleich viel wie im letzten Jahr. Die Zeichen stehen auf Erholung. Gleichzeitig birgt die aktuelle Entwicklung am Stahlmarkt hohe Risiken für den erwarteten Aufschwung. Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie, zeigt sich besorgt: „Wir stecken derzeit in einer Zwickmühle. In einigen Sektoren im Stahl- und Maschinenbau gibt es eine an sich gute Auftragslage mit hohem Produktionspotenzial. Aber es mangelt an ausreichend Stahlkapazitäten und die Preise entwickeln sich sehr volatil. Außergewöhnlich hohe Preissteigerungen in den letzten Monaten machen eine mittelfristige Planung schwierig.“
Stahlpreisindex gestiegen
Bei den Stahlpreisen hat sich in den letzten Monaten eine gefährliche Entwicklung ergeben. Stahlverarbeitende Betriebe berichten von sprunghaften Preisanstiegen um bis zu 50 Prozent und mehr – und das teilweise innerhalb weniger Wochen. Der Stahlpreisindex der Statistik Austria stieg in den Monaten November 2020 bis Jänner 2021 um 21,7 Prozent, allein von Dezember 2020 bis Jänner 2021 legte der Index um 17,7 Prozent zu. Die Steigerungen betreffen fast alle Stahlsorten, vor allem auch Stahlbleche und Laserzuschnitte für den Stahl- und Maschinenbau.
Vielfältige Ursachen für Marktverwerfungen
Die Verwerfungen am internationalen Stahlmarkt haben unterschiedliche Ursachen, der Hauptgrund liegt aber in der Corona-Krise. Mit den ersten Lockdowns im März 2020 kam es zu deutlichen Kapazitätsreduktionen in der globalen Stahlproduktion. Diese nachvollziehbare Reaktion der Stahlhersteller führte zu einer Verknappung des Stahlangebots. Bereits im Spätsommer 2020 kam es aber wieder zur Erholung einzelner Branchen, etwa der Bauindustrie, und hohen Steigerungsraten bei der Nachfrage aus China, wo die Industrieproduktion seit Monaten auf hohem Niveau läuft. Das verringert die Möglichkeiten, Stahl aus Asien zu importieren, da sehr viel davon lokal benötigt wird. Außerdem erleben wir derzeit eine Explosion der Übersee-Frachtkosten durch einen Mangel an Frachtcontainern. Auch das trägt zur derzeitigen Knappheit am Markt bei. Die Corona-Entwicklungen im Herbst lieferten wieder etwas negativere Aussichten und damit weniger Anreiz, Kapazitäten breiter hochzufahren, auch wenn es zu Nachholeffekten, etwa in der Automobilindustrie kam.
Unüberschaubare Lage
Die europäische Stahlvereinigung EUROFER rechnet für 2020 mit einem Rückgang des Stahlverbrauchs um 13 Prozent. Für 2021 hingegen erwartet sie eine Steigerung um 13,3 Prozent, damit wäre der Rückgang bereits heuer fast wieder wettgemacht. Auch bei den Rohstoffen zeigte sich eine ähnliche Entwicklung: Die Minenproduktion wurde zurückgefahren, das führte zu enormen Preissteigerungen etwa bei Eisenerz von bis zu 40 Prozent von November 2020 bis Jänner 2021. Diese volatilen Entwicklungen betrafen in der Folge auch den Stahlhandel, der wiederum von den Erwartungen und Aufträgen der Unternehmen abhängt. Alles in allem eine sehr unüberschaubare und gefährliche Lage, die den zu erwartenden Aufschwung in der Industrieproduktion gefährdet. Denn Industriebetriebe brauchen vor allem Planbarkeit für die Produktion ebenso wie für die Preiskalkulation.
Appell an Stahlhersteller: Kapazitäten rasch erhöhen
Die Metalltechnische Industrie appelliert daher an die Stahlhersteller in Europa, die Kapazitäten rasch wieder Schritt für Schritt hochzufahren. Die voestalpine hat kürzlich begonnen, ihre Stahlproduktion in Österreich wieder zu erhöhen. Das wird von der Metalltechnischen Industrie als positives und wichtiges Zeichen gedeutet. „Wir sehen in der Metalltechnischen Industrie klare Signale für ein neues Wachstum aus dieser Krise hinaus. Einzelne Bereiche verzeichnen bereits seit einigen Monaten eine stabile Nachfrage. Dem stehen nun unverhältnismäßig hohe und volatile Preise sowie mangelnde Kapazitäten gegenüber. Diese Zwickmühle gilt es, rasch aufzulösen, indem Stahlhersteller und Stahlverarbeiter gemeinsam mitwirken, wieder ein Gleichgewicht in den Markt zu bringen. Wir appellieren daher an unsere Marktpartner in Europa, die Kapazitäten wieder zu erhöhen“, schildert Christian Knill die Situation.
Stärkung der europäischen Industrie
Knill sieht aber auch die europäische Union und ihre Mitgliedsländer gefordert. Denn mittlerweile finden rund 72 Prozent der weltweiten Rohstahlproduktion in Asien statt, in Europa werden nur noch 16 Prozent produziert, in Nord- und Südeuropa an die 9 Prozent, der Rest verteilt sich auf andere Regionen. In Europa geht die Tendenz weiter nach unten. Es gilt deshalb, die Rahmenbedingungen für den Aufschwung industriefreundlich zu gestalten und die europäische Stahlindustrie generell zu stärken. „Instrumente wie Kurzarbeit und Investitionsförderungen sind wichtig zur Absicherung der Stahlindustrie in Europa. Wir müssen eigene Kapazitäten in Europa haben, um nicht gänzlich von Produkten aus China oder den USA abhängig zu sein. Gleichzeitig müssen Handelshemmnisse beseitigt werden. Die EU sollte daher auch Maßnahmen setzen, damit Stahlimporte für unsere Branche leichter möglich sind, wenn die europäischen Hersteller die Nachfrage in Europa nicht decken können“, so Knill abschließend. (VM)
INFO-BOX
Über die metalltechnische Industrie
Die metalltechnische Industrie ist Österreichs stärkste Branche. Über 1.200 Unternehmen aus den Industriezweigen Maschinenbau, Anlagenbau, Stahlbau, Metallwaren und Gießerei bilden das Rückgrat der heimischen Industrie. Die exportorientierte Branche ist mittelständisch strukturiert, besteht zu mehr als 85 Prozent aus Familienbetrieben und ist für ein Viertel aller österreichischen Exporte verantwortlich. Zahlreiche Betriebe sind Weltmarktführer und „Hidden Champions“.
Die metalltechnische Industrie beschäftigt direkt mehr als 134.000 Menschen und sichert damit indirekt an die 250.000 Arbeitsplätze in Österreich. Sie erwirtschaftete 2020 einen Produktionswert von rund 34 Milliarden Euro. Der Fachverband Metalltechnische Industrie, ein Zusammenschluss der ehemaligen Fachverbände Maschinen- und Metallwarenindustrie sowie Gießereiindustrie, zählt zu den größten Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden Österreichs und ist eine eigenständige Organisation im Rahmen der Wirtschaftskammer Österreich.
www.metalltechnischeindustrie.at