Multifunktionelle Systeme

NEW BUSINESS Innovations - NR. 09, NOVEMBER 2018
Dort, wo Leitungen zusammenkommen, sind auch sie zu finden – Schaltschränke erleben in „digitalen Zeiten“ in zahlreichen ­Branchen einen regelrechten Boom. © IG Windkraft

Wo Leitungen zusammenlaufen, ist ein Schaltschrank selten weit. Ob optimierte Verkabelung, spezialisierte Schränke für besondere Anwendungsfälle oder smarte Intelligenz im Schaltschrank ...

... die Trends im Schaltschrank-Segment sind vielfältig.

Windenergie boomt nach wie vor. Die Zahl der neu montierten Windräder nimmt – nach einem leichten Einbruch im vergangenen Jahr – nun wieder rasant zu. Und auch die technischen Entwicklungen im Bereich der Windenergie schreiten voran. Eines der wichtigsten Themen dabei ist die Steigerung der Effizienz und die Reduzierung von Stillstandzeiten sowie das Repowering bestehender Windkraftanlagen. Kurz gesagt, werden die Windkraftanlagen immer „smarter“. Schaltschränke spielen dabei eine wichtige Rolle.
So will der Schaltschrank-Spezialist Rittal auf der globalen Fachmesse „WindEnergy Hamburg“ das neue Großschranksystem „VX25“ vorstellen. Die Neuentwicklung vereinfache und beschleunige die Integration von Steuerungs- und Leistungselektronik für den Aufbau von Umrichtersystemen in der Windenergie und von Energiespeicherlösungen. Die Windenergie-Branche stehe unter enormem Druck, ihre Kosten zu senken, gibt das Unternehmen an. Anlagenbauer müssten die Effizienz ihrer Wertschöpfungsketten permanent steigern. Dabei soll das neue System nun „Rückenwind“ liefern. Es sei das erste Schaltschranksystem, welches vollständig entlang der Anforderungen nach erhöhter Produktivität im Steuerungs- und Schaltanlagenbau und derer von Industrie-4.0-Wertschöpfungsketten entwickelt worden sei.
Mit dem Slogan „Perfektion mit System.“ verspreche Rittal einen deutlichen Innovationssprung, der durch breites Erfahrungswissen und intensiven Kundendialog möglich wurde, wie Eric Hartmann, Principal System Engineer bei der Woodward Kempen GmbH – einem Unternehmen, welches den Prototypen des VX25 –, erklärt. Der VX25 biete maximale Datenqualität und Durchgängigkeit der Daten, reduzierte Komplexität sowie Zeitersparnis und Sicherheit in der ­Montage.

Fertigung in hochmodernen Anlagen
Um das neue Rahmenprofil des VX25 fertigen zu können, hatte Rittal in hochmoderne Fertigungsanlagen investiert. Neue vollautomatische Profilieranlagen und Serienfertigungslinien mit insgesamt 31 Schweiß- und Handling-Robotern würden dadurch für maximale Qualität bei Präzision und Stabilität sorgen, wie Rittal betont. Daher sei das Rahmenprofil des VX25, welches über ein durchgängiges 25-mm-Maßraster verfügt, bei gleichem Gewicht wie der Vorgänger „TS 8“ deutlich stabiler.
Der langjährige Rittal-Kunde Woodward Kempen GmbH entwickelt im Geschäftsbereich Renewable Power Systems kundenspezifische Frequenzumrichter zur Implementierung in Windenergieanlagen. Mit dem VX25 realisierte das Unternehmen dementsprechend auch bereits Teilumrichter für eine Gesamtleistung von 4,5 MW, welche aus einer Kombination von drei Schaltschränken bestehen und ein Gesamtgewicht von rund 2.000 kg auf die Waage bringen.
„Für unsere Anwendungen ist es sehr wichtig, dass das neue Rahmenprofil steifer und damit deutlich belastbarer ist“, unterstreicht Holger Gehl, der als Product Line Manager bei der Woodward Kempen GmbH für Windenergie-Projekte zuständig ist. Die Anforderungen, die bei den Anwendungen in der Windenergietechnik an das Schranksystem gestellt würden, seien sehr hoch. So würden beispielsweise häufig Vibrationen auftreten, meint Hartmann. „Am neuen Schrank haben wir deswegen die Vibrationsbeständigkeit überprüft und dabei sowohl Finite-Elemente-Analysen als auch Vibrationstests im Labor durchgeführt. Der neue Schaltschrank ist auch ohne konstruktiven Zusatzaufwand stabiler als sein Vorgänger.“

Planung im CAD-System
Für die Anwendungen bei Woodward werde der mechanische Aufbau der Schaltschränke komplett in einem CAD-System geplant. Auch hier hätten die Ingenieure von Woodward Kempen erste Erfahrungen machen können, wie Gehl erklärt: „In der Konstruktion ist uns positiv aufgefallen, dass wir mehr Freiheiten in der Entwicklung haben und wir weniger Teile benötigen, da das Rahmenprofil überall identisch ist.“
„Dass sämtliche Daten in 3D zur Verfügung stehen, ist für uns extrem wichtig, da unsere mechanische Konstruktion direkt mit diesen Daten weiterarbeiten kann“, ergänzt Hartmann.
Die Vorteile des neu entwickelten Schaltschranksystems würden sich auch bei der Montage innerhalb der Produktion des Unternehmens bemerkbar machen. „Die Türen lassen sich deutlich schneller montieren, und auch der Umbau auf eine Türöffnung von 180° sowie der Wechsel des Türanschlags gehen viel schneller“, so Gehl. „Alles, was uns in der Fertigung schneller macht, ist auf jeden Fall von Vorteil.“ Bei der Auswahl des passenden Schaltschranksystems hätten viele Faktoren eine Rolle gespielt. „Wir haben intern auf Basis einer Bewertungsmatrix verschiedene Systeme miteinander verglichen, und haben uns dann ganz klar für Rittal entschieden“, erläutert Hartmann.
Im Schaltschrank ist Platz allerdings trotz aller Entwicklungen ein beschränktes Gut. So machen beispielsweise strenge Vorschriften und eine Vielzahl geltender Anwendungsnormen die Verkabelung von Maschinen in vielen Ländern bisher oft sehr umständlich und zeitaufwendig, da viele verschiedene Leitungstypen verwendet werden müssten, je nachdem, wo sie verlegt werden.

Multifunktionale Leitungen
Die neue „ÖLFLEX SERVO FD 7TCE“ von LAPP soll nun den verschiedensten Normen entsprechen und es so ermöglichen, vom Schaltschrank oder Umrichter über die Kabelpritsche bis zur Maschine – sogar in einer bewegten Schleppkette – ein- und dieselbe Leitung zu verwenden, ganz gleich, ob für statischen, flexiblen oder hochflexiblen Einsatz. Maschinen- und Anlagenbauer müssten dafür nicht mehr verschiedene Leitungstypen vorhalten, was wiederum die Beschaffung und Lagerhaltung vereinfache. Die Leitung gebe es mit und ohne zusätzliche Steuerpaare für den Anschluss an Bremse beziehungsweise Temperaturfühler.
Das neue Mitglied im LAPP-Portfolio UL-gelisteter Servomotorleitungen vereine dabei zahlreiche Eigenschaften, die es laut dem Anbieter in dieser Kombination bisher noch nicht gab. Die Leitung sei beständig gegen UV-Licht, flammwidrig nach FT4-Brandtest und erhöht ölbeständig nach Oil Res I/II. Die Leiter bestünden aus feinsten Kupferdrähten, was die Leitung besonders flexibel und dadurch geeignet für enge Biegeradien – wie sie in Kabelpritschen vorkommen könnten – mache.
Die Leitungen seien sogar für die Anwendung in der Energieführungskette mit mehreren Millionen Biegezyklen geeignet, wie der Anbieter unterstreicht. Ein Novum sei auch das sorgfältig ausgewählte, vernetzte Material der Aderisolation, wodurch die Leitung kapazitätsarm sei. Dies minimiere den Spannungsabfall bei längeren Verlegedistanzen und reduziere unerwünschte Ableitströme auf der Abschirmung. Da die ÖLFLEX SERVO FD 7TCE als „TC-ER“-Pritschenleitung und „Flexible Motor Supply Cable“ UL-gelistet ist, darf sie sogar in den USA vor Ort im Feld verkabelt werden. Das sei vor allem nützlich bei großen Anlagen, die in Einzelteilen geliefert und erst beim Anwender zusammengebaut würden, oder auch bei einer späteren Anlagenerweiterung. Mit Leitungen, die lediglich nach AWM zertifiziert seien, sei das normativ nicht erlaubt – diese müssten bereits bei der Produktion einer Maschine vollständig werkseitig eingebaut sein. (TM)
www.rittal.com
www.lappkabel.de