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Zukunft im Gepäck

NEW BUSINESS - NR. 1, FEBRUAR 2020
Seit über zwei Jahren setzt sich die Initiative z.l.ö. – zukunft.lehre.österreich. dafür ein, den Stellenwert der Lehre als Fundament der Wirtschaft wieder in Erinnerung zu rufen. © Adobe Stock/Elena Butusova

Heiß begehrt, gut bezahlt und dennoch in der Minderheit – Österreichs Lehrlinge leiden unter einem verkannten Image, das es nachhaltig zu verbessern gilt ...

... Denn: Gerade sie spielen im Kampf gegen den Fachkräftemangel eine tragende Rolle.

Es war ein meisterhafter Erfolg. 46 junge Fachkräfte aus Österreich sorgten bei den Berufsweltmeisterschaften „WorldSkills 2019“ für einen rot-weiß-roten Medaillenregen. Mit 6-mal Gold, 5-mal Silber und einmal Bronze sowie 17 Medallions for Excellence sicherten sich die österreichischen WorldSkills-Champions einmal mehr einen Platz unter den Top-10-Nationen der Welt und erzielten das zweitbeste Ergebnis in der österreichischen Geschichte dieser Berufsweltmeisterschaften. Nur bei der Heim-WM 1983 in Linz gab es noch mehr Medaillen. Mit diesem Ergebnis bestätigte Österreich einmal mehr seinen Ruf als exzellente Fachkräfteschmiede und belegte als beste EU-Nation (u. a. klar vor Deutschland, Frankreich und Großbritannien) Rang 7 weltweit.

Initiative kämpft gegen den Fachkräftemangel
Der großen Freude über die regelmäßigen Erfolge bei den Berufsweltmeisterschaften steht jedoch ein eklatanter Mangel an Fachkräften gegenüber, der die heimische Wirtschaft vor große Herausforderungen stellt. Diese bedenkliche Entwicklung wird auch von Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer bestätigt: „Bereits heute spüren knapp zwei Drittel der österreichischen Unternehmen den Fachkräftemangel ‚sehr stark‘ oder ‚stark‘. 61,1 Prozent hatten im letzten Jahr Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern mit einem Lehrabschluss.“ Setzt sich dieser Trend fort, droht ein wirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe. „Allein in Österreich werden uns im Jahr 2030 über 500.000 Fachkräfte fehlen und die heimische Wirtschaft damit einen Produktivitätsverlust von circa 55 Milliarden Euro erleiden, wie vorsichtige Prognosen vorhersagen. Das müssen wir ändern“, warnte der Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, Werner Steinecker, bereits im Jahr 2018, als er zusammen mit namhaften Wirtschaftstreibenden aus ganz Österreich die Initiative „z.l.ö. - zukunft.lehre.österreich“ ins Leben rief. Ihre Mission: den drohenden Fachkräftemangel in Österreich so weit wie möglich einzudämmen und die Lehre wieder zur attraktivsten Ausbildungsform zu machen.
Zwei Jahre später zieht Steinecker eine vorsichtig positive Bilanz. „Wir haben zwei extrem spannende Jahre hinter uns, in denen wir viele Ideen zur Aufwertung der Lehre geboren und als Forderungen an die Politik herangetragen haben. Im neuen Regierungsprogramm spricht sich nun auch die Politik für eine massive Aufwertung der Lehre aus. Das sind erfreuliche Nachrichten und wir fühlen uns in unseren Forderungen bestätigt – dennoch sind wir noch lange nicht am Ziel. Die Regierung strebt in Zukunft an, Ausbildungserfolge verstärkt vor den Vorhang zu holen. Wir als z.l.ö. setzen diesen Anspruch bereits jetzt in die Praxis um.“

Eine Lobby für die Lehre
Die Zahlen der Vergangenheit sprechen eine klare Sprache: Gingen 1980 noch knapp 200.000 Jugendliche einer Lehre nach, sind es heute nur mehr knapp über 100.000. Dies liegt vor allem an der großteils negativen Wahrnehmung des Lehrberufs, die heutzutage wenig mit der Realität zu tun hat. Die negativen Klischees reichen von schlechter Bezahlung, geringeren Karrierechancen bis hin zu fehlendem Allgemeinwissen. Unter bereits ausgelernten Fachkräften sind diese Vorurteile jedoch kaum noch zu finden.
Bei z.l.ö. ist man Ansicht, dass dieses verkannte Image zu einem beachtlichen Teil der Tatsache geschuldet ist, dass Facharbeiter bzw. Lehrlinge in Österreich über keine Lobby verfügen. Daher wurde am Vorbild der akademischen Alumni-Klubs nun ein eigenes Pendant ins Leben gerufen. Mit der Plattform zukunft.lehre.alumni sollen ehemalige Lehrlinge und aktuelle Fachkräfte nachhaltig vernetzt werden und gemeinsam zu „Lobbyisten“ der dualen Ausbildungsform werden. z.l.ö.- Generalsekretär Mario Derntl weist darauf hin, dass jeder, der die Lehre stärken will, herzlich willkommen ist, Ideen einzubringen – unabhängig davon, ob man selbst eine Lehre absolviert hat oder nicht: „Wir sind die einzige Plattform, welche die breite Bevölkerung aktiv dazu einlädt, mit ihren Ideen zur Verbesserung der Lehre beizutragen. Mit der Gründung unseres Alumni-Klubs rufen wir die Gesellschaft dazu auf, diese wesentliche Ausbildungsform zu unterstützen und den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Unser nächstes Ziel ist es, 1.000 Gesichter für die Lehre zu mobilisieren und so der Bevölkerung eine unüberhörbare Stimme zur Aufwertung der Lehre zu geben.“

Vielversprechende Karriere- und Gehaltsaussichten
Die Dringlichkeit eines grundlegenden Imagewandels wird auch von den Ergebnissen der jüngsten ibw-Publikation „Lehrlingsausbildung im Überblick“ untermauert. Ihrzufolge ist sowohl die Zahl der Lehrlinge als auch die Zahl der Lehrbetriebe im Jahr 2018 zwar erstmals seit zehn Jahren wieder gestiegen, doch diese Zahlen bedeuten keine Entwarnung für den aktuellen und zukünftigen Fachkräftemangel. Denn der Anteil der Lehrlinge an allen Beschäftigten befindet sich auf einem historischen Tiefststand, der Bedarf an Lehrabsolventen unverändert hoch und die demografische Entwicklung ungünstig. Dabei sind die Karriereperspektiven von Lehrabsolventen durchaus vielversprechend. Ihre Arbeitslosenquote liegt deutlich unter dem Durchschnitt und ihr Einkommen zwei Jahre nach Lehrabschluss sogar etwas über jenem von Absolventen einer Berufsbildenden Höheren Schule. Der Lehrberuf Systemtechniker weist mit 1,88 Mio. Euro heute sogar ein höheres Lebenseinkommen auf, als der Beruf des Psychologen mit Universitätsausbildung (1,66 Mio. Euro). (BO)


DIE MEISTER DER LEHRE
So besorgniserregend die Imageprobleme und Zahlen der österreichischen Lehre auch sein mögen – es besteht weit mehr als nur ein Grund zur Hoffnung. Zahlreiche Unternehmen unseres Landes sorgen mit innovativen Programmen, Methoden und Projekten dafür, dass das Interesse junger Menschen an der Ausbildungsform Lehre geweckt wird. Die folgenden Beispiele haben es jedenfalls getan und wurden dafür mit dem Staatspreis „Beste Lehrbetriebe – Fit for Future 2019“ ausgezeichnet.

Zauner GmbH & Co KG
Kategorie „bis 49 Mitarbeiter“
Jedes Unternehmen hat seine eigene Personalpolitik. Im Landschaftsgärtnerbetrieb GartenZauner in Kleinzell im Mühlviertel wird seit jeher auf interne Nachwuchsarbeit gesetzt. „Nur durch qualifiziertes Personal können wir handwerkliche Spitzenleistungen bringen und Gärten auf höchstem Niveau planen und bauen“, ist Geschäftsführer Wolfgang Zauner überzeugt. Das Personal wird bei GartenZauner fast ausschließlich aus der hauseigenen Lehrlingsausbildung übernommen. Die Mitarbeiter wachsen dadurch förmlich in die Firma hinein und bekommen durch die Lehre den richtigen Teamgeist sowie das nötige Engagement für den Beruf des Landschaftsgärtners mit. Vielfältige Ausbildungsmethoden unterstützen selbständiges und selbstverantwortliches Lernen und fördern sowohl das Fachwissen als auch die Persönlichkeit, beispielsweise mit dem Projekt „Lehrlingsgärten“, bei dem die Lehrlinge einmal im Jahr einen Garten anlegen, den sie eigenständig planen, gestalten und dann auch ein Jahr lang pflegen. Die Ausbildung endet aber keineswegs an der Firmentür. „Unsere Lehrlinge haben ein verpflichtendes Auslandspraktikum für mindestens vier bis sechs Wochen zu absolvieren“, sagt Wolfgang Zauner. So lernen sie andere Betriebsstrukturen kennen und bekommen einen neuen Blick auf ihre Arbeit. Auch digitale Lernmethoden werden bei GartenZauner angewandt. „Es wird zum Beispiel ein digitales Lehrlingstagebuch geführt, am Tablet helfen kurze Videos von Pflanztätigkeiten oder Pflanzen-Apps bei der Arbeit und die Lehrlinge bekommen Bilder von Pflanzen aufs Handy, die sie bestimmen müssen“, erklärt Geschäftsführer Hans Zauner. Ebenso sind soziale Aktivitäten in der Firma und die Verbreitung auf Social-Media-Kanälen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit.
www.gartenzauner.com

Mode von Feucht GmbH
Kategorie „50 bis 249 Mitarbeiter“
Internationale Trends und Tiroler Verbundenheit schließen einander nicht aus – zumindest nicht in dem 1977 gegründeten Modehaus Mode von Feucht. Das familiengeführte Unternehmen verfügt mittlerweile über 20 Filialen, sieben Franchise-Stores und über 200 Mitarbeiter, die zu einem beachtlichen Teil direkt im Haus ausgebildet wurden. Jedes Jahr erhalten bis zu zehn Lehrlinge die Möglichkeit, bei Mode von Feucht eine ganzheitliche Ausbildung mit individuellen Schwerpunkten zu absolvieren. Dabei setzt das Unternehmen auf sogenannte „Magic Moments“: Erfolge der Lehrlinge werden vom ersten Tag an sichtbar gemacht und entsprechend gefeiert. Darüber hinaus werden sämtliche Lernprozesse anschaulich, praxisbezogen und nachvollziehbar gestaltet. Neben Schulungen in den Bereichen Kommunikation und Verkauf stehen zahlreiche kreative Trainings und Angebote am Programm, die dazu beitragen „outside the box“ zu denken. Um einen möglichst umfassenden Einblick ins Unternehmen zu bekommen erhalten Lehrlinge im dritten Jahr zudem die Möglichkeit, vorübergehend in die Rolle der Filialleitung zu schlüpfen. Mit #futurefeucht verfügt das Modehaus sogar über einen eigenen Blog, in welchem die Lehrlinge selbst zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen in unterschiedlichen Trainings, Seminaren, Modulen und Lehrjahren berichten. „Auf dieser Plattform zeigt sich die ‚next generation‘. Wir sind stolz, so viele junge Menschen in unseren Teams zu haben. Hier zeigen sie einen kleinen Ausschnitt von dem, was sie können, wer sie sind und wofür sie sich begeistern“, so Geschäftsführer Wolfgang Feucht. 
www.feucht.at

D.Swarovski KG
Kategorie „ab 250 Mitarbeiter“
Prozesstechnik, Metalltechnik, Elektrotechnik, Chemieverfahrenstechnik, Kunststofftechnik – seit mehr als 60 Jahren bietet Swarovski seinen Lehrlingen eine große Auswahl, ihre Karrierewege entlang ihrer Fähigkeiten und Potenziale im Unternehmen auszuloten. Das innovative Ausbildungskonzept stellt die Lehrlinge mit ihren individuellen Talenten in den Mittelpunkt und setzt auf einen gesunden Mix aus Theorie und Praxis. Der Grundausbildung in der Lehrwerkstätte folgt die Rotation in den produzierenden Abteilungen. Der handlungs- und kompetenzorientierte Unterricht in der betriebsinternen Berufsschule komplettiert die Ausbildung. Verpflegung, Team-Events sowie Auslandsaufenthalte sind ebenfalls ein fester Bestandteil des Angebots. Auch die Lehre mit Matura wird unterstützt. Die Lehrlinge profitieren zudem von zukunftsorientierten Lehrmethoden, unter anderem von Virtual-Reality-Systemen, wie der Computersimulation einer realen Kristallschleifmaschine. In der hauseigenen Lehrwerkstätte und Berufsschule stehen den Lehrlingen acht Ausbilder zur Verfügung, die sich ausschließlich um die qualitative Lehrlingsausbildung kümmern. Da die Ausbildung sehr stark in die Praxis eingebunden ist, stehen zusätzlich qualifizierte Ausbilder und Lehrlingsbeauftragte in den jeweiligen Fachabteilungen mit Rat und Tat zur Seite. Mittlerweile hat das Tiroler Familienunternehmen über 1.400 Fachkräfte in zehn Berufsgruppen ausgebildet. Und es geht lehrreich weiter: Bereits im September 2020 heißt Swarovski wieder 35 neue Lehrlinge in seinem innovativen Lernumfeld willkommen.
www.swarovski.com

SSI SCHÄFER Automation GmbH in Kooperation mit Mosaik GmbH
Sonderpreis „Good Practice 2019“
Projekt: „Mosaik of Talents“ – Voneinander lernen, mit­einander lachen
Mosaik der Talente ist der Name des Lehrlingsprojekts, das von SSI SCHÄFER Automation, Film Ab! und der Mosaik GmbH ins Leben gerufen wurde. Neue Per­spektiven kennenlernen sowie Wertschätzung gegenüber unserem eigenen Leben und unseren Mitmenschen, standen dabei im Mittelpunkt. Die Idee dahinter war der wertvolle Erfahrungsaustausch zwischen SSI-SCHÄFER-Lehrlingen sowie Klientinnen und Klienten des Mosaik, einer gemeinnützigen GmbH, deren Betätigungsfeld in der Betreuung, Beratung und Förderung von Menschen mit Behinderung liegt. Anfang April 2019 besuchten 15 SSI-SCHÄFER-Lehrlinge die Einrichtungen der Mosaik GmbH und erfuhren, was es heißt, als Mensch mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen zu leben und zu arbeiten. Gemeinsam wurden unter anderem Holz und Keramik in der produktiv-kreativen Tageswerkstätte verarbeitet und in der Buchbindewerkstatt ein Notizbuch hergestellt. Ende Mai 2019 öffnete SSI SCHÄFER dann auch seine Tore für die Klienten des Mosaik, dabei wurde der gesamte Tagesablauf von den Lehrlingen selbstständig geplant und gestaltet. Die Besucher wurden durch den Betrieb geführt und an verschiedenen Mitmach-Stationen konnte gehämmert, geschraubt oder geschliffen werden. Ein Good-Practice-Beispiel, das hoffentlich zur Nachahmung anregt.
www.ssi-schaefer.com
www.mosaik-web.org

GRASS GmbH
Sonderpreis „Mädchen in technischen Berufen“
Auch wenn der Mädchenanteil in technischen Lehrberufen in den vergangenen Jahren etwas gestiegen ist, sind Frauen in technischen Berufen österreichweit nach wie vor in der Minderheit. Umso wichtiger sind Unternehmen, die diesbezüglich mit gutem Beispiel vorangehen.
Die Vorarlberger GRASS GmbH, einer der weltweit führenden Spezialisten für Bewegungssysteme in hochwertigen Möbeln, bietet ein umfassendes Bündel an Maßnahmen, um mehr Frauen in die Technik zu bringen. Unter anderem haben Zeitmodelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie ein Jugendvertrauensrat, der nur aus jungen Frauen besteht, bereits zu einem Frauenanteil von 30 Prozent in den technischen Lehrberufen beigetragen.
Hervorzuheben sind auch die „Roberta Workshops“ für Schülerinnen und die Beteiligung an der Kampagne
„I kann’s! I trau mer’s zu!“. Dabei begleiten Lehrmädchen der GRASS GmbH Schülerinnen bei einem erlebnisorientierten Lernprozess, der Mädchen die Bereiche Informatik, Technik und Mechatronik auf kreative Art und Weise näher bringt. In dieser beispielhaften Win-win-Situation schlüpfen die weiblichen Lehrlinge in eine wichtige Vorbildrolle und stehen den Schülerinnen als Ansprechpartnerinnen in allen Fragen zu technischen Lehrberufen zur Verfügung.
www.grass.at


INFO-BOX
EuroSkills 2020: Heimvorteil in Graz
Nach den Berufsweltmeisterschaften ist vor den Berufseuropameisterschaften. Und die Vorbereitungen dazu laufen bereits auf Hochtouren: Bei den EuroSkills, die zwischen 16. und 20. September 2020 in Graz stattfinden, werden rund 600 Teilnehmer aus 30 Ländern um den Sieg in knapp 50 Wettbewerbs-Berufen kämpfen. Insgesamt werden über 100.000 Besucher erwartet. www.skillsaustria.at

Lehrlingsstatistik 2019
Die Zahl der Lehrlinge in Ausbildungsbetrieben ist mit 101.689 gegenüber 2018 um 2,1 Prozent gestiegen. Um 10,6 Prozent gesunken hingegen ist die Lehrlingszahl in der überbetrieblichen Lehrausbildung. Insgesamt gab es im Vorjahr 109.111 Lehrlinge, das ist ein Anstieg um 1,1 Prozent gegenüber 2018. Den größten Zuwachs nach Sparten gab es bei Bank und Versicherung (+8,3 Prozent), Information und Consulting (+7,5 Prozent) sowie Industrie (+4,4 Prozent). Bei den Bundesländern wies Niederösterreich mit plus 4,1 Prozent vor dem Burgenland (+2,3 Prozent) und Wien (+1,5 Prozent) das größte Wachstum auf. www.wko.at