Rund die Hälfte der Wohnbauprojekte in Österreich sind Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen. © wirestock/freepik
Erstmals gibt es österreichweite Kennzahlen zu Fertigstellungen von Bauträgerprojekten für den Neubauwohnungsmarkt. Heuer ist ein Rekordjahr an Fertigstellungen in Österreich.
Mit dem „Ersten Österreichischen Neubaubericht“ haben der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Exploreal im Frühjahr erstmals aktuelle Zahlen zu allen bundesweiten Neubauprojekten präsentiert. Bereits 2019 hatte der Fachverband mit Exploreal „Wohnbauprojekte in der Pipeline für Wien“ vorgestellt, die sukzessive um die Bundesländer erweitert wurden.
„Mittlerweile konnte die Bauträgerdatenbank österreichweit ausgebaut werden. Dies ist für Bauträger wichtig, um über Lage, Projektart und Zeitpunkt der Umsetzung zu entscheiden“, erklärt Georg Edlauer, Obmann des Fachverbandes.
Jährliches Update
Nicht nur für die heimischen Bauträger, sondern für alle Firmen in der Immobilienwirtschaft ist die Studie ein unverzichtbares Tool, so der stellvertretende Fachverbandsobmann Michael Pisecky, der ergänzt: „Durch jährliche Updates soll in Zukunft auch längerfristig die österreichweite und regionale Entwicklung im Wohnbau sichtbar gemacht werden.“ In der Erhebung wurden Neubauprojekte ab fünf Einheiten bzw. Dachgeschoßausbauten ab drei Einheiten analysiert.
Fachverbandsobmann-Stellvertreter Gerald Gollenz unterstreicht: „Was bis dato auf einzelne Bundesländer angewendet werden konnte – nämlich ein Vergleich der Bauleistungen und der entsprechenden Projekte –, kann jetzt auf ganz Österreich umgelegt werden. Hier gibt es einige interessante Unterschiede.“ Edlauer ergänzt: „Neben der Erhebung der Volumina und der Markttransparenz war es unser Ziel, die Charakteristika und Unterschiede der einzelnen Bundesländer darzustellen.“
2022 Rekordjahr an Fertigstellungen
138.600 Wohneinheiten wurden und werden 2020 bis 2022 errichtet. Im Vergleich zu 2020 und 2021 werden 2022 in Österreich mit rund 51.500 Wohneinheiten um rund 18 Prozent mehr Fertigstellungen erwartet. „Wir haben heuer den Peak an Wohnbauten in Österreich erreicht“, sagt Gollenz.
Von den errichteten Wohnungen entfallen 41 Prozent auf Wien. Damit liegt die Bundeshauptstadt zwar prozentuell vorne, bezogen auf die Bevölkerung pro 1.000 Einwohner wird allerdings in Eisenstadt und Graz – Wien liegt hier an 3. Stelle – am meisten gebaut. Teilweise auch zu viel, wie Pisecky meint:
„Während in den meisten Bundesländern die Wohnbauproduktion nur leicht über oder gleichauf mit der prognostizierten Haushaltsentwicklung liegt, übersteigt sie in Wien und in der Steiermark die Haushaltsentwicklung um ein Vielfaches.“
Alexander Bosak, Gründer und Geschäftsführer Exploreal ergänzt: „Der Vergleich zwischen gemeinnützigen und den privaten Wohnbauträgern fällt eindeutig zugunsten der Privaten aus.“ Österreichweit werden 61 Prozent der Wohneinheiten von gewerblichen Bauträgern errichtet, für 39 Prozent zeichnen gemeinnützige Bauträger verantwortlich, wobei es bundesländerweise Unterschiede gibt. So werden etwa im Burgenland 84 Prozent von gemeinnützigen Bauträgern errichtet, während in Vorarlberg 78 Prozent der Wohneinheiten von gewerblichen Bauträgern errichtet werden.
Durchschnittswohnung hat 67,8 Quadratmeter
Die errichteten Wohneinheiten setzen sich in den urbanen Regionen fast ausschließlich aus Wohnungen im Geschoßwohnungsbau zusammen, während am Land Reihenhäuser oder Doppelhaushälften auch im größeren Stil durch Bauträger errichtet werden.
„Dank der Datentransparenz können wir für alle Bundesländer die in der Pipeline befindlichen Projekte auf ein ‚typisches Durchschnittsprojekt‘ herunterbrechen“, erklärt Matthias Grosse, Gründer und Geschäftsführer Exploreal. Die bundesweit durchschnittliche Wohnung hat demnach eine Größe von 67,8 Quadratmeter, wobei sie in Kärnten mit 76,4 Quadratmetern am größten und in Wien mit 57,3 Quadratmetern am kleinsten ist.
In rund der Hälfte der Wohnprojekte (46 Prozent) in Österreich befinden sich Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen, rund 35 Prozent haben drei Zimmer und in knapp 19 Prozent gibt es vier bis fünf Zimmer und mehr. In Wien werden mit rund 60 Prozent auch die meisten Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen errichtet, die wenigsten in Kärnten.
Umgekehrt verhält es bei Wohnungen mit drei Zimmern. Hier führt Vorarlberg vor Kärnten, am wenigsten Drei-Zimmer-Wohnungen gibt es in Wien und im Burgenland. Recht einheitlich stellt sich – mit durchschnittlich 94,5 Prozent – bundesweit die Zahl der Freiflächen dar. Gerald Gollenz: „Grundsätzlich kann man sagen, dass Balkone, Loggien, Terrassen oder Gärten in Österreichs Wohnbau einen enormen Stellenwert haben.“
Den geringsten Anteil an großen Wohnungen gibt es in Wien (11,6 Prozent), den höchsten in Niederösterreich (29 Prozent), gefolgt vom Burgenland (27,4 Prozent). Pisecky: „Das ist auch ein Grund, warum zahlreiche Familien, die in Wien keine geeigneten Wohnflächen finden, ins Umland ziehen.“
Edlauer ergänzt: „Dass in Wien die meisten Wohneinheiten pro Projekt entstehen, liegt an den hohen Grundstückspreisen und dem geringen Platzangebot.“ Demgegenüber haben die Projekte im Burgenland und in Vorarlberg die wenigsten Einheiten. Lediglich 13 Wohnungen sind es im östlichsten, 17 im westlichsten Bundesland.
Trends zu kleineren Wohneinheiten, Freiflächen, Finanzierung über Investoren
Aus den Daten der einzelnen Bundesländerstudien der vergangenen Jahre lassen sich bereits deutliche Trends ablesen. Matthias Grosse: „Die Wohneinheiten werden kleiner, es gibt praktisch keinen Neubau ohne Freiflächen, die Bauträger zieht es ins Umland der Städte, Investorengelder dominieren immer mehr die Nachfrage und es wird unglaublich viel gebaut.“ Spannend bleibt, inwieweit aktuelle Liefer- und Kostenprobleme die Bauträger zum Abwarten veranlassen und zu Verzögerungen in der Fertigstellung führen werden. (BS)