Innovationsturbo für die „lernende Fabrik“.

NEW BUSINESS - NR. 11, DEZEMBER 2019/JÄNNER 2020
Reinraum bei Infineon Austria © Infineon Austria

Das länderübergreifende Forschungsprojekt „SemI40“ stärkt mit seinen wegweisenden Ergebnissen den Produktionsstandort Europa. In Villach werden die neuen Methoden in Echtzeit erprobt.

Im Rahmen des europäischen Projekts SemI40 („Power Semiconductor and Electronics Manufacturing 4.0“) wurde in den letzten drei Jahren intensiv an der Weiterentwicklung selbststeuernder Fabriken geforscht. Unter der Leitung von Infineon Austria entwickelte man gemeinsam mit 37 Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft die Prozesse und Methoden für Industrie-4.0-Anwendungen entscheidend weiter. Die Ergebnisse: ein einzigartiges Sicherheitskonzept für die vernetzte Kommunikation von Fabriken, ein Qualitätssprung im Produktionsprozess sowie markante Verbesserungen in der Energieeffizienz. Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren weltweit über Standorte und die gesamte Wertschöpfungskette hinweg miteinander. Die Produktion soll dadurch intelligenter, schneller, effizienter und flexibler werden. „Die Digitalisierung ist die ökonomische Triebfeder für die Innovations- und die Wettbewerbs­fähigkeit der europäischen Industrie“, so Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria „Durch kooperative Forschung bündeln wir die strategischen Kompetenzen aller Partner über Ländergrenzen hinweg und stärken mit Ergebnissen wie aus SemI40 die globale Position des Produktionsstandorts Europa.“ Die Forschungsschwerpunkte von SemI40 fokussierten auf die intelligente Produktion und cyberphysikalische Produktionssysteme, um sie durch verbesserte Datenverarbeitungs- und Kommunikationsmethoden voranzubringen. Mit dem „Pilotraum Indus­trie 4.0“ in Villach hat Infineon ideale Bedingungen, um diese neuen Prozesse und Methoden auch im Echtbetrieb zu erproben.

Einzigartiges Konzept zum sicheren Datenverkehr vernetzter Fabriken
Im Projekt wurde ein neuartiges Konzept entwickelt, um die sichere Steuerung der Fertigungsanlagen mittels Fernzugriffs (Remote) zu ermöglichen. Das Besondere: Es bietet eine einfache Nutzung verschiedenster Geräte und bindet auch ältere Anlagen mit ein, bei denen neuere IT-Funktionen bislang noch nicht verfügbar waren. Damit wurde eine ­sichere Kommunikation von weltweit vernetzten Anlagen mit unterschiedlichsten Merkmalen und Schnittstellen gewährleistet. Das innovative Sicherheitskonzept führte zu einem neuen Produkt, das für alle Konsortialpartner von höchstem Interesse ist.

Smarte Produktion: Mehr Qualität und weniger Energieverbrauch
In der Qualitätskontrolle nutzte man Deep-Learning-Methoden zur automatisierten und selbststeuernden Fehler­erkennung. Das System erkennt dabei in der laufenden Produktion und in Echtzeit durch bereits gelernte Defektbilder Qualitätsabweichungen. Mittels Big-Data-Ansätzen gelang es zudem, schneller auf die Ursachen des Defekts zu schließen und die Produktionsqualität nachhaltig zu verbessern.
Fabriken lernen nicht nur laufend, sie müssen wandlungsfähig sein und energieeffizient arbeiten. Durch die Verknüpfung realer Betriebsdaten mit virtuellen Daten gelang eine markante Optimierung des gesamten Kühlsystems im Reinraum, einem der größten Stromverbraucher in der Halbleiterproduktion. Die entwickelten Algorithmen simulierten die verschiedensten Lastoptionen (Sommer-Winter, Tag-Nacht) mit dem Ziel, das Kühlsystem mit geringstem Energieverbrauch betreiben zu können. Das Ergebnis: eine Energieeinsparung von rund 13 Prozent. Die vernetzte und lernende Fabrik trägt damit wesentlich dazu bei, die Produktion nicht nur smarter, sondern auch grüner zu gestalten.

Industrie 4.0 und die Arbeitsplätze der Zukunft
Das europäische Projekt leistete zudem einen wichtigen Beitrag, um die Arbeitsplätze für die Zukunft weiterzuentwickeln. Mit verschiedenen Bewertungsmodellen analysierte man die technischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die die Industrie 4.0 für Jobs im Fertigungsbereich mit sich bringt. Im Fokus standen vor allem Ausbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen. Die grundlegenden Erkenntnisse aus SemI40 führten bereits zu nach­folgenden Forschungen. Im Projekt „iDev40“ (Integrated Development 4.0) fiel Mitte 2018 der Startschuss für weitere Untersuchungen rund um das Thema „Künstliche Intelligenz“ und die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Europäisches Forschungsteam aus Wissenschaft und Wirtschaft
SemI40 wurde als kooperatives Forschungsprojekt mit einem Mix aus Forschungsinstitutionen, KMU sowie internationalen Unternehmen in drei Jahren (2016 bis 2019) umgesetzt. Das Projektbudget der 37 Partner aus fünf Ländern betrug 62 Millionen Euro, finanziert aus Investitionen der Industrie, Förderungen der einzelnen beteiligten Länder sowie dem Programm ECSEL (Electronic Components and Systems for European Leadership) Joint Undertaking.
• Österreich: AIT Austrian Institute of Technology, AT&S Austria Technologie & Systemtechnik, AVL List, Fachhochschule Burgenland, Fraunhofer Austria Research, Infineon Technologies Austria (Projektleitung), Infineon Technologies IT-Services, KAI Kompetenzzentrum Automobil- und Industrie­elektronik, Know Center, Virtual Vehicle Forschungsgesellschaft, MCL Materials Center Leoben, Plansee SE, Technische Universität Wien, Alpen-Adria Universität Klagenfurt
• Deutschland: ELMOS Semiconductor, Hochschule Mittweida, Fabmatics, Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Infineon Technologies, Infineon Technologies Dresden, Institut für Automation und Kommunikation, Metra­labs – Neue Technologien und Systeme, Plasmetrex, Robert Bosch, Schiller Automatisierungstechnik, Semikron Elektronik, Systema Systementwicklung Manfred Austen, Technische Universität Dresden, znt – Zentrum für Neue Technologien
• Frankreich: Ion Beam Services
• Italien: L.P.E. SPA, Politecnico di Milano, Università degli Studi Pavia
• Portugal: Amkor Technology, Critical Manufacturing, Instituto de Telecomunicações – Pólo de Aveiro, Universi­dade de Aveiro. (VM)