Trübere Aussichten bei Stahl, Textil, Bau und Automotive.

NEW BUSINESS - NR. 2, MÄRZ 2020
In bestimmten Branchen ist aktuell finanzielle Vorsicht geboten. © Jordan Opel/Unsplash

In welchen Branchen das Risiko für Zahlungsausfälle derzeit hoch ist und wie Klein- und Mittelbetriebe sich dagegen schützen können, zeigt eine Beispielrechnung aus der Praxis.

Die Konjunktur in der Automobilindustrie stottert. Nun wächst auch die Sorge über die in Österreich traditionell stark etablierte Stahl- und Kfz-Zulieferindustrie. „Eingetrübt haben sich laut Prognosen der Kreditversicherer auch die Aussichten für die Textil- und Baubranche“, konstatiert Peter Androsch, Vorstandsmitglied beim internationalen Kreditversicherungsmaklerverband BARDO. Der Experte verweist anhand einer Beispielrechnung auf das von etlichen Unternehmen immer noch unterschätzte Risiko des Forderungsausfalls. Deshalb müssten jetzt die richtigen Prio­ritäten gesetzt werden.

Exporte von Kfz-Teilen sinken
Kreditversicherungen agieren in der Regel sehr umsichtig, denn jede Fehleinschätzung kann sie selbst teuer zu stehen kommen. Ihr Geschäftsmodell besteht nämlich darin, dass sich Lieferanten bei ihnen gegen den Ausfall ihrer Forderungen versichern. Aus diesem Grund analysieren die Kreditversicherer permanent die Bonität von Unternehmen, Sektoren und sogar ganzer Nationen. Leidet eine Branche unter sinkender Profitabilität oder verändert sich der Ausblick, schrillen bei ihnen die Alarmglocken. „Derzeit werden die Stahl-, Automotive-, Textil- und Baubranche von den Kreditversicherungen kritischer beäugt als früher“, erklärt Peter Androsch. „Die Stahlindustrie leidet unter der nachlassenden Konjunktur, dem Nachfragerückgang in der Automobilindustrie und den Schutzzöllen für Stahlprodukte. Besonders finanzschwache Anbieter sollten bereits jetzt Vorkehrungen treffen, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden“, mahnt Androsch zur Vorsicht. Auch bei den klassischen Automobil-Zulieferern laufen die Geschäfte nicht mehr so gut wie früher. Davon zeugen beispielsweise der im Sommer eingereichte Insolvenzantrag von HTI oder die Gewinnwarnungen einiger börsennotierter Player in Deutschland in diesem Jahr. Wie die Außenhandelsstatistik der Wirtschaftskammer zeigt, hat Österreich im 1. Halbjahr 2019 Kfz-Teile und Zubehör im Wert von 2,32 Milliarden Euro exportiert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von mehr als sechs Prozent. Bei Straßenfahrzeugen gab es sogar ein Minus von 17 Prozent.

Politische Risiken sollten nicht unterschätzt werden
Auch der Brexit könnte für heimische Zulieferer zum Problem werden. „Angenommen der indische Eigentümer von Jaguar und Land Rover würde aufgrund des Brexits die Fahrzeugfertigung komplett nach Indien verlagern. Dann sitzt der Kunde des heimischen Kfz-Zulieferers plötzlich nicht mehr in Großbritannien, sondern in Indien mit all den daraus resultierenden politischen und länderspezifischen Zahlungsrisiken“, skizziert Androsch. Wie Argentinien zuletzt vorgezeigt hat, sei das Devisentransferrisiko nicht zu unterschätzen. Sollte die indische Notenbank aus irgendeinem Grund verfügen, dass Euro und Dollar nicht mehr außer Landes gebracht werden dürfen, müssten die Kreditversicherer für den Schaden aufkommen, sofern diese politischen Risiken zuvor mitversichert wurden.

Ein wirksamer Bilanzschutz gegen ­Zahlungsausfälle
Teilweise werden die Gefahren des Zahlungsausfalles von vielen Unternehmen aber noch unterschätzt. „Im Gegensatz zu Großunternehmen ist die Kreditversicherung bei österreichischen KMU noch nicht ausreichend etabliert“, stellt Androsch fest. Die großen Lieferanten sind sich hingegen ihrer Funktion als Kreditgeber vom Zeitpunkt der Lieferung bis zur Bezahlung der Ware längst bewusst. Für sie ist das Instrument der Kreditversicherung ein wirksamer Bilanzschutz. KMU verstehen sich hingegen in erster Linie als Erbringer von Leistungen und nicht als Kreditgeber. Dies dürfte mit ein Grund sein, warum sich erst rund 6.000 österreichische Unternehmen einer Kreditversicherung bedienen. Die Sichtweise der nicht kreditversicherten Unternehmen hält einer näheren Betrachtung allerdings nicht stand.

Beispielrechnung zeigt unterschätzte Gefahr
„In einer durchschnittlichen österreichischen GmbH-Bilanz befindet sich als größte Einzelbilanzposition auf der Aktivseite ‚Forderungen aus Lieferungen und Leistungen‘. Laut KMU-Forschung Austria macht diese Position im Schnitt mehr als 30 Prozent der Bilanzsumme aus. Hingegen entspricht das oft bestens versicherte Sachanlagevermögen nur rund 25 Prozent der Bilanzsumme“, rechnet Androsch vor. Das lässt den Schluss zu, dass das Risiko der Nichtzahlung von Forderungen von vielen Unternehmen geringer erachtet wird als beispielsweise eine Betriebsunterbrechung oder ein Brandschaden. Diese Einschätzung widerspricht massiv den statistisch erfassten Risikopotenzialen: Im Jahr 2018 wurden in Österreich 4.980 Insolvenzen mit Gesamtpassiva von 2,07 Milliarden Euro verzeichnet. In der klassischen Schadenversicherung lag die Anzahl der Schadensfälle bei 1.782.000 Fällen und die Versicherungsleistung bei 2,85 Milliarden Euro. Trotzdem wurden in der Schaden-Sparte überproportional hohe Vorsorgen getroffen. Dort lagen die Gesamtprämien bei 4,93 Milliarden Euro, während im Kreditversicherungsbereich gerade einmal 150 Millionen Euro investiert wurden (Quellen: KSV1870, VVO). Androsch sieht diese Diskrepanz kritisch: „Mithilfe kompetenter Beratung im Kreditversicherungsbereich könnten Österreichs Unternehmen auch in konjunkturell schwierigeren Zeiten Geschäftschancen optimal nützen, unbezahlte Rechnungen vermeiden und zugleich Geschäftsrisiken minimieren.“ (VM)