Grenzen- und branchenübergreifende M&A-Transaktionen waren zuletzt im Trend. © Fotolia/bas121
Der Markt der Übernahmen und Fusionen ist im Aufschwung. Internationale Konzerne haben großes Interesse daran, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und ihre Marktanteile zu vergrößern ...
... auch mithilfe österreichischer Vorzeigeunternehmen.
Ein Megadeal hier, eine Großkonzern-Fusion da: Firmenhochzeiten erleben derzeit im wahrsten Sinne des Wortes eine Hoch-Zeit. Weltweit sind Übernahmen und Fusionen im Trend. 2016 sind sie zwar nach sehr hohen Werten im Jahr 2015 um 17 Prozent zurückgegangen – das Geschäft mit den Unternehmen bleibt jedoch durchaus attraktiv. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle M&A Predictor, ein Bericht von KPMG, der Transaktionen im Mergers-&-Acquisitions-Bereich (M&A) der letzten zwölf Monate analysiert.
Vor allem niedrige Zinsen und M&A als Wachstumsmotor am internationalen Markt waren 2016 ausschlaggebend für Deals im Unternehmenssektor. Während das erste Halbjahr aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit durch schwache Umsatzzahlen gekennzeichnet war, kam es in den beiden letzten Quartalen zu zahlreichen großen Übernahmen. Die Ergebnisse aus dem Rekordjahr 2015 konnten jedoch nicht erreicht werden.
Branchenübergreifende Transaktionen
Bemerkenswert ist das zunehmende Interesse an Übernahmen und Fusionen außerhalb der eigenen Branche. Bei knapp der Hälfte aller M&A-Deals (43 Prozent) handelt es sich um branchenübergreifende Transaktionen. 2010 waren es noch rund 30 Prozent. Ein Viertel des Gesamtvolumens aller M&A-Deals sind Übernahmen und Fusionen, die nicht das Kerngeschäft der Unternehmen betreffen. „Dass sich die Betriebe auch für Transaktionen außerhalb der eigenen Branche interessieren, spiegelt die positive Entwicklung des M&A-Markts wider“, erklärt KPMG-Partner Klaus Mittermair, von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG in Österreich. „Sie können dadurch ihre Wertschöpfungskette erweitern und sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.“ Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit verstärkt den M&A-Transaktionen von Großkonzernen Beachtung schenkt, sind sie auch für Kleinunternehmen und den Mittelstand lukrativ. Durch den Kauf eines Mitbewerbers gehen auch Patente, Know-how, Lizenzen, Produkte und Marktanteile auf den neuen Eigentümer über.
Über die Grenzen
Auch das Ergebnis von grenzüberschreitenden Übernahmen und Fusionen zeigt eine positive Entwicklung. Im Vergleich zu 2015 wurde lediglich ein Rückgang um drei Prozent festgestellt. Beachtliche 41 Deals der hundert größten Transaktionen erfolgten grenzüberschreitend. „Nicht nur die Anzahl der abgeschlossenen Übernahmen und Fusionen, sondern auch das Auftragsvolumen der getätigten Geschäfte stieg deutlich. Wir erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird“, sagt Jens Kaden, KPMG-Partner und verantwortlich für das Advisory-Geschäft von KPMG in Österreich.
Besonders in der Energie- sowie Technologiebranche zeichnet sich für 2017 ein positives Bild ab. Für den Energiesektor wird eine Erhöhung der Investitionsbereitschaft um neun Prozent erwartet, um gar ein Viertel (23 Prozent) soll das Transaktionsvolumen anwachsen. Noch rosiger sieht es in der Technologiebranche aus: 2017 wird mit einem Anstieg der Investitionsbereitschaft um 121 Prozent gerechnet.
Big Deals in Österreich
Der Trend zu Übernahmen und Fusionen hat auch vor Österreich nicht Halt gemacht. Zuletzt haben hierzulande zahlreiche Unternehmen – vom alteingesessenen Familienkonzern bis hin zum innovativen Start-up – den Besitzer gewechselt. NEW BUSINESS stellt fünf Big Deals aus unterschiedlichen Branchen vor, deren Verkauf besonders viel Aufmerksamkeit erregte.
ABB übernimmt B&R: In Österreich entsteht ein weltweit einzigartiger Komplettanbieter in der Industrieautomation
Mit Knalleffekten dieser Art wird die österreichische Industrielandschaft selten überrascht: Anfang April wurde bekannt, dass der Technologiekonzern ABB das Automationsunternehmen B&R übernimmt. Durch das kombinierte Know-how entsteht eines der weltweit umfassendsten Angebote in der Industrieautomation auf heimischen Boden. ABB ist führend in Robotik, Prozessautomation, Digitalisierung und Elektrifizierung. B&R ist der größte unabhängige Anbieter von Produkten, offenen Lösungen und Software für moderne Maschinen- und Fabrikautomation weltweit. „Heute schlagen wir ein neues Kapitel der österreichischen Industriegeschichte auf. Die Kombination von B&R und ABB bietet eine einmalige Chance für unsere beiden Unternehmen und stärkt den Wirtschafts- und Technologiestandort Österreich. B&R ist eine Perle in der Welt der Maschinen- und Fabrikautomation“, sagte Ulrich Spiesshofer, CEO von ABB. „Diese Transaktion ist ein wahrer Meilenstein für ABB, da B&R die historische Lücke in unserem Automationsangebot schließt. Wir passen perfekt zusammen: Künftig werden wir das einzige Unternehmen sein, das seinen Industrieautomationskunden das gesamte Spektrum an Technologie- und Softwarelösungen rund um Mess- und Steuerungssysteme, Antriebe, Robotik, Digitalisierung sowie Elektrifizierung anbietet.“
Von offizieller Seite ist nichts über den Verkaufspreis bekannt, es soll sich aber laut Branchenkennern um 1,8 bis zwei Milliarden Euro handeln. Die Übernahme unterliegt den üblichen regulatorischen Genehmigungen und wird voraussichtlich im Sommer 2017 stattfinden.
Läuft bei denen: Fitness-App wird zum Vorzeigeunternehmen
Eine Idee, eine App und jede Menge Durchhaltevermögen – das sind die Zutaten für den Erfolg des Softwareunternehmens Runtastic. Mit über 195 Millionen App-Downloads mauserte sich die digitale Fitness-Plattform zum weltweit erfolgreichsten Anbieter im Bereich mobiler Sport-Apps. Gekrönt wurde der Erfolg mit dem Verkauf an den Sportartikelerzeuger adidas im Sommer 2015 für stattliche 220 Millionen Euro.
Gegründet wurde Runtastic 2009 von vier Oberösterreichern. 2013 kaufte das Berliner Verlagshaus Axel Springer 50,1 Prozent der Anteile. Co-Gründer Florian Gschwandtner ist nach wie vor CEO. Laut „Great Place to Work” zählt Runtastic zu den besten Arbeitgebern Österreichs. Im Unternehmen wird Diversität groß geschrieben: Mit 190 Mitarbeitern aus 32 verschiedenen Nationen gehört das Unternehmen zu einem der kulturell vielfältigsten hierzulande.
Seit der Unternehmensgründung ist Runtastic kontinuierlich zu einem internationalen Mobile-Health- und Fitness-Unternehmen mit Firmensitz in Pasching herangewachsen. Das Angebot umfasst mittlerweile eine Vielzahl an Gesundheits- und Fitnessapplikationen, unternehmenseigene Hardwareprodukte und Onlineservices, die Gesundheits-, Fitness- und tägliche Bewegungsdaten aufzeichnen und verwalten, um die Menschen zu einem gesunden und fitten Lebensstil zu motivieren. Anfang des Jahres eröffnet Runtastic ein neues Büro in Wien. „Unser Office in Wien bietet viel Platz für neue Mitarbeiter und damit auch mehr Raum für Innovation”, freut sich Florian Gschwandtner. „Im Oktober haben wir unseren 7. Geburtstag gefeiert. Ich bin stolz darauf, dass wir unsere Start-up-Mentalität auf dieser Reise nie verloren haben. Als Teil der adidas-Familie können wir so das Beste aus beiden Welten vereinen: Den Start-up-Spirit einer jungen Tech-Firma mit dem Rückhalt und der Stabilität eines etablierten Unternehmens.”
Verkauf eines Familienunternehmens: kika/Leiner geht an südafrikanischen Mischkonzern
Selbst aufmerksame Kunden werden keinen Unterschied bemerkt haben, seit die österreichischen Traditionsmöbelhäuser kika und Leiner 2013 den Besitzer gewechselt haben. Für mehr als 500 Millionen Euro ging das Familienunternehmen kika/Leiner an die südafrikanische Steinhoff-Gruppe. Die Marken kika und Leiner sind erhalten geblieben, Paul Koch, der 2008 die Geschäftsführung von seinem Vater Herbert übernommen hat, blieb vorerst im Chefsessel. „Als in diesem Land groß gewordenes Familienunternehmen war es für uns auch entscheidend, dass mit dem neuen Eigentümer der Erhalt der Marke, Kontinuität und Sicherheit für die Arbeitsplätze gegeben sind. Daher haben wir uns für Steinhoff entschieden – auch deshalb, weil Steinhoff heute nicht nur ein extrem erfolgreiches, börsennotiertes Unternehmen ist, sondern auch – wie wir – aus einem Familienunternehmen entstanden ist und dieselbe Qualitätsphilosophie hat“, so Koch im Jahr 2013 zum Verkauf. Inzwischen wird die kika/Leiner-Möbelkette von Gunnar George geführt.
Die erste Leiner-Filiale wurde 1910 in St. Pölten eröffnet. Das Konzept eines Komplettanbieters, der in nur einem Einrichtungshaus alle Sortimentsbereiche zusammenführt, war bislang einzigartig in Österreich. Die Gründung von kika erweiterte das Unternehmen auch in Hinblick auf den Trend der Selbstabholmärkte. Die Pläne der Steinhoff-Gruppe, den österreichischen Markt mit einer eigenen Diskontlinie aufzumischen, tragen nun Früchte: Ende März eröffnete in Langenzersdorf (NÖ) der erste Markt unter dem Namen Lipo. Er ersetzt einen bisherigen Leiner-Standort. Der zweite Lipo-Standort ist in Ansfelden (OÖ) geplant. Dort wird der Diskonter neben einer Kika-Filiale einziehen.
Paukenschlag in der Medienbranche: ProSieben-Gruppe schnappt sich den Privatsender ATV
Im Februar dieses Jahres wurden die Verträge für den Verkauf des österreichischen Privatsenders ATV an die deutsche Sendergruppe ProSiebenSat.1 Puls 4 unterschrieben, inzwischen gaben auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die Medienbehörde KommAustria grünes Licht für die Übernahme. In Österreich betreibt die Gruppe den Sender Puls 4 und integriert nun ATV in die Sendergruppe, um so „die Position von ATV auf dem österreichischen TV-Markt nachhaltig zu stärken“, sagte Österreich-Geschäftsführer Markus Breitenecker. „Ich freue mich, dass wir für den Fortbestand des Unternehmens die optimale Lösung gefunden haben“, sagte ATV-Eigentümer und Tele-München-Chef Herbert Kloiber. ATV machte nach eigenen Angaben Verluste in zweistelliger Millionen-Höhe, ein möglicher Verkauf der beiden Sender ATV 1 und ATV 2 wurde bereits letztes Jahr angekündigt.
Für Kritik in der heimischen Medienlandschaft sorgte, dass nun die beiden reichweitenstärksten österreichischen Privatsender in deutscher Hand sind. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart.
Vom Start-up zum internationalen Erfolg in vier Jahren: E-Learning-Pionier KnowledgeFox GmbH verkauft Mehrheitsanteile
2012 gründete die Research Studios Austria Forschungsgesellschaft (RSA FG) die E-Learning-Lösung KnowledgeFox, die das Konzept des Mikrolernens, also Lernen in kleinen Schritten auf digitalen Endgeräten, ermöglicht. Dass es sich dabei um einen bedeutenden Wachstumsmarkt handelt, zeigt der große Coup, den der Pionier unter den E-Learning-Apps im Januar 2017 landete: Der schwedische Medienkonzern Bonnier AB, eines der größten Medienhäuser Europas, setzt auf das KnowledgeFox-Konzept, die Technologie sowie das Team und erwirbt mit 51 Prozent die Mehrheitsrechte am Unternehmen. Die übrigen Anteile werden von Peter A. Bruck und Ex-Telekom-Austria- und A1-Generaldirektor Boris Nemsic gehalten. „Der Einstieg von Bonnier und ihrer Business-to-Business-Division beschleunigt die Weiterentwicklung der Forschung und Technologie und garantiert einen schwunghaften Ausbau der Firma sowie die Arbeitsplätze in einem der Kernbereiche der digitalen Transformation. Entscheidend ist, dass Bonnier als Gesellschafter einen sprunghaft stärkeren Vertrieb ermöglicht. Viele Start-up-Firmen schaffen es nach der Lancierung eines innovativen Produktes nicht, die Bereiche Marketing und Vertrieb nachhaltig zu entwickeln. Mit Bonnier können wir dies nun sicherstellen und damit auch den nachhaltigen Erfolg unserer Innovation“, erklärt Peter A. Bruck, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Gesamtleiter der RSA FG. „Für die RSA FG ist es die höchste Form des Erfolgs, wenn wir zeigen können, dass unsere Forschung und die entwickelten Technologien internationalen Erfolg haben und im Markt so nachgefragt werden, dass Analysten schon von einem ‚MicroLearning-Trend‘ sprechen.“ Die Firma mit Sitz in Salzburg und Wien hat 13 Mitarbeiter und rund 50 Kunden in 23 Ländern. Über die Höhe der Beteiligung ist von offizieller Seite nichts bekannt. (MW)