Die Situation der Generation 50plus am heimischen Arbeitsmarkt ist ausbaufähig. © Fotolia/Robert Kneschke
Die Jobsituation ist für arbeitssuchende Menschen ab 50 nach wie vor schwierig. Experten aus der Wirtschaft diskutierten über Lösungen für die Zukunft und den Status quo in Österreich.
Aufgrund des demografischen Wandels wird bereits 2020 die Gruppe der mehr als 50-Jährigen erstmals den größten Anteil an den Erwerbstätigen Österreichs ausmachen. Allerdings ist bereits heute in Österreich fast jeder Dritte dieser Altersgruppe arbeitssuchend. Die Gesamtarbeitslosenquote ist laut AMS gegenüber dem Juli des Vorjahres leicht auf 7,6 Prozent gesunken – der Anteil der über 50-jährigen Arbeitslosen ist jedoch im gleichen Zeitraum um 3,1 Prozent gestiegen. Noch deutlicher zeigt sich die Entwicklung über einen längeren Zeitraum: 2012 waren 4,1 Prozent der beim AMS gemeldeten Personen im Alter von 50plus langzeitarbeitslos. 2016 war dieser Anteil bereits sechsmal so hoch und lag bei 24,5 Prozent – und das trotz guter Wirtschaftskonjunktur.
Status quo in Österreich
Ein Mercer-Spot-Survey, an dem 60 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen von Mitte Juli bis Ende August 2017 teilgenommen haben, zeigt diesbezüglich Interessantes: In 58 Prozent der Unternehmen gibt es keine ausgewogene Altersstruktur. 34 Prozent stellen bevorzugt jüngere Arbeitskräfte bis 45 Jahre ein und fünf Prozent stellen generell keine älteren Arbeitnehmer ab 45 Jahren ein. Letztere werden nur von drei Prozent der befragten Organisationen bei der Besetzung vakanter Stellen bevorzugt berücksichtigt. Der Survey entstand als Vorbereitung auf die Fachtagung „Demografischer Wandel – Eine Arbeitswelt auch für Menschen ab 50“, die am 21. September in der TU Wien stattgefunden hat und von der österreichischen NGO „Bündnis Arbeit für Best Ager“ (BABA) zusammen mit Mercer, vertreten durch die Corporate-Social-Responsibility(CSR)-Gruppe MercerCares, veranstaltet wurde. „61 Prozent der befragten Unternehmen in Österreich geben an, schon relativ gut auf den demografischen Wandel vorbereitet zu sein“, sagte Josef Papousek, CEO der Mercer (Austria) GmbH, in seinem Auftaktvortrag der Tagung. Die Umfrage zeige allerdings auch, dass 42 Prozent der Unternehmen spezielle Altersanforderungen bei der Besetzung vakanter Stellen haben – und nicht unbedingt zugunsten älterer Arbeitnehmer. Dabei brächte die Generation 50plus ein enormes Potenzial mit. „Nie war eine Generation 50plus so aktiv wie heute. Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fühlen sich jünger und vitaler, sind an ,neuer‘ Arbeit interessiert und auch im Job bereit, sich weiterzuentwickeln“, so Papousek.
Kurt Pongruber, Gründer und Obmann des BABA, betonte, dass „qualifizierte Langzeitarbeitslose von der Politik und der Arbeitsmarktverwaltung geradezu sträflich vernachlässigt werden.“ Ein Pilotprojekt mit dem Land Salzburg, der Wirtschaftskammer, dem Arbeitsmarktservice (AMS) und dem Salzburger Gemeindebund soll helfen, „eine für ganz Österreich sinnvolle Lösungsmöglichkeit zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit zu finden. Auf freiwilliger Basis stellt das BABA die menschlichen und fachlichen Fähigkeiten älterer Langzeitarbeitsloser fest, um dann für diese Zielgruppe Jobs mit Perspektive zu schaffen.“
In der Podiumsdiskussion betonte BABA-Vorstand Ulrike Gadenstätter: „Es muss ein Umdenken stattfinden – von ‚Was kostet mich ein älterer Arbeitnehmer?‘ hin zu ‚Welchen Nutzen bringt mir ein älterer Arbeitnehmer?‘“
Missverständnisse beseitigen
Ernst Haider, stellvertretender Leiter des AMS Österreich, ging auf die Bedeutung der Integration älterer Arbeitnehmer ein: „Wenngleich ältere Beschäftigte in geringerem Maß von Arbeitslosigkeit betroffen werden, so bewirken die geringeren Reintegrationschancen eine höhere Arbeitslosenquote als bei Jüngeren. Die Herausforderung für das AMS ist es, einerseits Kündigungen von älteren Beschäftigten durch Qualifizierung und Altersteilzeit vorzubeugen, und andererseits Arbeitslose durch Lohnkostenzuschüsse an Dienstgeber wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“
Das Fazit von Papousek nach der Veranstaltung lautete: „Zwischen den österreichischen Sozialpartnern gibt es hinsichtlich der Jobinitiative 50plus noch viele Missverständnisse, gegenseitige Vorbehalte und unbegründete Zuschreibungen. Um älteren Arbeitnehmern durchschlagende neue Berufschancen zu sichern und den Unternehmen für die kommenden Jahre ausreichend motivierte, einsatzbereite und fachlich versierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sichern, müssen weitere Koordinierungstreffen stattfinden, um die gegenseitigen Reibungsflächen abzubauen.“
Ideen für die Zukunft
Oliver Picek, PhD, Fachreferent für Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik im BMASK, berichtete von der „Aktion 20.000“, bei der im öffentlichen Bereich Arbeitsplätze für Arbeitssuchende über 50 geschaffen werden. Dies sei eine „innovative arbeitsmarktpolitische Lösung“, die „essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ sei. „Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen zeigen, dass wir unsere Förderungen für langzeitarbeitslose Ältere gezielt fortsetzen müssen. Mit der Aktion 20.000 schaffen wir 20.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Anstatt einfach nur Arbeitslosengeld zu überweisen, investieren wir in gesellschaftlichen Nutzen und geben den betroffenen Menschen wieder eine Perspektive in ihrem Leben. So geht Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik“, meint Arbeitsmarktexperte Sven Hergovich.
Peter Hoffmann, Experte für Arbeitsmarktpolitik bei der Arbeiterkammer Wien, erläuterte, dass das Instrument der psychologischen Evaluierung am Arbeitsplatz viel zu wenig eingesetzt werde: „Schlechte Arbeitsorganisation ist einer der Faktoren, die zum Pensionierungswunsch führen.“
Maria Kaun aus der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit bei der Wirtschaftskammer Österreich, ging auf die spezielle Problematik kleinerer Unternehmen ein: „Für größere Unternehmen ist altersgerechtes Arbeiten meist leichter zu bewerkstelligen als für KMU, denen oft die Ressourcen dafür fehlen“. Die Sozialpartner haben deshalb ein in Europa einzigartiges Onlineprodukt entwickelt: Auf www.arbeitundalter.at können Unternehmen aller Größen Informationen dazu abrufen, wie Arbeit altersgerecht gestaltet werden kann.
Erwerbsbeteiligung erhöhen
Eine Meta-Analyse rezenter Studien zur Arbeitsmarktpolitik, die vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) bei der Tagung präsentiert wurde, zeigt, dass neben sozial- und pensionsrechtlichen Anpassungen auch ein Imagewandel stattfinden muss: „Ältere ArbeitnehmerInnen sind eine wichtige Herausforderung und Zielgruppe aktiver Arbeitsmarktpolitik. Dabei stehen sie auf der einen Seite sozial- und pensionsrechtlichen Adaptierungen, mit dem Ziel, die Erwerbsbeteiligung dieser Zielgruppe zu erhöhen, gegenüber. Auf der anderen Seite unterliegen sie als heterogene Gruppe einer Reihe von Zuschreibungen, die die Integration in den Arbeitsmarkt deutlich erschweren“, so Veronika Litschel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am öibf.
Michael Merzbach, Head of Global Human Resources bei der RHI AG, die sich der Altersthematik bereits seit mehreren Jahren annimmt, erklärte, dass Geld für ältere Arbeitnehmer nicht immer das Wichtigste sei: „Finanzielle Einbußen durch Altersteilzeit sind bei Weitem nicht so ein großes Thema. Die Mitarbeiter haben sich das genau überlegt und ihnen ist Freizeit ein bisschen Geld wert.“
Aus ihrer Erfahrung beim Netzwerk Ajour berichtete Lydia Ninz: „Wir können es uns nicht leisten, auf dem Weg zur Digitalisierung eine ganze Generation links liegen zu lassen. Was uns weiterbringt, ist das Miteinander von Jung und Alt, von bewährten Weisheiten und neuen Tugenden.“ (VM)
INFO-BOX I
Über Mercer und MercerCares
MercerCares ist ein globales Programm von Mercer, das die ehrenamtliche Arbeit der Mitarbeiter in den Gemeinden, in denen sie leben und arbeiten, unterstützt. Im Rahmen des Programms werden u. a. Projekte in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung umgesetzt. Mercer (Austria) GmbH ist für österreichische Konzerne das Portal in die weltweit führende Human-Resources-Beratung von Mercer. Die Experten vor Ort verbinden globale Expertise mit effektiver Unterstützung bei allen landesspezifischen Fragen und Chancen.
INFO-BOX II
Über das Bündnis Arbeit für Best Ager (BABA)
Das Bündnis Arbeit für Best Ager setzt sich dafür ein, ältere Arbeitnehmer wieder attraktiv für den Arbeitsmarkt zu präsentieren. Entgegen den aktuellen Vorurteilen sieht das BABA reifere Menschen „in den besten Jahren“ als wertvolle, sogar tragende Elemente für jedes erfolgreiche Unternehmen. Generationenübergreifende Teams sind der Erfolgsfaktor, der die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt bewältigen hilft.