Magenta-CEO Andreas Bierwirth im Porträt

NEW BUSINESS - NR. 8, OKTOBER 2019
"Für wichtige Managemententscheidungen ist aus ­meiner Sicht ein gesunder Mix aus Analytik, Bauchgefühl und Mut notwendig." © Magenta Telekom/Marlena König

Piloten ist nichts verboten.

Andreas Bierwirth gilt nun schon seit Jahren als Überflieger in der Wirtschaftswelt. Das hat nicht nur mit seiner Erfahrung im Luftfahrtbusiness zu tun, das er sowohl aus dem Cockpit als auch aus dem Chefsessel kennt. Aber fangen wir lieber von vorne an: Schon früh zeigte sich die (zumindest) duale Begabung des jungen Bierwirth. Er machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank und saß auch schon als Jugendlicher das erste Mal in einem Segelflugzeug. Finanzen, Führung und Fliegerei waren drei „Fs“, die ihn seitdem begleitet haben. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung studierte er BWL an der Universität Münster und promovierte 2001 am Lehrstuhl für Marketing. Aber die Fliegerei ließ ihn niemals los. Das resultierte darin, dass er parallel auch die Ausbildung zum Berufspiloten abschloss. Was macht man nach einem BWL-Studium und mit einem Pilotenschein in der Tasche? Richtig! Man wird Geschäftsführer eines Luftfahrtunternehmens und verbindet seine Talente bzw. Leidenschaften miteinander. Das aus dieser anfangs kleinen Airline wenig später Germanwings, einer der ersten erfolgreichen Billigflieger werden sollte, ist einer der Meilensteine auf Bierwirths bisherigem Karriereweg. Es folgte ein paar Jahre später der Wechsel als Vice President Marketing zur Lufthansa und dann im Jahr 2008 die Übersiedlung nach Österreich für den Chefposten bei Austrian Airlines – in einer Zeit des Umbruchs für die heimische Luftlinie. Wie die Zeit vergeht: Nun schon seit 2012 pilotiert Bierwirth die T-Mobile Austria, die er, sein Team und die vielen Mitarbeiter nach Übernahme von UPC unter der Marke ­Magenta Telekom zu einem neuen digitalen Konzern formen.

Umbruch liegt in der Luft
Telekommunikation und Luftfahrt, wie ähnlich sind sich diese Branchen überhaupt? „Es ist ganz, ganz viel vergleichbar – und dann doch wieder nicht“, so Bierwirth gegenüber NEW BUSINESS, um dann zu ergänzen: „Alle Investitionen werden zum Beispiel sehr langfristig getätigt, Business-Pläne gehen über 20 Jahre. Gleichzeitig weiß man, dass bereits nach einem halben Jahr die Rea­lität dramatisch anders aussehen kann. In beiden Branchen erleben wir ­radikale Veränderungen durch neu entstehende Geschäftsmodelle. Das, was bei den ­Airlines die Low-Cost-Carrier auf Kurzstrecken sind, waren in der Telekommunikationsbranche die Entstehung von WhatsApp oder Facebook Messenger mit Telefonfunktion. Diese großen Umbrüche finde ich spannend, und die haben wir in beiden Industrien.“
An großen Umbrüchen mangelt es in Zeiten der Digitalisierung zum Glück nicht. Man muss es allerdings verstehen, damit umzugehen. „Agilität ist nicht nur ein Schlagwort, sondern muss tagtäglich gelebt werden. Die Schnelligkeit des digitalen Zeitalters erlaubt kein Rasten, Führungskräfte müssen immer am Ball bleiben und ganz nah an den Kunden sein. Gleichzeitig sind eine klar formulierte Vision und ein Zielbild, an dem sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientieren können, enorm wichtig. Das große Ganze darf man nie aus den Augen verlieren“, lautet in diesem Zusammenhang Bierwirths Erfolgsrezept. Von seinem Team erwartet er, dass sie Chancen ergreifen und den Mut haben, Entscheidungen zu treffen. „Für wichtige Managemententscheidungen ist aus meiner Sicht ein gesunder Mix aus Analytik, Bauchgefühl und Mut notwendig“, so Bierwirth. Sehr sportlich. Da verwundert es nicht, dass der Magenta-CEO – übrigens Fan von Borussia Dortmund (BVB) – für seinen Job eine Ballsport-Analogie parat hat: „Gerade in der Position des CEOs ist das Geschäft vergleichbar mit jenem eines Fußballtrainers. Im Erfolg hat man viele Freunde. Im Misserfolg ist man auch immer schnell ein Teil der Lösung. Es ist wichtig, sich dies immer wieder bewusst zu machen. Die wirkliche Konstante in einem Unternehmen sind ja die Mitarbeiter, vergleichbar mit den Fans eines Vereins.“

Zufriedenheit ist das Wichtigste
„Cheftrainer“ Bierwirth wird das magentafarbene Trikot aber sicher noch eine Weile tragen – schließlich gibt es noch viel zu tun. Auf die Frage nach seinen Plänen für die kommenden Jahre gibt er eine fast schon philosophische Antwort: „Die Verschmelzung von ­T-Mobile und UPC zu Magenta Telekom ist eine Aufgabe, die noch längst nicht abgeschlossen ist. Erst wenn diese erfolgreich abgeschlossen ist, werde ich mich mit dieser Frage weiter beschäftigen. Ohnehin sind meine tatsächlichen Wege ganz anders als die geplanten gewesen. Ich habe schon längst aufgegeben, meine Schritte konkret zu planen. Sie passieren irgendwann. Oder auch nicht. Deshalb ist das Wichtigste, im aktuellen Job zufrieden zu sein und nicht Getriebener seiner selbst.“ Ein ­gutes Schlusswort, eigentlich. (RNF)


ZWÖLF FRAGEN AN ANDREAS BIERWIRTH

Herr Bierwirth, was wollten Sie als Kind werden?
Ganz klar Pilot.

Was bedeutet Glück für Sie?
Glück hat so viele Facetten. Im Großen die Familie und Partnerschaft. Im Kleinen Zeit für einen Flug zu finden. Und Zeit mit den Freunden. Nochmals Menschen zu begegnen, zu denen sich Freundschaften entwickeln. Oder auch nur Sonntagfrüh in die Stadt zu meinem Lieblingsbäcker zu fahren, um schönes Gebäck zu ­kaufen.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Factfulness von Hans Rosling.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Es gibt einige und vor allem sind es die nicht bekannten Namen. Es sind Menschen, die ihren Leidenschaften nachgehen. Für etwas brennen. Wenn man bekanntere Namen unbedingt nennen will, dann zum Beispiel Niki Lauda und Attila Dogudan oder Hans-Joachim Watzke, Vorstandsvorsitzender des BVB. Aber unlängst auch Richard D. Precht und sein Tanz der Gedanken.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
Eigentlich nicht.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Derzeit mit Lucien Favre, dem Trainer des BVB. Einen Tag diese Mannschaft zu trainieren. Ein Traum.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Puh. Die Gründung der Germanwings. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Überleben und zur Neuausrichtung der AUA geleistet zu haben. Aber am meisten freut mich die Entwicklung der T-Mobile/Magenta. Und dabei nicht nur die Big Steps, wie der Turnaround oder der Merger mit UPC. Es ist die Kontinuität, nun sieben Jahre in Folge Erwartungen übertroffen zu haben und damit dem Unternehmen ganz neue Perspektiven erarbeitet zu haben. Ja, diese Kontinuität. Ich glaube, das war und ist der größte Erfolg!

Was ist das Verrückteste, das Sie je in ihrem Leben getan haben?
Mit einem einmotorigen Propellerflugzeug selbst nach Australien und zurück zu fliegen.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Heute noch. Bei einem Telefonat mit meinem Freund.

Gibt es etwas, was Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Meine Hubschrauberlizenz. Und einen Halbmarathon. Aber auch die Arbeit meiner Frau als Mutter einmal für eine Woche zu übernehmen.

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Noch vor Entstehung der Motivation dazu haben meine Kinder mich bereits aus dem Bett getrieben.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und warum?­
Ein Tiroler Adler. Schöne Landschaft. Saubere Luft. Genug Nahrung und ein hervorragendes Flugmaterial. 


ZUR PERSON

Wie im Flug
Andreas Bierwirth ist seit 2012 Vorstandsvorsitzender von T-Mobile Austria, seit Kurzem Magenta Telekom. Er studierte BWL an der Universität Münster und promovierte 2001 am Lehrstuhl für Marketing. Nach Positionen als Managing Director bei ­Germanwings (2002) und Vice President Marketing bei Lufthansa (2006) wurde er 2008 zum CEO der Austrian Airlines bestellt. Er wirkt als Aufsichtsrat in mehreren Unternehmen (z. B. Do&Co AG oder ­easyjet in London), gilt als Experte für Digitalisierung und konsequenter Treiber von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.