INNOVATIVE INDUSTRIE
30 NEW BUSINESS • INNOVATIONS | OKTOBER 2021
Foto: adesso
EINE FRAGE DER ARTIKULATION
»Es gibt Kunden, die wissen, dass sie etwas brauchen,
aber sie wissen nicht, wie sie es artikulieren sollen.«
Jürgen Leitner, Head of Development adesso Austria
dardsoftware gemacht werden, genauso muss nicht alles individuell
entwickelt werden. Dazu kommen Schlagwort wie
zum Beispiel Robotic Process Automation, KI oder Low Code/
No Code. Das sind alles Bausteine, die wir in unserem Rucksack
haben, und bei denen wir schauen müssen, was wo am besten
passt. Erst wenn man das alles weiß, kann man davon reden,
eine Lösung zu implementieren. Auf der digitalen Reise passiert
sehr viel, bevor man überhaupt bei der Lösungsentwicklung
ankommt.
Man hört oft, dass die Kunden nicht genau wissen,
was sie wollen – teilweise auch nicht, ob sie überhaupt
etwas wollen. Wieso kommt ein Kunde und setzt sich
in einen Interaction Room, wenn er nicht weiß, ob und
was er will?
Es gibt Kunden, die wissen, dass sie etwas brauchen, aber sie
wissen nicht, wie sie es artikulieren sollen. Die kann ich über
diese Methode gut abholen. Das ist ein kleineres Invest und
der Kunde ist danach gescheiter als vorher. Auch wenn das
Ergebnis ist, dass er keines dieser Projekte umsetzt. Dann weiß
er wenigstens, dass er keinen Bedarf daran hat. Der Treiber ist
die Idee, etwas machen zu wollen. Andere Kunden muss man
davon überzeugen. Das geschieht leichter, wenn bereits ein
Vertrauensverhältnis besteht. Wir haben auch Kunden, die
unseren Interaction Room so gut nden, dass sie sich schulen
lassen und ihn selbst für eigene Projekte verwenden. Manche
Kunden kommen auch durch Mundpropaganda zu uns.
Kürzlich hat adesso mitgeteilt, man wolle jetzt „österreichischen
Unternehmen Services und Dienstleistungen
rund um Mobile Business“ anbieten, zusammen
mit der adesso mobile solutions GmbH. Hat adesso in
Österreich so etwas vorher nicht schon angeboten?
Natürlich haben wir das schon gemacht und haben auch bereits
erfolgreich mobile Applikationen für Kunden geschrieben, sei
es für B2B oder auch für B2C. Aber es ist in dem Sinn kein
„Steckenpferd“ von uns. Gerade im Bereich der „Wald und
Wiesen“-Mobile-Apps matcht man sich oft mit Agenturen. Das
ist nicht unser Zugang. Wir wollen die Verlängerung der Kern-
Geschäftsprozesse sein.
Mobilität, die nahe am
Business unserer Kunden
und ihren Geschäftsprozessen
dran ist bzw. eine
ihrer Zielgruppen innerhalb
oder außerhalb des Unternehmens unterstützt. Das können
und tun wir auch. Was wir jetzt angehen, ist, das Spezial-
Know-how unserer Schwester zu nutzen, um auch damit den
Markt zu durchdringen. Ich spreche da von Augmented Reality,
Smart Connected Products, aber auch vom Anbinden von
Devices, die nicht unbedingt mobil sein müssen, an eine IoTCloud.
Diese Erfahrungswerte hatten wir in Wien nicht und
es gibt auch wenige unter unseren Wettbewerbern, die sie
haben. Deswegen wollen wir gemeinsam mit adesso mobile
solutions diesen Markt erobern.
Sie haben Smart Connected Products gesagt. Das müssen
Sie jetzt auch erklären. Was ist das?
Unter Smart Connected Products verstehen wir Produkte,
Dinge in der realen Welt, die ich mit der virtuellen Welt, zum
Beispiel mit einer IoT-Cloud, in Verbindung setze, um ein reales
Produkt an meine IT zu koppeln und die Daten, die dieses
Gerät produziert, sinnvoll weiterzuverarbeiten. Auch hier
treten wieder die Daten stark in den Vordergrund. Das wird
nicht zum Selbstzweck gemacht, sondern um etwas daraus zu
erheben – vielleicht ein neues Geschäftsfeld – oder um Dinge
ef zienter zu machen. Predictive Maintenance kennt man zum
Beispiel von produzierenden Anlagen oder Windrädern, kann
aber auch in viel kleineren Geräten angewendet werden. Die
Herausforderung von Smart Connected Products ist, dass sie
ortsunabhängig sind. Man kommt schnell zu Netzwerk- und
Infrastrukturthemen und muss sich überlegen, wie man damit
umgeht. Wie saugt man die Daten ab? Verdichtet man sie schon
am Gerät? Nutzt man das Smartphone, um die Daten zu verdichten
und an die IoT-Cloud zu schicken? Unser Kunde Stihl
zum Beispiel nutzt Dongles an seinen Geräten, die Daten ans
Smartphone oder eine Box senden, wo sie weiterverarbeitet
und in die Cloud geschrieben werden.
Was für Daten sind das und was macht Stihl damit?
Alle möglichen Parameter wie Laufzeiten oder Einschaltungen.
Informationen, die interessant sind, wenn es um Dinge wie
Lebenszeit, Verschleiß etc. geht. Das macht Sinn im Hinblick
auf Wartung, aber auch Nachvollziehbarkeit und das Entwickeln
neuer Geschäftsmodelle, etwa ein Pay-per-Use- statt einem
Kauf-Modell. Das sind die Anreize solcher smarten Produkte
für die Hersteller, sie können andere Geschäftsprozesse andenken.
Wenn man es größer denkt: Ich würde auch einen
Tesla als Smart Connected Product sehen. Das ist am Ende des
Tages auch nichts anderes und auch der Geschäftsprozess ist
auf einmal ein ganz anderer. Alle Automobilhersteller fangen
an, Elektroautos zu bauen, aber was keiner so recht auf die
Reihe bringt, ist, sein Geschäftsmodell zu überdenken.