Boris Recsey, CEO von CRIF Österreich © Sebastian Reich
Bei der Einhaltung von ökologischen, sozialen sowie Governance-Kriterien werden technologische Lösungen zum kritischen Erfolgsfaktor, ist CRIF-CEO Boris Recsey überzeugt.
In der zweiten Augustwoche wurde der jüngste Bericht des Weltklimarats, des Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, veröffentlicht. Die globale Mitteltemperatur lag laut dem Bericht, der von mehr als 230 Forschern aus 66 Ländern verfasst wurde, im Zeitraum von 2011 bis 2020 knapp 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau der Jahre 1850 bis 1900. Das ist eine neuerliche Bestätigung dafür, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels oberste Priorität einzuräumen ist. Schließlich soll laut dem 2015 verabschiedeten Pariser Klimaabkommen die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 möglichst bei 1,5 Grad aber jedenfalls unter zwei Grad gehalten werden.
Um eine Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen und damit der Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden, müssen in unterschiedlichen Bereichen strenge regulatorische Vorgaben erfüllt werden. Konsequenterweise spielen deshalb regulatorische Maßnahmen auch bei dem im Dezember 2019 verkündeten „Europäischen Grünen Deal“ eine entscheidende Rolle. Der Grüne Deal hat zum Ziel, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen.
Wie im Aktionsplan für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums der Europäischen Kommission verankert ist, soll der Finanzsektor bei diesem Vorhaben eine zentrale Rolle einnehmen und mittels ESG-konformer Finanzprodukte, Finanzierungen sowie Kreditvergaben einen wichtigen Beitrag zu ökologischem und sozialem Wirtschaften leisten. Und generell soll das europäische Lieferkettengesetz, für das per Oktober 2021 ein Legislativvorschlag der Europäischen Kommission erwartet wird, in Zukunft dafür sorgen, dass Unternehmen ihre Produktionsnetzwerke dokumentieren und auf ESG-Kriterien überprüfen.
Herr Recsey, nachhaltiges Wirtschaften wird für Unternehmen verpflichtend und entscheidet künftig über den Unternehmenserfolg. Mit welchen Herausforderungen und Verpflichtungen sind Banken und Unternehmen anderer Branchen generell in Bezug auf Nachhaltigkeit konfrontiert?
Die Grüne Transformation erfährt durch die neuen Regularien und Verordnungen eine Beschleunigung. Ich gehe davon aus, dass diese Transformation die Wirtschaft und die Finanzindustrie gleichermaßen nachhaltig verändern wird. Der Einsatz von ESG-Kriterien führt zu einem Paradigmenwechsel, in dem Verantwortung neu gedacht werden muss. Die Zukunft von Unternehmen ist von Nachhaltigkeit geprägt.
Lange Zeit diente der Verweis auf Nachhaltigkeit dem Aufpolieren des Images, das Unternehmen nach außen kommunizieren wollten. Nun muss Nachhaltigkeit als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie verstanden werden. Das Thema nachhaltigen Wirtschaftens ist in der Öffentlichkeit angekommen. Und auch in den Führungsetagen ist Nachhaltigkeit immer wichtiger geworden, Entscheidungsträger haben die Dringlichkeit des Veränderungsbedarfs erkannt.
Jedes Unternehmen muss in Zukunft seiner nachhaltigen und sozialen Verantwortung gerecht werden. Das Weltwirtschaftsforum hat bereits auf ein Dilemma bei der Umsetzung hingewiesen, weil nur kollektives Handeln zum Erfolg führen kann. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang ein kollektives Handeln eigentlich?
Es ist sehr wichtig, die gesetzlichen Grundlagen für ein ESG-konformes Wirtschaften zu schaffen. Damit kann den Bestrebungen die notwendige Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit eingeräumt werden. Nur so lässt sich ein nachhaltiger Impact erzielen, der uns den Klimazielen tatsächlich näherbringt. Bei der Umsetzung ist ein ganzheitliches Vorgehen der Schlüsselfaktor, es muss gemeinschaftlich gedacht werden. Einer alleine kann nicht viel bewirken. Im Moment ist ganzheitliches Denken jedoch noch Mangelware.
Es werden vielerorts Einzellösungen samt der Beschreibung ESG-konformer Prozesse unter Verwendung eigener Fragebögen und mit eigener Methodik entwickelt. Das kann zur Folge haben, dass sich der administrative Aufwand für Unternehmen mit der Vielzahl von Kontaktpunkten multipliziert, folglich aufwendig ist und die Umsetzung scheitert.
Wie ist dieses Problem in den Griff zu bekommen? Welchen sinnstiftenden Beitrag kann der Einsatz moderner Technologie leisten?
Maha Eltobgy, Mitglied des Exekutivausschusses des Weltwirtschaftsforums, brachte es in einem Artikel vom 26. März 2021 auf den Punkt. Die Expertin betonte, dass ESG kompliziert ist, dass aber eine gemeinsam verfolgte Vereinfachung möglich ist.
Auf dem Weg dorthin benötigen Unternehmen laut Maha Eltobgy jedoch nützliche Instrumente zur Messung und Kommunikation nachhaltiger Wertschöpfung. Diesen kollektiven Ansatz teilen auch wir in der CRIF-Gruppe. Wir haben darauf basierend eine global vernetzte Lösung entwickelt, die bereits erfolgreich in mehreren Ländern eingeführt wurde.
Welche Lösung im ESG-Bereich hat Ihr Unternehmen entwickelt? Ist die Lösung die Antwort auf die Herausforderungen, die Nachhaltigkeit für Unternehmen mit sich bringt?
Die Lösung basiert auf einer Plattform und ermöglicht auf einfache Art, Unternehmen regelkonform nach ESG-Kriterien zu bewerten und diese Information zugänglich zu machen. Dieser PaaS-Ansatz – PaaS steht für Platform as a Service – ist für die beide Zielgruppen Finanzinstitute sowie für Unternehmen anderer Sektoren die Lösung. Durch die erstmalige ESG-Evaluierung online über unsere ESG-Plattform erhalten Unternehmen ihre ESG-Zertifizierung, welche für die verpflichtete Anfrage abrufbar ist.
Das erfolgt weitgehend in automatisierten Prozessen und reduziert den administrativen Aufwand seitens der Unternehmen auf eine einmalige, für alle Anfragen gültige Zertifizierung. Darüber hinaus ist durch eine jährliche Überprüfung und Ausstellung des ESG-Zertifikates die Aktualität der Information gewährleistet. CRIF verbindet als neutrale Plattform die vielen anfragenden Institutionen und Unternehmen mit ESG-zertifizierten Unternehmen.
Ihre ESG-Plattform scheint eine einfache Antwort auf die zuvor scheinbar komplizierte Frage der Umsetzung der zukünftigen ESG-Kriterien zu liefern. Kann CRIF den neuen Standard etablieren, der regelkonform ist und der es mit einfacher Handhabe allen Beteiligten ermöglicht, in Zukunft nachhaltig und sozial zu wirtschaften?
Ja. Mit diesem hohen Anspruch sind wir in die Entwicklung unserer ESG-Plattform gegangen. Technologie dient nicht dem Selbstzweck. Wir verstehen uns als Enabler, der die Zukunft mitgestalten kann. Zudem sind wir durch unsere konzerneigene CRIF Rating-Agentur legitimiert, regelkonform Unternehmen nach ESG zu zertifizieren.
Diese Kombination hat letztlich zur Entwicklung unserer ESG-Plattform geführt, die bereits in Teilen Europas erfolgreich eingeführt wurde. Im deutschsprachigen Raum erfolgt der Start im Herbst 2021. (BO)
www.crif.at
INFO-BOX
Zur Person
Boris Recsey ist seit Dezember 2007 CEO von CRIF Österreich, einem weltweit tätigen Technologieunternehmen für Identitäts- und Risikomanagement, Betrugsvermeidung und Digitalisierung. Privat ist der 1968 in Wien geborene Manager Recsey leidenschaftlicher Segler.