Das ÖPWZ gibt Tipps für Führungskräfte in Zeiten von Corona und Homeoffice © Gerd Altmann/Pixabay
So viele Mitarbeiter wie derzeit waren in Österreich noch nie im Homeoffice. Das stellt nicht nur besondere Herausforderungen an sie, sondern auch an Führungskräfte.
Das Österreichische Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-Zentrum (ÖPWZ) bietet seit mehr als 70 Jahren Aus- und Weiterbildung für Mitarbeiter und Führungskräfte an. Bei seinen 665 Wissensveranstaltungen jährlich qualifiziert das ÖPWZ Fachkräfte, bildet Manager aus, führt und coacht Leader. Das ist bei den aktuell geltenden Beschränkungen keine leichte Aufgabe, wiewohl relevante Ratschläge und gute Managment-Tipps gerade jetzt besonders gefragt sind.
Da ist Einfallsreichtum gefragt. Videokonferenzen sind vielerorts das Mittel der Wahl, um in den Unternehmen in Kontakt zu bleiben. Das ÖPWZ hat sich aber darüber hinaus für ein „klassisches“ Medium entschieden: die Telefonkonferenz. Und das mit Erfolg. So wurden in den vergangenen Wochen bereits einige fernmündliche Veranstaltungen zu verschiedenen Themen abgehalten, mit bis zu rund 700 Teilnehmern. Die Vorteile dieser Form der Know-how-Vermittlung: Sie ist bekannt, akzeptiert und hat keine Einstiegshürden. So wird der Gleichung keine unnötige Unbekannte hinzugefügt, die möglicherweise abschreckend wirken könnte.
Auch für den Anfang April stattgefundenen Event „Führungskräfte-Kompetenz gefragt!“ wurde dieses Format gewählt. Abgehalten wurde er von Helmut Unger, Leiter des Bereichs Leadership-Development & ÖPWZ-Geschäftsführer, in der Rolle des Moderators sowie dem Nationalratsabgeordneten, Psychoanalytiker und Unternehmensberater (Vienna Consulting Group), Martin Engelberg.
Die beiden Experten vermittelten in der rund einstündigen Telefonkonferenz zahlreiche Tipps. Dabei ging es nicht nur um die andere Herangehensweise an die Mitarbeiterführung, sondern auch darum, was Führungskräfte in eigenem Interesse beachten sollten.
Grundlegende Tipps
Für jeden Einzelnen, egal ob Manager oder Mitarbeiter, bedeutet die Umstellung auf die Arbeit von daheim, womöglich noch mit Kind & Kegel, große Veränderungen. Martin Engelberg ging daher zu Beginn auf grundlegende Fragen ein und gab unter anderem folgende Ratschläge:
• Schaffen Sie sich klare Routinen und Struktur, halten Sie einen Arbeitsalltag aufrecht.
• Richten Sie sich einen ordentlichen, definierten Arbeitsplatz ein.
• Ziehen Sie sich an, als würden Sie aus dem Haus gehen.
• Schränken Sie die Nutzung von Social Media und die Kommunikation so ein, wie sie es im Büro auch tun würden.
• Machen Sie Pausen wie an Ihrem Arbeitsplatz.
• Schaffen Sie sich Freiräume, durchaus auch alleine, ohne die Familie.
• Machen Sie sich ein Bild von der Situation, aber versuchen Sie die Flut an Informationen zu filtern. Suchen Sie nach sachlichen und seriösen Informationen.
„Wenn der Arbeitsplatz zuhause ist, fehlen die Rituale. Üblicherweise stehen wir auf, duschen, ziehen uns an, gehen zur Arbeit. Wir ändern dabei unsere Haltung. Wenn zum Beispiel ein Arzt aus seinem weißen Mantel schlüpft, schlüpft er in die Rolle der Privatperson. Das verschwimmt zuhause. Deswegen sind Rituale für uns so wichtig, um Grenzen einzuhalten, weil wir als Personen verschiedene Identitäten haben“, kommentierte Moderator Helmut Unger.
Tipps für die Führungsaufgabe
Gerade für Führungskräfte bedeutet die aktuelle Situation eine große Herausforderung. Sie haben die Fäden in der Hand und müssen verschiedene Rollen aus- und Erwartungen erfüllen. Für sie hatte Engelberg diese Tipps:
• Werden Sie nicht zum Kontrollfreak und überprüfen Sie nicht jeden Mitarbeiter, ob er auch arbeitet.
• Nehmen Sie Ihre Führungsaufgabe als Coach wahr.
• Bleiben Sie mit den Mitarbeitern in Kontakt, egal ob per Telefon oder Videokonferenz.
• Denken Sie positiv. Welche Stärken entdecken Sie an sich in der Krise? Was ist alles gelungen? Nehmen Sie die Erfolge wahr.
• Seien Sie ein Lösungsbringer, kein Problembringer.
• Planen Sie nur Dinge, die auch in Ihrem Einflussbereich liegen.
• Verlieren Sie Ihren Humor nicht.
Unger riet darüber hinaus dazu, die Situation gedanklich aus der Zukunft zu betrachten und aus dieser Position heraus zu überlegen, wie man sie gemeistert hat: „Das ist entspannter als in die Zukunft zu schauen, weil sie auch gerade so ungewiss ist.“ Außerdem gab er den Rat, die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter anzuerkennen. „Die lassen sich nicht wegdiskutieren. Man tut schon viel als Führungskraft, wenn man empathisch zuhört.“
Engelberg stimmte dem zu, riet aber auch dazu, Grenzen zu setzen: „Es kann nicht sein, dass man in eine Therapeutenrolle schlüpft und jeden auffängt.“ Auf der anderen Seite dürfe man als Führungskraft nicht vergessen, dass man im normalen Alltag und besonders in Krisensituationen besondere Aufgaben hat. „Man unterschätzt, wie stark man eine Identifikationsfigur ist und von den Mitarbeitern genau beobachtete wird. Man ist in so einer Krise noch viel mehr eine Vater- oder Mutterfigur.“
Wichtig ist den beiden Experten zufolge vor allem, sich selbst dabei nicht zu vergessen. Denn wie soll man den Mitarbeitern Stabilität vermitteln, wenn man selbst überfordert ist? Es brauche eine „innere Stabilisierung“. Hier sei auch die Organisation gefordert ihre Führungskräfte zu unterstützen, die natürlich ebenfalls Sorgen und Ängste haben. Engelberg verglich das mit dem Druckabfall in der Passagierkabine eines Flugzeugs: „Wenn es einen Druckabfall gibt, soll man zuerst selbst die Maske aufsetzen und dann anderen helfen. Es bringt nichts, wenn man ohnmächtig wird – dann kann man nicht mehr helfen.“
Tipps für Unternehmer
Die unternehmerische Perspektive ist noch einmal eine andere. Wenn das Überleben des Unternehmens in Frage steht stehen die handelnden Personen unter besonderem Druck. Übereilte Handlungen sollten dennoch vermieden werden, so Engelberg: „Man muss eine nüchterne, trockene Analyse der Situation machen. Was brauche ich, um das Unternehmen stabil zu halten?“ Wichtig sei es, keine Hauruck-Entscheidungen zu treffen, keine unüberlegten, radikalen Schritte zu setzen. Engelberg zufolge sei es besonders wichtig, sein Humankapital abzusichern, beispielsweise durch das Kurzarbeitsmodell. „Ich weiß, dass das sehr bürokratisch wahrgenommen wird, gerade von kleinen und mittleren Unternehmen, aber es ist eine gute Möglichkeit sich die bewährte Mitarbeiterschaft zu behalten.“
Die Kommunikation sei ebenfalls wichtig, so der Experte. „Wie kommuniziert man am besten? Das Erste ist eine gute Vorbereitung. Kommunizieren Sie nicht, ohne gut überlegt zu haben, was sie wann kommunizieren. Was einmal gesagt oder geschrieben ist, das ist draußen.“ Engelberg rät zu klaren, einfachen Messages, die transparent, nachvollziehbar und ehrlich sind. Gegebenenfalls könne man sich auch von Experten beraten lassen. „Es gibt eigene Kommunikationsberater, Spezialisten für Krisensituationen. Auch das geht über Video- oder Telefonkonferenzen.“
Unter dem Vergrößerungsglas
Abschließend gab Engelberg einen Rat, wie sich selbst diese Situation zumindest teilweise positiv nutzen lässt: „Eine Krisensituation ist immer auch ein Vergrößerungsglas für Eigenschaften und Konflikte, die ohnehin schon immer da waren. Wenn sich jemand auf Kurzarbeit freut, dann wird er schon früher daran gedacht haben dass er nur Teilzeit arbeiten will. Nehmen Sie solche Dinge nicht als Überraschung, sondern als Potenzial mehr über sich und andere zu erfahren. Diese gewonnene Erfahrungen kann man nutzen, um in weitere Folge neue Wege zu gehen.“ (RNF)
Übrigens: Unter dem Titel „STAY@HOME - STAY CONNECTED!“ veranstaltet das ÖPWZ laufend kostenlose Telefon- und Videokonferenzen. Die nächsten Veranstaltungen tragen die Titel „Stop an den Grenzen – Safety für Supply Chains? Waren- und Berufspendlerverkehr im Binnenmarkt“ mit Michael Löwy (Industriellenvereinigung), die am 9. April ab 9:00 Uhr als Telefonkonferenz stattfindet sowie die Videokonferenz „Netiquette & Kommunikation in der Krise“ mit Sophie Gnesda (Industriellenvereinigung Wien) und Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ) am 15. April 2020 ab 16:00 Uhr. Informationen zu diesen und weiteren Terminen finden Sie unter www.opwz.com/telco.html.