Großkonzerne in der EU, die ihre Gewinne steuerschonend in ein anderes Land schieben, könnten zunehmend unter Druck geraten. Einen entsprechenden Richtlinienvorschlag haben die EU-Wirtschaftsminister am Donnerstag bei ihrer Videokonferenz beraten. Bisher fand sich für den Kommissionsvorschlag von 2016 keine ausreichende Mehrheit unter den EU-Staaten. Nun gab es erstmals eine Mehrheit dafür auf Ministerebene. Auch Österreich unterstützte den Vorschlag.
Formell gab es noch keine bindende Entscheidung, weil der Rat nur per Videokonferenz stattfand. Diese soll jedoch bald nachgeholt werden.
Konkret fordert die EU-Kommission mit dem sogenannten Public Country-by-Country-Reporting, dass Unternehmen, die in der EU aktiv sind und einen Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro aufweisen, öffentlich übersichtlich publizieren müssen, wie viel Gewinn sie in den einzelnen EU-Staaten machen und wie viele Steuern sie jeweils dort bezahlen. Dies müssen sie auch für Länder angeben, die auf der von der EU herausgegebenen schwarzen Liste der Steueroasen stehen - wie etwa Panama.
Die Country-by-Country-Reportings für Konzerne mit dieser Größenordnung gibt es bereits. Bisher sind die Berichte aber nicht öffentlich, sie werden lediglich unter Steuerbehörden ausgetauscht. Durch die neue Richtlinie sollen nun alle Bürger die Möglichkeit haben, die Daten einzusehen. Dabei würden nicht nur die Konzerne, sondern auch jene Länder an den Pranger gestellt, die Profite aus den Steuerverschiebungen schlagen.
Eigentlich bedürfen Entscheidungen in der EU zu Steuersachen Einstimmigkeit bei den EU-Finanzministern. Da diese nicht in Sicht war, wurde der Vorschlag der Veröffentlichungspflicht in eine andere EU-Richtlinie gegossen, wodurch eine qualifizierte Mehrheit im Wettbewerbsrat für den Beschluss reicht. Die erste Abstimmung im November 2019 unter den Wirtschaftsministern scheiterte nur knapp - unter anderem auch wegen Österreich.
Inhaltlich sorgen sich die Gegner, dass es zu Nachteilen europäischer Firmen im weltweiten Wettbewerb kommt, sollte die Richtlinie umgesetzt werden. So hätten die USA schon angekündigt, den Steueraustausch ihrerseits zu überdenken, wenn Töchter von US-Unternehmen betroffen sind. Auch könnten etwa chinesische Konzerne durch die Einsicht in die Reportings Wettbewerbsvorteile generieren, da sie auf die Strategie von Unternehmen schließen könnten.
Da nun erstmals eine Mehrheit auf Ministerebene vorliegt, folgen die Verhandlungen mit dem EU-Parlament. Die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner spricht in einer Aussendung von einem "Etappensieg" für Steuertransparenz. Die ÖVP habe ihre jahrelange Blockade aufgegeben und sich an einen bindenden Beschluss aus dem Nationalrat gehalten.
"Endlich grünes Licht im Rat für die öffentliche Steuertransparenz multinationaler Unternehmen. Die mehr als vierjährige Blockade ist gelöst. Dafür habe ich mich immer eingesetzt. Der Weg für den Start der Verhandlungen mit dem EU-Parlament ist frei," twitterte der ÖVP-EU-Abgeordnete und Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas.
Auch der österreichische Handelsverband begrüßt die Einigung. "Das ist ein Thema, für das wir uns seit Jahren sehr eingesetzt haben", sagte der Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbands, Rainer Will, Donnerstagabend zur APA. Die Mehrheit der europäischen Länder im EU-Rat zu mehr öffentlicher Steuertransparenz multinationaler Unternehmen sei "der erste wichtige Schritt um Chancenfairness für heimische Unternehmen herzustellen, denn die Konsumenten können Ihre Kaufentscheidungen bewusster setzen, wenn klarer ist wo die Wertschöpfung einfließt".
Der nächste Schritt müsse das Schließen der Steuerschlupflöcher sein, "damit Online-Giganten nicht mehr Gewinne derart optimieren können, dass keine Steuerleistung mehr überbleibt". Amazon habe im Jahr 2019 in Europa einen Umsatz von circa 32 Mrd. Euro erwirtschaftet jedoch durch die Steuerkonstruktionen sogar eine 300 Mio. Euro schwere Gutschrift von den EU-Finanzämtern erhalten. "Jede heimische Branche kann noch so stark wachsen, die Digitalwirtschaften in den USA und Asien profitieren neben der Datenhoheit von derartigen Steueroptimierungen stärker und wachsen schneller", so Will. Die europäischen Staaten dürften keine "digitalen Entwicklungsländer" werden, daher sei es wichtig einzugreifen, auch wenn dies mit kurzfristigen Kollateraleffekten einhergehe. "Das schulden wir den künftigen Generationen."
Erfreut über die heutige Einigung zeigte sich auch die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation Attac. "Damit ist endlich Schluss mit Blockieren, Täuschen und Verzögern, das so lange die Strategie der österreichischen Regierung in dieser Frage war", kommentierte David Walch von Attac Österreich. Ob die nötige qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für den Vorschlag der Kommission zustande kommt, ist nun wahrscheinlich, stehe aber noch nicht fest. Die Staaten müssten ihre Positionen nun schriftlich bis zum 3. März der portugiesischen Präsidentschaft übermitteln. Es könnten aber noch Schlupflöcher bleiben, warnt er.
Ginge es nach Kommission und vielen Regierungen, soll die Transparenz nämlich nur für Konzern-Aktivitäten in der EU und wenige Steuersümpfe gelten. Damit blieben aber Gewinnverschiebungen in viele wichtige Steuersümpfe weiter im Dunkeln. Außerdem soll die Transparenz nur für sehr große Konzerne über 750 Millionen Euro Umsatz gelten, womit 90 Prozent aller Konzerne gar nicht betroffen wären, kritisiert Attac.
Nach einem endgültigen Beschluss nach einem Trilog (Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission, Rat der Europäischen Union und Europäischem Parlament) haben die Mitgliedsstaaten weitere 30 Monate Zeit für die Umsetzung. Sollte es zu einer Umsetzung kommen, dürfte die Sache beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) beeinsprucht werden - sei es von betroffenen Unternehmen oder gegnerischen Mitgliedsstaaten.
(APA)