Innsbruck will mehr geförderten Wohnbau ermöglichen © APA - Austria Presse Agentur
Die Innsbrucker Stadtregierung bestehend aus der Liste von Stadtchef Johannes Anzengruber (JA - Jetzt Innsbruck), Grünen und SPÖ rückt Eigentümern von unbebautem Bauland zu Leibe. Zur Mobilisierung dieser Flächen soll am Donnerstag im Gemeinderat eine Bausperre über 23 Grundflächen von 26 Eigentümern verhängt werden, die anschließend Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau werden sollen. Während ein Teil der Opposition dies begrüßte, sprach die FPÖ von "Enteignung".
Für den Bürgermeister wiederum ging es um eine "gemeinsame" und "kooperative" Entwicklung der rund zehn Hektar, die seit mindestens 15 Jahren als Bauland gewidmet, jeweils über 2.500 Quadratmeter groß aber unbebaut sind. "Das ist eine Möglichkeit, die uns das Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) seit 1994 einräumt", sagte Anzengruber am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Die Stadt wolle damit das "ständige Überbieten und Preise nach oben treiben abfedern und unterbinden" und "leistbaren Wohnraum schaffen".
Konkret wurden vom Stadtplanungsamt Grundflächen anhand bestimmter Kriterien wie Mindestfläche und Bauplatzkonfiguration definiert, sprach Amtsvorstand Wolfgang Andexlinger von einer "komplexen rechtlichen Fragestellung". Die Verhängung der Bausperre soll nun "Fehlentwicklungen", wie etwa eilige Grundstücksteilungen, verhindern. Im Laufe des Jahres wird das Örtliche Raumordnungskonzept (ÖROKO) geändert, in dem diese Flächen als Vorbehaltsflächen ausgewiesen werden. Maximal zwei Jahre nach Erstellung des ersten Entwurfs des ÖROKO gilt dann die Bausperre und eine Lösung mit dem Eigentümer soll gefunden werden. Denn: Einen Teil seines Grundstücks - maximal 50 Prozent - muss er nämlich entweder an die Stadt oder einen gemeinnützigen Wohnbauträger zu Wohnbauförderkonditionen verkaufen. Geschieht dies nicht, erfolgt nach zehn Jahren eine Rückwidmung ins Freiland. Betroffen sind neben Privatpersonen auch kirchliche Einrichtungen, Investoren oder Grundbesitzer aus dem Ausland.
Flächen für geförderten Wohnbau noch nicht genau definiert
"Wir haben die Instrumente und auch die Verantwortung, sie zu nutzen", hielt die grüne Planungsstadträtin, Janine Bex, fest. Auch sie wehrte sich gegen den Vorwurf der Enteignung, es sei vielmehr eine "gemeinsame Aktivierung in einem fairen Prozess". Nach Beschluss der Bausperre werden alle Eigentümer kontaktiert und über das Vorhaben aufgeklärt. Wie viel Prozent der rund zehn betroffenen Hektar schließlich tatsächlich für geförderten Wohnbau zur Verfügung stehen werden, wollte sie außerdem noch nicht prognostizieren. Einerseits sei dies Verhandlungssache, andererseits gebe es bei den Grundflächen auch Nutzungseinschränkungen wie Straßen.
Während Anne Weidner, Referatsleiterin für Raumordnung und Stadtplanung, definitiv mit juristischen Auseinandersetzungen mit Grundeigentümern rechnete, sah SPÖ-Stadtparteivorsitzender und Klubobmann Benjamin Plach die Stadt auf rechtlich sicheren Beinen stehen. "Das hält auch einer gerichtlichen Überprüfung stand", meinte er und verwies auf den Status der Stadt Innsbruck als "Vorbehaltsgemeinde", der ihr vom Land Tirol im November 2022 zugeschrieben worden war. Außerdem stütze die Wohnbedarfsstudie des Landes das Vorgehen. Bei der nächsten Fortschreibung des ÖROKO werde die Stadt außerdem verpflichtet, Vorbehaltsflächen festzulegen. "Wer da von Enteignung spricht, hat die Dringlichkeit nicht verstanden", verwies Plach zudem auf über 2.000 Innsbruckerinnen und Innsbrucker, die auf eine Stadtwohnung warten.
In der vergangenen Legislaturperiode unter Bürgermeister Georg Willi (Grüne) war die Ausweisung der Vorbehaltsflächen noch gescheitert. Die ÖVP - der Anzengruber damals noch selbst angehört hatte - hatte sich als Koalitionspartner dagegen gestemmt.
FPÖ sieht "linksradikale Genossentruppe"
Harsche Kritik kam indes aus den Reihen der FPÖ. Für die Tiroler Nationalratsabgeordnete und Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm, selbst Innsbruckerin, würden die betroffenen Grundflächen "der freien Verfügung ihrer Eigentümer" entzogen, sie würden dadurch "praktisch unverkäuflich". Im nächsten Schritt könne die Stadt diese "günstig erwerben oder enteignen", meinte sie und fragte, warum die Stadtregierung "fremde Grundstücke nicht zu marktüblichen Preisen erwirbt". Dies sei ein "massiver Angriff auf die Privatautonomie und Eigentumsfreiheit der Stadtbürger." Auch Innsbrucks FPÖ-Stadtrat Markus Lassenberger ortete in der Stadtregierung eine "lupenreine linke bis linksradikale Genossentruppe", das "bürgerliche Innsbruck samt ihren Leistungsträgern wird geschröpft, wo es nur geht und nun auch noch enteignet." Lassenberger erinnerte zudem daran, dass Anzengruber "selbst noch vor wenigen Jahren in der letzten Periode gegen so ein Vorhaben gestimmt hat."
Bei der Gemeinderatssitzung zeichnete sich indes eine über die Stimmen der Stadtregierungs-Parteien hinausgehende Mehrheit ab. Denn die dort vertretene KPÖ sah einen "längst überfälligen Schritt", der aber nicht ausreiche. Für Klubobfrau Pia Tomedi müsse die Stadt aber "einen Plan vorlegen, wie viele neue Stadtwohnungen in den nächsten Jahren gebaut werden."
Auch die Liste Fritz kündigte ihre Zustimmung an. "Das ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung, um leistbaren Wohnraum in Innsbruck ermöglichen", sagte Parteichefin und Gemeinderätin Andrea Haselwanter-Schneider. Sie mahnte allerdings Transparenz und Gespräche mit den Eigentümern ein, immerhin gehe es um "einen Eingriff in ein privates Eigentum". Auch die Partei Alternative Liste Innsbruck (ALI) will "die Ausweisung mit Freude unterstützen".
Für die mittlerweile nicht mehr im Gemeinderat vertretenen NEOS war die anstehende Bausperre hingegen "inakzeptabel". "Wer im Schnellverfahren tief in Eigentumsrechte eingreift, ohne nachvollziehbare Kriterien offenzulegen, stellt zentrale Prinzipien von Transparenz und Planungsfairness ernsthaft in Frage", kritisierte Landtagsabgeordnete Susanna Riedlsperger und verwies auf die Bauausschusssitzung, die nur eine Stunde vor dem Gemeinderat Donnerstagfrüh angesetzt wurde.