Polens Wirtschaft wächst am stärksten © APA - Austria Presse Agentur

Trotz der jüngsten Eskalation im transatlantischen Handelskonflikt unter US-Präsident Donald Trump bleibt das Wachstum in Mittel-, Ost- und Südosteuropa im Jahr 2025 robust. Laut der aktuellen Frühjahrsprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) expandiert die Region weiterhin deutlich stärker als die Eurozone. Die von Trump verhängten Strafzölle wirken sich bisher nur wenig auf die Volkswirtschaften in Mittel- und Osteuropa aus.

"Die direkten Handelsströme zwischen diesen Ländern und den USA sind ohnehin gering und auch die Kollateralschäden durch die enge Verflechtung mit der stark exportabhängigen deutschen Industrie dürften überschaubar bleiben", sagt der stellvertretende wiiw-Direktor Richard Grieveson.

Für die EU-Mitglieder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa prognostiziert das wiiw heuer ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 2,5 Prozent, eine leichte Korrektur um 0,3 Prozentpunkte gegenüber der Winterprognose. 2026 soll sich das Wachstum auf 2,8 Prozent beschleunigen. Die Eurozone hingegen dürfte laut wiiw 2025 nur um 0,7 Prozent wachsen - ein Rückgang um 0,5 Prozentpunkte gegenüber der früheren Erwartung. Damit setze sich der ökonomische Aufholprozess der östlichen EU-Staaten fort.

Privatkonsum ist Haupttreiber des Wachstums

Haupttreiber der Konjunktur sind der Privatkonsum und kräftige Reallohnsteigerungen. In Polen, dem größten Markt der Region, rechnet das wiiw mit einem Wachstum von 3,5 Prozent sowohl 2025 als auch 2026. Kroatien, Slowenien und mehrere Westbalkan-Staaten dürften ebenfalls solide Wachstumsraten zwischen 3 und 3,6 Prozent erreichen. Auch die Türkei wächst laut wiiw-Prognose dynamisch mit 3,5 Prozent heuer und 4 Prozent im nächsten Jahr.

Dem gegenüber steht eine schwierige Lage in der Ukraine. Das wiiw erwartet dort zwar ein Wachstum von 3 Prozent 2025 und 4 Prozent 2026, die Unsicherheit sei jedoch hoch. Das Land kämpft weiterhin mit der systematischen Zerstörung seiner Infrastruktur durch russische Luftangriffe und einem akuten Arbeitskräftemangel aufgrund der Mobilmachung für den Krieg und der Flucht von sieben Millionen Menschen. "Trumps Versuche, die Ukraine zu einer De-facto-Kapitulation zu zwingen und das Land in eine wirtschaftliche Kolonie der USA zu verwandeln, sind die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine", sagt Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw. "Entscheidend wird daher sein, ob es der EU gelingt, ihre Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine zu verstärken und die USA als wichtigsten Unterstützer des Landes zu ersetzen."

Prognose für Russland nach oben revidiert

In Russland hingegen verbessern sich die Konjunkturaussichten trotz des Kriegs und der westlichen Sanktionen. Das wiiw hob seine Wachstumsprognose für 2025 leicht auf 2 Prozent an. Für 2026 wird mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent gerechnet - das wiiw hat seine Prognose gegenüber dem Winter um 0,9 Prozentpunkte nach oben angepasst. Hintergrund ist die zunehmende Annäherung Russlands an die USA und die Erwartung einer Lockerung von Sanktionen. "Sollte es tatsächlich zu einem Waffenstillstand oder Friedensabkommen in der Ukraine kommen, wäre die wirtschaftliche Isolierung Russlands durch die USA wohl zu Ende", sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw. "Die bestehenden US-Sanktionen werden bereits heute nur mehr halbherzig umgesetzt." Die Annäherung an die USA beflügelte laut wiiw auch die russischen Finanzmärkte und den Rubel. Ausländische Firmen wie Renault, Hyundai oder Samsung würden mittlerweile eine Rückkehr nach Russland erwägen. Der südkoreanische Elektronikkonzern LG habe kürzlich sogar die Produktion in seinem Moskauer Werk wieder hochgefahren. "Die teilweise Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen würde bei einem Kriegsende den Wegfall der hohen Gehälter für Soldaten und Entschädigungen für deren Familien, die bisher das russische Wachstum mitgetragen haben, wohl wettmachen", meint Astrov.

Daran ändert auch der zuletzt stark gefallene Preis für Erdöl - immer noch das wichtigste Exportgut Russlands - relativ wenig. "Natürlich sinken dadurch wie auch durch den momentan starken Rubel die Staatseinnahmen erheblich. Aber das Budget ist nicht mehr so abhängig von den Öleinnahmen wie in der Vergangenheit, und das eventuell höhere Budgetdefizit könnte problemlos finanziert werden", erklärt Astrov.

Östliche Nachbarn stützen Österreichs Wirtschaft

Für Österreich sieht das wiiw einen positiven Impuls aus den osteuropäischen Nachbarländern. Vor allem Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien könnten die Schwäche der deutschen Wirtschaft zumindest teilweise kompensieren und die heimische Konjunktur stützen. Ohne die starken Wachstumsraten im Osten würde Österreichs wirtschaftliche Lage noch schwieriger ausfallen, heißt es im Bericht.

Risiken für die Region bleiben allerdings bestehen: Neben möglichen neuen Handelsbarrieren durch die USA könnten geopolitische Spannungen, ein anhaltender Krieg in der Ukraine sowie eine mögliche Verlangsamung des EU-Fördermittelzuflusses auf das Wachstum drücken. Dennoch sei die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der Region höher als in früheren Krisen, betont Grieveson.