Seit Februar 2016 werden in Chongqing IC-Substrate hergestellt. Bis Ende 2021 soll der Standort um ein neues Werk erweitert werden. © AT&S AG
Mit einer investitionsfreudigen Zukunftsstrategie baut AT&S seine Vorreiterrolle als europäischer Marktführer und weltweit führender Hersteller hochwertiger Leiterplatten und IC-Substrate weiter aus.
Sei es in Smartphones oder Wearables, in Automotive- und Speicherprodukten, in der Industrieelektronik, aber auch in künftigen 5G-Applikationen: Wie Sie vielleicht wissen, ist die Leiterplatte das Herzstück eines jeden elektronischen Geräts, denn sie dient einerseits als Träger für elektronische Bauteile (wie Chips) und andererseits der elektrischen Verbindung. Was Sie vielleicht noch nicht wussten: Viele von ihnen haben ihren Ursprung in der Steiermark.
Vom Technikunternehmen zum weltweit führenden Technologiekonzern
Die 1987 gegründete AT&S Austria Technologie & Systemtechnik Aktiengesellschaft, kurz AT&S, hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte vom kleinen Technikunternehmen zum weltweit führenden Technologiekonzern entwickelt. Die rasant voranschreitende Digitalisierung, insbesondere in Bezug auf das wachsende Internet of Things sowie intelligente Fertigungsverfahren, haben dem Konzern mit Sitz in Leoben vor allem in der jüngsten Vergangenheit einen gewaltigen Schub verliehen. Denn immer komplexere, hochdichte und leistungsfähige Systeme mit den entsprechenden elektronischen Schaltungen erfordern auch dafür ausgelegte Boards bzw. Leiterplatten. Diese Anforderungen werden mit High-End-Produkten wie der HDI-Technologie adressiert. So können Vorteile wie eine höhere Leiterbahn-Dichte, bessere Charakteristik für das elektrische Verhalten und die Signalübertragung, kurze Signalpfade und eine gute Elektromagnetische Verträglichkeit bzw. Störfestigkeit geboten werden. Damit werden die hochqualitativen Produkte leistungsfähiger, zuverlässiger, leichter und kompakter. Allerdings stellen diese High-End-Technologien höhere Anforderungen an das Design und die Fertigung. Genau in diesem Bereich gilt AT&S als international führende Anlaufstelle. Die Marktforscher des renommierten Beratungshauses Prismark sehen AT&S für 2018 mit einem Umsatzanteil von mehr als 830 Millionen US-Dollar sogar als Nummer Eins für das gesamte HDI-Marktsegment, das etwa 15 Prozent am weltweiten Gesamtmarkt für Leiterplatten ausmacht.
20-jähriges Börsenjubiläum
Die führende Position von AT&S bei HDI-Leiterplatten unterstreicht die strategische Ausrichtung mit Fokus auf High-End-Technologien. AT&S bietet eine breite Palette an anspruchsvollen Lösungen für Kunden aus den Bereichen Mobile Devices, Automobilelektronik, Medizintechnik, Industrieelektronik und Halbleiterindustrie. Vor diesem Hintergrund konnte AT&S nicht nur einen erfolgreichen Börsengang, sondern auch eine ebenso erfolgreiche Unternehmensentwicklung mit einer kontinuierlichen Dividendenpolitik für seine Aktionäre vollziehen. So wurde der Umsatz seit dem Börsengang von 151 Mio. Euro auf über eine Mrd. Euro und die Mitarbeiterzahl von rund 1.900 auf 9.800 gesteigert.
Der Börsengang der AT&S fand im Juli 1999 am Neuen Markt in Frankfurt statt und feiert damit 2019 sein 20-jähriges Jubiläum. Im Frühjahr 2008 entschloss man sich, an die Börse nach Wien zu wechseln. Gleichzeitig wurde die Einstellung der Notierung und der Widerruf der Zulassung der AT&S-Aktien zum regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse eingeleitet. An der Wiener Börse notiert die Aktie seit März 2018 im Leitindex ATX.
Auf dem Weg zum Anbieter umfassender Verbindungslösungen
Für die steigenden Anforderungen in dynamischen Märkten wie der Elektromobilität, dem automatisierten/autonomen Fahren, der 5G-Mobilkommunikation, der modernen Medizintechnik und der Halbleiterindustrie wird AT&S auch künftig leistungsfähige Lösungen entwickeln und anbieten. Parallel dazu wandelt sich das Unternehmen immer mehr zum Anbieter von umfassenden Verbindungslösungen mit Produkten und Technologien, die weit über die reine Leiterplatte hinausgehen. Hier sieht der Konzern eine große Chance, sich auf verschiedenen Ebenen grundlegend weiterzuentwickeln, um einen wesentlich größeren Markt mit hohen globalen Wachstumsraten zu erreichen.
Miniaturisierte Leiterplatten für die Medizintechnik
Ein bereits heute wichtiges Geschäftsfeld der AT&S ist die Medizintechnik, denn gerade in diesem Bereich werden Systeme und Komponenten für die Therapie, Diagnose und Patientenüberwachung immer kleiner und dennoch leistungsfähiger. Trotz fortschreitender Miniaturisierung haben Sicherheit und Zuverlässigkeit absolute Priorität. Der steirische Konzern hat verschiedene Technologien entwickelt, die den Einsatz der dort gefertigten Schaltungsträger auch in neuartigen Anwendungen am und auch im Körper des Menschen ermöglichen. Mit seinen Technologien ist AT&S beispielsweise seit Jahren ein führender Leiterplatten-Lieferant für Hörgeräte, Herzschrittmacher, Defibrillatoren sowie Prothesen.
Mithilfe der Expertise aus Leoben hat auch das in der Nähe von Graz angesiedelte Start-up SteadySense eine intelligente Temperaturmesslösung für medizinische Anwendungen entwickelt. Die lückenlose Temperaturüberprüfung über bis zu sieben Tage mit femSense ist eine ideale Lösung, um beispielsweise die fruchtbaren Tage bei Kinderwunsch zu ermitteln, oder für das Patienten-Monitoring in Kliniken. Der femSense Patch basiert auf einer Schaltung mit flexibler Leiterplatte von AT&S und schmiegt sich dadurch der Körperoberfläche an. Flexible Leiterplatten finden heute in vielen Bereichen der Elektronik Anwendung. Oft wird die Leiterplatte gebogen, verdreht oder gefaltet in ein Gehäuse eingebaut. Durch den Einsatz flexibler Leiterplatten können Verbindungen und Geometrien erzeugt werden – wie z. B. in den femSense Patches – die mit einer starren Leiterplatte nicht realisierbar sind. Die femSense-Leiterplatte wurde mittels SMT mit dem Temperatursensor und einer Batterie bestückt. AT&S hat nicht nur die Leiterplatte entwickelt, sondern auch die Bestückung durchgeführt. Dafür hat das Unternehmen die entsprechenden Kapazitäten und Technologien in seinem koreanischen Werk genutzt. Dort ist man besonders auf flexible Leiterplatten-Lösungen für den Medizinbereich spezialisiert.
Schrittmacher für Elektromobilität und automatisiertes Fahren
Ein künftig besonders aussichtsreiches Wachstumspotenzial sieht AT&S in der Automobilindustrie, genauer gesagt in den Zukunftsbranchen Elektromobilität und automatisiertes Fahren. In der EU galt bisher für 2021 die Zielsetzung von 95 g CO2/km im Flottenschnitt. Neue Autos in der EU sollen bis 2030 einem aktuellen EU-Kompromiss zufolge dann nochmals 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als im Vergleichsjahr 2021. Ohne Hochvolt-Elektrifizierung und Mild-Hybrid-Fahrzeugen mit 48-V-Boardnetz ist das nicht zu erreichen – und hier spielt eine effiziente Leistungselektronik eine zentrale Rolle.
Hier setzt das Unternehmen u. a. auf Embedded-Power-Technologien – sprich, die Einbettung von Leistungshalbleitern wie MOSFETs in die Leiterplatte. Zu den wesentlichen Vorteilen von ECP (Embedded Components Packaging) gegenüber der konventionellen Leiterplatten-Bestückung gehören die signifikante Miniaturisierung dank der höheren Integration sowie die verbesserte Zuverlässigkeit und das ausgezeichnete thermische Verhalten.
Aber auch automatisiertes bzw. autonomes Fahren stellt für die Mikroelektronik-Industrie ein großes Potenzial dar. Der Leiterplattenmarkt für diese Anwendungen wächst derzeit beispielsweise um rund 5,5 % jährlich. Bis 2020 soll der Kostenanteil elektronischer Komponenten im Auto auf 35 % steigen, bis 2030 sogar auf 50 % (Quelle: Statista 2018).
AT&S erweitert mit einem Investitionsaufwand von rund 40 Mio. Euro seine Technologiekompetenz im Bereich der Automobilelektronik und produziert an den bestehenden Standorten Nanjangud, Indien (nahe Bangalore), und im steirischen Fehring Hochfrequenz-Leiterplatten für Anwendungen, die zum Beispiel bei Sensoren für Abstandsmessungen eingesetzt werden.
AT&S mit Innovation Award von HELLA ausgezeichnet
Die automotive Innovationskraft der AT&S wurde erst kürzlich mit einer bedeutenden Auszeichnung belohnt. An dem neu geschaffenen Wettbewerb „HELLA Co-Innovation Platform (HIP)“ des international operierenden deutschen Automobilzulieferers HELLA haben sich zahlreiche Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen beteiligt und ihre Innovationsvorschläge vor einer Jury aus Mitgliedern der Geschäftsleitung Elektronik und weiteren Fachexperten präsentiert. Nach umfangreicher Evaluierung hat AT&S neben zwei weiteren Lieferanten mit der Einreichung „PCB Embedded Power“ das Finale erreicht. Denn mit dem Konzept, Leistungsbauelemente wie MOSFETs direkt in die Leiterplatte einzubetten, konnte für HELLA eine beträchtliche Größenreduktion für ein entsprechendes Produkt aufgezeigt werden.
Gestärkte Position am Markt für IC-Substrate
Auch das Geschäft mit IC-Substraten, die der Verbindung von Halbleitern mit der Leiterplatte dienen, entwickelt sich für AT&S zu einem strategisch wichtigen Unternehmensstandbein. Seit dem Jahr 2016 werden am Standort Chongqing in China IC-Substrate mit den derzeit feinsten und dichtesten Strukturen hergestellt. Stärker vernetzte digitale Systeme, Künstliche Intelligenz, Robotik sowie autonomes Fahren erfordern eine immer schnellere Verarbeitung stetig größerer Datenmengen. Dadurch steigen die erforderliche Rechenleistung und der Bedarf an Datenspeicherung signifikant an. Die nötige Performance künftiger Hochleistungsrechner-Module treibt massiv die technologischen Anforderungen an alle Komponenten des Moduls und damit auch an die IC-Substrate.
Bedingt durch deren steigende Marktnachfrage ist nun geplant, ein weiteres Werk in Chongqing zu errichten sowie die bestehenden Kapazitäten im Werk Leoben zu erweitern. „Wir gehen analog zur Branche davon aus, dass der Markt für High-Performance-Computermodule in den nächsten Jahren stark wachsen wird. Die Strategie, den Trend der Modularisierung massiv zu unterstützen, adressiert viele Applikationen in der Elektronikindustrie und somit auch den Bereich der Mikroprozessoren“, kommentiert Andreas Gerstenmayer, CEO der AT&S AG, den nächsten bedeutenden Wachstumsschritt.
Dafür ist in den nächsten fünf Jahren ein Investitionsvolumen von knapp einer Milliarde Euro schwerpunktmäßig in Chongqing vorgesehen. Ende 2021 soll die hochmoderne Fabrik ihren Betrieb aufnehmen. (BO)
INFO-BOX
Aktuelle Geschäftsentwicklung und Prognose
Im ersten Quartal 2019/20 entwickelte sich das Geschäft von AT&S insgesamt stabil: Der Umsatz ist mit 222,7 Mio. Euro stabil auf Vorjahresniveau. Dabei gingen die Umsätze aus den Bereichen Mobile Endgeräte und Industrial zurück. Die Rückgänge konnten durch Absatzsteigerungen in den Bereichen IC-Substrate sowie Medical & Healthcare weitgehend kompensiert werden. Die Ergebniswerte für das Quartal gingen erwartungsgemäß zurück: Das EBITDA sank auf 34,9 Mio. Euro (Vorjahr: 52,0 Mio. Euro) und die EBITDA-Marge auf 15,7 % (Vorjahr: 23,4 %). Dies führt zu einem EBIT von –0,6 Mio. Euro (Vorjahr: 18,3 Mio. Euro). Das Finanzergebnis sank im Wesentlichen aufgrund von Fremdwährungsdifferenzen von 1,7 Mio. Euro auf –1,7 Mio. Euro. Das Konzernergebnis betrug –6,2 Mio. Euro (Vorjahr: 13,5 Mio. Euro). Im Rahmen der Strategie „More than AT&S“ geht der Konzern innerhalb der kommenden fünf Jahre von einer Umsatzverdoppelung auf 2 Mrd. Euro aus (bisher lag die Umsatz-Guidance bei 1,5 Mrd. Euro).