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Keimzeit

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 1/2017
Österreich ist ein solider Standort, vor allem für junge Gründer. Der Unternehmergeist der heimischen Studenten hinkt im internationalen Vergleich allerdings noch hinterher. © jannoon028/Freepik

Im Jahr 2016 gingen 39.973 Neugründungen über die heimische Wirtschaftsbühne. Sieben von zehn Unternehmen sind nach fünf Jahren immer noch aktiv ...

... So die Zahlen des „Fact-Sheet Gründungen“ des WKO-Gründerservices vom Jänner 2017. Es zeigt sich: Die Österreicher sind gründungsfreudig und ausdauernd. Trotzdem bleibt der heimische Unternehmergeist immer noch ausbaufähig.

Jedes Jahr wählen tausende Menschen in Österreich die Selbstständigkeit als Alternative zur klassischen Berufskarriere in einem Angestelltenverhältnis. Diese Entwicklung resultiert auch in Veränderungen der Arbeitswelt: Die Grenzen zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit scheinen zunehmend zu verschwimmen, Team- und Projektarbeiten fördern unternehmerisches Denken. In den heimischen Unternehmenskulturen entwickeln sich Intrapreneure, also Angestellte, die sich wie Unternehmer verhalten und über unterschied­liche Formen am Unternehmen beteiligt sind. Entrepreneure tragen signifikant zur Weiterentwicklung unserer Wirtschaft bei und wirken auch als Motor für unseren Arbeitsmarkt. So schafft laut dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) jedes neu gegründete Unternehmen im ersten Jahr im Schnitt 2,4 neue Arbeitsplätze. Neu gegründete Unternehmen gehören zum unternehmerischen Mittelstand, der gerade in Österreich als wichtigste Säule unser Wirtschafts- und ­Sozialsystem trägt.

Solider Standort für Start-ups
Eigentlich sollte man glauben, dass die meisten Menschen gern ihr eigener Chef wären – und tatsächlich sieht das im weltweiten Schnitt auch mehr als jeder zweite Arbeitnehmer so. In Österreich hingegen ist der Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit mit nur 30 Prozent sehr schwach ausgeprägt. Genau genommen liegt man damit auf dem viertletzten Platz von 33 Ländern, in denen die Umfrage zum Randstad Workmonitor im ersten Quartal 2017 durchgeführt wurde.
Die Schlussfolgerung, dass diese Zögerlichkeit mit finanziellen Risiken zusammenhängt, liegt nahe. Doch nur 37 Prozent der Österreicher würden sich selbstständig machen, wenn nicht die Angst vor einer Unternehmenspleite zu groß wäre. Österreich liegt damit weltweit auf dem drittletzten Platz – im globalen Durchschnitt würden 57 Prozent der Befragten eine Unternehmensgründung bei geringerem Risiko in Erwägung ziehen.
Ein wenig risikofreudiger wären die Österreicher allerdings bei Verlust des derzeitigen Jobs: Weltweit „nur“ für 47 Prozent der Befragten ein Grund, um eine Unternehmensgründung anzustreben – aber jeder dritte Arbeitnehmer hierzulande würde in dem Fall den Schritt in die Selbstständigkeit erwägen. Man liegt also hier ebenfalls unter dem internationalen Schnitt – nähert sich diesem aber an.
Dabei wird Österreich an sich nicht als schlechter Standort zur Gründung von Start-ups gesehen. 56 Prozent der Befragten glauben, dass Österreich ein guter Standort für ein Start-up-Unternehmen ist – was genau dem weltweiten Schnitt entspricht. Auch die Frage, ob die Regierung aktiv die Gründung von Start-ups unterstütze, bejahen 56 Prozent der Befragten – in diesem Fall landet Österreich damit aber sogar im oberen Drittel und verpasst nur knapp die Top Ten.

KMU, Konzern oder Start-Up?
Wenn es darum geht, Mitarbeiter für sich zu gewinnen, haben Start-ups es schwieriger. Die Mehrheit der Befragten (63 Prozent) würde gern in einem mittelständischen KMU arbeiten, und mehr als jeder Zweite ebenso gern in einem internationalen Konzern. Für die Mitarbeit in einem Start-up könnten sich hingegen nur 39 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer begeistern. Möglicher­weise liegt auch dies im Vorsichtsdenken der Österreicher begründet, die damit unter den letzten sieben Plätzen landen. Denn Start-ups können in der Regel nicht die gleiche wirtschaftliche Sicherheit wie ein etabliertes Unternehmen bieten. Die traditionellen Vorzüge eines Start-ups – z. B. flache Hierarchien oder aber die Möglichkeit, ein Unternehmen in der Entstehung mit zu formen – führen dazu, dass jüngere Menschen (48 Prozent) sich ein Start-up eher als Arbeitgeber vorstellen könnten als die älteren Befragten (31 Prozent).

Gründungszentrum Wien
Die Neugründungsbilanz 2016 fällt für Österreich und die Junge Wirtschaft Wien durchaus positiv aus. Mit 39.973 Neugründungen in Österreich (2015: 38.636) und 8.982 davon in Wien (2015: 8.674) kann sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene ein leichtes Plus im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden. Mit einem Anteil von 22,5 Prozent liegt Wien erneut auf Platz eins im natio­nalen Ranking. Ein weiteres Ergebnis: Frauen liegen mit 21.143 Gründungen von EPU deutlich vor den Männern. Die Junge Wirtschaft Wien zeigt sich insgesamt zufrieden, sieht allerdings noch starkes Steigerungspotenzial im Wachstum von Österreichs Gründerlandschaft.
„Luft nach oben gibt es noch zur Genüge“, so Jürgen Tarbauer, Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien, zu den aktuellen Zahlen. „Dass wir für das vergangene Jahr ein leicht positives Wachstum verzeichnen dürfen, ist erfreulich und zeigt uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Dennoch liegt noch ein weiter Weg vor uns, wollen wir Wien und Österreich langfristig und vor allem im internationalen Kontext als attraktiven Wirtschaftsstandort erhalten und ausbauen“, so Tarbauer weiter. Genau dafür setzt sich die Junge Wirtschaft Wien tagtäglich ein und hat auch 2017 wieder einiges auf ihrer Agenda: Ob die gesamte Digitalisierung des Behördenverkehrs, die Reduktion des Normen- und Gesetzes­dschungels, Fairness in der Gestaltung der Wiener Parkraumbewirtschaftung, praktikable Mitarbeiterbeteiligungsmodelle oder nicht zuletzt die Senkung der Lohnnebenkosten – es gibt noch viel zu tun. Zwar kann die Junge Wirtschaft Wien mit der aktuellen Präsentation des Arbeitsprogramms der Bundesregierung und der darin enthaltenen Lohnnebenkostensenkung für alle Gründer einen ersten Teilerfolg für dieses Jahr verbuchen – dennoch ist das Ziel auch in diesem Punkt noch nicht erreicht. „Es freut uns, dass es uns mit dem von der Regierung präsentierten Programm zur Lohnnebenkostensenkung zumindest gelungen ist, die Zweiklassen-Unternehmerschaft zu bekämpfen. Damit sind wir unserem Ziel wieder ein Stück näher gekommen“, zeigt sich Tarbauer vorsichtig optimistisch. Denn geht es nach der Jungen Wirtschaft Wien, soll eine Senkung der Lohnnebenkosten nicht nur für alle Unternehmer und Unternehmerinnen, sondern auch ohne zeitliche Beschränkung und mit unmittelbarer Wirkung gelten.

Frauen klar vorne
Mit 21.143 Gründungen und einem Anteil von 61 Prozent liegt die Zahl der weiblichen Unternehmensneugründungen 2016 deutlich über der der männlichen. „Das freut uns besonders“, sagt Tarbauer über das Ergebnis. Und meint weiter: „Ich empfinde es als sehr positiv, dass so viele Frauen den Sprung in die Selbstständigkeit wagen und damit nicht nur einen erheblichen Beitrag zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts leisten, sondern auch stärker als wir Männer den Mut beweisen, ihre Träume und Ideen wirklich in die Tat umzusetzen.“ Insgesamt hat es 2016 34.844 Gründungen durch Einzelunternehmer und -unternehmerinnen gegeben.

Unternehmergeist unter Studenten noch ausbaufähig
Nach dem Studienabschluss wollen rund fünf Prozent der Studierenden selbstständig tätig sein, der internationale Schnitt liegt bei 8,8 Prozent. Nach fünf Jahren peilen 27 Prozent die Selbstständigkeit an, international sind es 38 Prozent. Dies sind die aktuellen Ergebnisse der österreichischen Länderstudie von GUESSS, an der sich rund 3.800 Studierende von österreichischen Universitäten und Fachhochschulen beteiligt haben und die vom Institut für Unternehmensgründung und Unternehmensentwicklung der Johannes Kepler Universität Linz durchgeführt wurde. Das internationale Forschungsprojekt „Global University Entrepreneurial Spirit Students’ Survey (GUESSS)“ ist die weltweit größte Studie, in der die Einstellung von Studierenden an Hochschulen zu Unternehmertum sowie ihre Gründungsplanung und unternehmerische Aktivitäten untersucht werden.
Elisabeth Zehetner-Piewald, Bundesgeschäftsführerin des Gründerservice in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), die die Studie unterstützt hat, wünscht sich mehr Unternehmergeist an Universitäten und Fachhochschulen (FH): „Die Studie beweist, dass hier noch einiges zu tun ist, wie etwa fixe Lehrveranstaltungen ,Businessplan und Entrepreneurship‘ an allen Unis und Fachhochschulen. Denn Unternehmergeistbildung sollte ein fixer Bestandteil der Allgemeinbildung sein.“ Entscheidend sei es, so Zehetner-Piewald, Selbstständigkeit bei Studierenden als attraktive und realistische Karriereoption zu positionieren und dafür auch Anreize zu schaffen, wie z. B. eine attraktive Arbeitslosenversicherung für jene, die sich direkt aus der Ausbildung selbstständig machen. Mit dem ERASMUS für Jungunternehmer und dem i2b-Businessplanwettbewerb (27 Prozent Bewerbungen von Studierenden) hat die WKÖ bereits zwei erfolgreiche Projekte, um Unternehmergeist zu wecken und zu fördern.
„Es zeigen sich zwei Zielgruppen für Entrepreneurship-Education: zum einen Studierende, die während oder gleich nach dem Studium ein Start-up gründen, und zum anderen als deutlich größere Gruppe Studierende, die nach einigen Jahren Praxiserfahrung Unternehmensgründer bzw. -nachfolger werden wollen“, so Studienautor Norbert Kailer von der Universität Linz. „Wichtig ist daher neben praxisorientiertem Unterricht und Netzwerktreffen eine Unterstützung gerade dieser ,Schnellstarter‘: Praktika bei Start-ups, Gründungscoaching sowie unterstützende Einrichtungen direkt an den Hochschulen (Start-up-Zen­tren, Besprechungsräumlichkeiten, Co-Working-Spaces und Prä-Inkubatoren). Darauf können Inkubatoren- und Akzeleratorenprogramme für technologieorientierte Gründungen aufbauen.“

213 Studierende bereits als ­Unternehmer tätig
Die befragten Studierenden planen übrigens Unternehmensgründung vor allem in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie (14 Prozent), Gesundheitswesen (zwölf Prozent), Werbung/Design/Marketing (zwölf Prozent), Aus- und Weiterbildung (neun Prozent) und Consulting – Recht, Steuern, HR, Management (acht Prozent). Fast zwei Drittel wollen dabei in einem Team gründen. Mitgründer werden vor allem wiederum an der Hochschule gesucht. 213 Studierende sind bereits als ­Unternehmer tätig, hier liegen vor allem Informations- und Kommunikationstechnologien deutlich an der Spitze (18 Prozent), gefolgt von Training und Consulting (14 Prozent) sowie Werbung/Design/Marketing (elf Prozent). Sie haben ­damit insgesamt 648 Arbeitsplätze geschaffen.

Fünf Jahre nach Studien­­abschluss ­wollen 23 prozent eigenes Unter­nehmen führen
Ein deutlich anderes Bild zeigt sich jedoch in der Perspektive „fünf Jahre nach Studienabschluss“: Insgesamt wollen nach fünf Jahren Berufspraxis 23 Prozent ein eigenes Unternehmen führen und weitere vier Prozent ein bestehendes Unternehmen übernehmen. 16 Prozent wollen dann in einem Klein- bzw. Mittelbetrieb arbeiten, 17 Prozent in einem Großunternehmen, elf Prozent im öffentlichen Dienst, neun Prozent im akademischen Bereich und vier Prozent im Non-Profit-Bereich.
„Fakt ist dennoch, dass rund 82 Prozent aller Studierenden ein Anstellungsverhältnis anstreben. Das ist ein zu großer Block, der jenen gegenübersteht, die sich vielleicht selbstständig machen wollen. Wenn wir als Wirt­schaftsstandort vorn mit dabei sein wollen, sollte das ­Verhältnis Richtung 50:50 gehen“, zeigt sich Zehetner-Piewald überzeugt. (BO)

INFO-BOX
Der Gründerservice
Für Gründungsinteressierte und Start-ups ist der Gründerservice der Wirtschaftskammern die erste Adresse. Über 90 Mal steht es mit seinen Beratern und Experten in ganz Österreich zu den Themen Gründung, Betriebsnachfolge und Franchising zur Verfügung. Das Leistungsangebot reicht von professioneller Unterstützung in rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen (Gewerberecht, Rechtsform, Sozialversicherung, Steuern, Finanzierung, Förderungen, Standort, Betriebsanlagengeneh­migung) bis hin zu Konzepterstellung und Konzeptcheck sowie Neugründungs-Förderungsgesetz-Beratung (Neufög).