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Hier spielt die Musik

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 1/2025
Die stark von klassischem Folk beinflusste Oska spielte bereits als Support für Coldplay sowie auf dem SXSW in Texas und ist gerade auf einer Tour, die auch in Deutschland und den Niederlanden Station macht. Einen Amadeus hat sie heuer ebenfalls eingesteckt. © Christoph Liebentritt

Nach längerem Dornröschenschlaf ist die heimische ­Musikwirtschaft in den letzten Jahren zum Leben erwacht und entpuppt sich als erstaunlich stark:

Mit 2,8 Prozent des BIP und 7,5 Milliarden Euro Wertschöpfung ist sie die drittstärkste Branche – vielversprechendes Exportpotenzial inklusive. 

Fast klammheimlich hat es die österreichische Musikwirtschaft geschafft, unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen beständig zu wachsen und auch international da und dort aufzuzeigen. Das ist natürlich zu einem­ guten Teil dem Fleiß und der Beharrlichkeit der Musikschaffenden zu verdanken – aber es wäre nicht möglich, wenn nicht seit Jahren auch ein unterstützendes Förderungssystem bestehen und greifen würde. Gefördert wird, was zumindest einen Hauch von einer Aussicht auf einen Return on Investment hat; das funktioniert zwar nicht immer, aber oft genug, um Tourneen, Musikvideos und Produktionen überhaupt erst zu ermöglichen.

Wenn der Act einem Publikum gefällt, entsteht eine Art Lawine: Es wird berichtet und damit Promotion für die Künstlerinnen und Künstler gemacht; Radiostationen werden aufmerksam, und da und dort lassen sich Songs in Streaming-Serien, Filmen oder Werbungen platzieren. Schnell reich wird damit zwar kaum jemand mehr, aber immerhin ist Populärmusik zu einem seriösen Business geworden, dessen Zahlen sich mehr als nur sehen – oder besser hören – lassen können. Zu verdanken ist dieses Wachstum allerdings nicht zuletzt auch einer sich weiterhin positiv entwickelnden globalen Musikwirtschaft.

Die harten Fakten
Der Global Music Report 2025 berichtet für das Jahr 2024 von einer globalen Umsatzsteigerung von 4,8 Prozent, für die erneut steigende Streaming-Umsätze verantwortlich sind: 752 Millionen Streaming-Abonnenten gibt es weltweit, sie machen mittlerweile 69 Prozent des globalen Musikmarkts aus. Insgesamt beträgt der weltweite Umsatz 29,6 Milliarden US-Dollar. Die gute Nachricht: Die hei­mische Musikwirtschaft konnte 2024 ein Plus von sieben Prozent erwirtschaften – auch im achten Jahr in Folge ist die Tendenz steigend. Was Vinyl-Connaisseure freuen wird: Nach dem Siegeszug der CD und deren Ablöse durch Dateien verschmäht, erlebt die Schallplatte das 15. Jahr Umsatzzuwächse: 2024 waren es 6,5 Prozent im Vorjahresvergleich. Doch die Herausforderungen bleiben groß, geruhsame Lorbeeren gibt es keine. Vor allem, wenn man als kleines Land in einem großen Markt mitmischen will.

Ins Rampenlicht
IFPI Austria ist der Verband der Österreichischen Musikindustrie. Präsident Franz Pleterski ist sich bewusst, dass das Wachstum nur zu einem Teil einem Höhenflug heimischer Künstler:innen zu verdanken ist. Er sieht aber Chancen und Möglichkeiten, wie er unlängst in einem Interview mit „The Gap“ erklärte: „Wir wissen, dass das große Herausforderungen sind, die da auf uns zukommen. Die kommen aber auf alle Märkte zu. Da geht es viel um Sichtbarkeit, um Möglichkeiten, auch um Ansprechpersonen. Daran arbeiten wir Labels, die Künstler:innen, aber auch die IFPI. Wir versuchen, diesen Change, der gerade passiert, zu begleiten. Ich glaube, man muss heutzutage sehr erfinderisch sein, man muss immer wieder gewisse Dinge hinterfragen, die man macht, gleichzeitig aber versuchen, über Verbände und über Unternehmen in Gespräche mit Politik und Wirtschaft zu kommen, um möglicherweise neue Anreize sowie Förderungen zu schaffen.“ 

Die Big Player kitzeln
Kein leichtes Unterfangen, denn das kleine Österreich will künftig sozusagen die Boss-Gegner des Musicbiz auf sich aufmerksam machen. „Man muss mit den großen ­Playern – sei es Spotify, sei es Google – ins Gespräch kommen und schauen, dass man Fläche und Sichtbarkeit für österreichische Musik schafft. Es ist eine herausfordernde Zeit, das möchte ich gar nicht verleugnen. Dennoch konsumieren die Menschen immer mehr Musik, aber eben auf neuen Wegen. Vielleicht ist es gerade in Zeiten so großer Veränderungen besonders wichtig, sich eben nicht zu verstecken, sondern zu sagen: Wir sind da. Wir sind laut. Wir sind groß. Wir sind eine Branche, die miteinander kann und will“, zeigt sich Pleterski optimistisch.

Mehr als nur Verkauf von Musik
Dabei ist die gesamte Branche umfangreicher, als man gemeinhin vermutet. Denn es sind natürlich nicht nur die Artists, die wir via Streaming oder Tonträger hören und auf Bühnen sehen – die wirtschaftlichen Verzweigungen reichen deutlich weiter. Letztendlich ist es ein komplexes Kreativbusiness, in dem viele Kräfte werken.

Studios wollen betrieben und Tontechnik bedient werden; die Gestaltung von Covergrafiken, das Shooten von Fotos und Videos – und das ist immer noch nur ein kleiner Ausschnitt. Die Arbeit der Labels und Promo-Firmen, Booking-Agenturen für Konzerte, Live-und Bühnentechnik bis hin zum Getränkeausschank: Sie alle sind ein Teil der Musikmaschine und halten das Werk nicht nur am Laufen, sondern tragen maßgeblich dazu bei, dass es Umsätze gibt.

Lange Zeit wurde – zumindest auf unserem Kontinent – Kreatives in wirtschaftlicher Hinsicht eher belächelt. Dabei zeigen die großen Player im Entertainment wie Hollywood, dass es viele fein abgestimmte Rädchen braucht, um ein Unterhaltungsprodukt oder einen Star zu einem solchen zu machen und dementsprechend Gewinn einzufahren. Von dieser Einstellung können wir uns also noch einiges abschauen.

Es geht weiter aufwärts
Zum Glück hat sich diese Betrachtungsweise in den letzten Jahren deutlich verändert: Creative Business ist längst ein ernstzunehmender Faktor. Zu diesem Ergebnis kam auch die 2024 durchgeführte „Studie zur Wertschöpfung der Musikwirtschaft in Österreich“. Beauftragt wurde sie vom Fachverband der Film- und Musikwirtschaft, vom Verband der österreichischen Musikwirtschaft – IFPI Austria und von der Musikverwertungsgesellschaft AKM, um ein eklatantes statistisches Problem aufzuzeigen und zu beheben: Der Musikwirtschaft fehlte nämlich bisher eine klare Zuordnung ins politische und wirtschaftliche System.

Als Querschnittsmaterie hat sie großen Einfluss auf eine Vielzahl von Wirtschaftssektoren – etwa in den Bereichen Produktion, Handel und Dienstleistungen –, doch genau deshalb lagen bis dato keine zuverlässigen Daten für einzelne Teilsektoren der Musikwirtschaft vor. In Österreich gibt es keine Definition der Musikwirtschaft, und wesentliche Bereiche werden in den Wirtschaftsstatistiken nicht beachtet. Dabei geht es nicht nur um Musikaufnahmen, Musikverlage oder Musikveranstaltungen, sondern zum Beispiel auch um Unterhaltungselektronik (Audiozubehör für Computer, Autoradios, Speichermedien) oder den Einsatz von Musik in Museen.

Musik ist ein Job-­Generator
Die Studie zeigt: Die österreichische Musikwirtschaft wurde bisher aufgrund fehlender aussagekräftiger Daten enorm unterschätzt. Je mehr aktive und erfolgreiche Kreative im Land tätig sind, desto mehr Effekte erzeugen sie über die gesamte Wertschöpfungskette“, stellt dazu Georg Tomandl fest. Er ist nicht nur Musikproduzent, sondern auch Obmann des Österreichischen Musikfonds und stellvertretender Obmann im Fachverband der Film- und Musikwirtschaft.

„Mit jedem und jeder statistisch erfassten Musikschaffenden sind im Durchschnitt weitere 16 Arbeitsplätze in Österreich verbunden, welche oft weniger sichtbar sind, dieses komplexe Ökosystem Musik aber überhaupt erst ermöglichen“, ergänzt Anna Kleissner, Geschäftsführerin der Econmove GmbH und Leiterin des Instituts für Österreichs Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistung der Musik sei zwar genauso wichtig wie jene von Gastronomie oder Hotellerie, „bleibt in der Wahrnehmung jedoch weit dahinter zurück“.

Schlummerndes Exportpotenzial
Ebenso deutlich wird, was verloren geht: Durch den hohen Importanteil ergibt sich ein hoher Abfluss ins Ausland. Besonders schmerzhaft bemerkbar macht sich das bei der Produktion von Musik für den Einsatz in Radio und TV und bei namhaften Großveranstaltungen. Als direkter Effekt fließen Gagen und Tantiemen in Millionenhöhe ab. Vergleichsweise geringe Importquoten weisen die öffentliche Verwaltung und Ausbildung auf. Wahre Exporttreiber mit schlummerndem Potenzial sind der ­Musiktourismus sowie ausländische Studierende.

Der Einsatz zahlt sich aus
Für Hannes Tschürtz, den Obmann der Berufsgruppe Label im Fachverband, ist glasklar, welche Schlussfolgerungen aus der Studie zu ziehen sind: „Je klüger und besser wir die Kreativen in der lokalen Musikwirtschaft unterstützen können, desto stärker werden die Wertschöpfungseffekte – und mit ihnen der gesamte Bereich.“ Daraus­ ergibt sich eine Art Handlungsanweisung für die musikalische Zukunft Österreichs: Der Schlüssel zu einer stärkeren heimischen Musikwirtschaft – und damit zum besseren Ausschöpfen von deren wirtschaftlichem Potenzial – sind Investitionen in den musikalischen und musik­wirtschaftlichen Ausbildungsbereich, „die für sich selbst genommen schon große wirtschaftliche Effekte bringen“, so der Berufsgruppenobmann.

Zusätzlich entsteht die realistische Perspektive, nachhaltig erfolgreiche künstlerische Projekte damit zu befeuern. „Diese Investitionen kommen um ein Vielfaches multipliziert zurück“, betont Tschürtz. Diese Erfahrung machte auch Lieder­macherin Ina Regen: „Mein Durchbruch 2017 mit signifikanter Tagesrotation in den größten heimischen Radios und medialer Reichweite in TV- und Printmedien hat mich innerhalb kürzester Zeit auch mit einer unternehmerischen Größe überrascht. Das ging von einer One-Woman-Show zu Arbeitsaufträgen für über 100 Selbstständige binnen weniger Wochen.“ 

Es gibt noch viel zu tun
Damit die österreichische Musikwirtschaft ihr zweifellos vorhandenes Exportpotenzial zukünftig verstärkt umsetzen kann, braucht es allerdings einiges an Fein- und Grobabstimmung. Auch die Politik ist gefragt, um einen Masterplan für den Musikstandort Österreich zu ermöglichen. „Wir müssen endlich damit beginnen, Musik in ihrer Gesamtheit zu erfassen und damit nicht nur als Unter­haltungsfaktor, sondern auch als wichtigen Wertschöpfungs- und Beschäftigungsmotor der heimischen Wirtschaft zu verstehen“, fordert Anna Kleissner.

Hannes Tschürtz geht noch einen Schritt weiter: „Es ist höchste Zeit für einen Masterplan Musikstandort Österreich! Einen solchen zu erstellen, sehen wir jetzt als unsere nächste Aufgabe.“ Um darüber mit der Regierung verhandeln zu können, wünscht sich Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der Österreichischen Musikwirtschaft, eine zentrale Ansprechperson, die auf Regierungsebene für die Kreativwirtschaft, also die Querschnitts­materie zwischen Kultur und Wirtschaft, zuständig ist.

Michael Paul, Geschäftsführer der Unternehmens­beratung Paul und Collegen Consulting, sieht ebenfalls Bedarf: „Im Ausland muss Musik aus Österreich eine größere Verbreitung finden – dafür braucht es Strukturen und Geld, um mit entsprechenden Investitionen ins Risiko gehen zu können.“ Eine florierende Musikwirtschaft hätte natürlich auch positive steuerliche Effekte, rechnet Unternehmensberater Paul vor. „Schon heute nimmt der Fiskus 4,3 Milliarden Euro an Steuern durch die Aktivi­täten der Musikwirtschaft ein.“­ (PZ)


INFO-BOX
Umsatzmotor Musik-Streaming
Musik-Streaming-Angebote erfreuen sich in Österreich auch nach zehn Jahren kontinuierlichen Wachstums steigender Beliebtheit: Mit den Streaming-Angeboten von Spotify, Apple Music, Amazon Music, Deezer und Co. wurde 2024 ein Umsatz von 185,8 Millionen Euro erwirtschaftet – somit ein neuerliches Plus von 10,9 %. Streams erreichen damit bereits einen Marktanteil von 85 % des Musikmarkts. Aktuell verfügen rund 35 % aller österreichischen Haushalte über ein Musik-Streaming-Abo.

Quelle: www.ifpi.at, April 2025