Kontinuität & Qualität

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION GUIDE 2021
Mit 1. Mai 2021 löste Martin Kohlmaier seinen Vorgänger Franz Chalupecky, langjähriger ­Vorstandsvorsitzender von ABB Österreich, in dessen Position ab. © ABB

Drei Dekaden lang gehört Martin Kohlmaier schon zur ABB-Familie, seit Mai leitet er als Vorstandsvorsitzender die Geschicke in Österreich ...

... Für NEW BUSINESS öffnete er das Schatzkästchen seiner langjährigen ­Erfahrung als Experte in Sachen Automatisierung.

Seit 1. Mai 2021 hat ABB in Österreich mit Martin Kohlmaier einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Wobei „neu“ in diesem Zusammenhang in Kontext gesetzt werden muss, denn Kohlmaier ist nicht nur genau ein Jahr früher bereits Mitglied des ABB-Vorstands geworden, sondern außerdem schon seit 30 Jahren für das Unternehmen tätig. NEW BUSINESS hat mit dem Niederösterreicher über die vergangenen 30 Jahre in der Welt der Automatisierung, aktuelle Ereignisse und deren Einflüsse auf ABB, künftige Entwicklungen, aber auch über seine persönlichen Ziele gesprochen.

Wie sind Sie zum ersten Mal mit den Themen in Berührung gekommen, mit denen Sie sich heute tagtäglich beschäftigen?
Ich habe mich schon als Kind sehr für die technischen Produkte und Lösungen und deren Weiterentwicklung interessiert. In der HTL Mödling konnte ich mich zusätzlich auf meine Interessen spezialisieren. Die Schwerpunkte in der Ausbildung auf Elektrotechnik, insbesondere auf Automatisierung und Antriebstechnik waren ein Grundstein für die Arbeit bei ABB. Die technischen Weiterentwicklungen in den ganzen Jahren, die fortschreitende Digitalisierung und die innovativen Produkte und Systeme, welche von ABB am Markt gelauncht werden, machen die Arbeit so interessant. 

Was war für Sie die größte Errungenschaft der letzten 30 Jahre in der Industrie-Automatisierung bzw. ­-Robotik?
Es ist sicherlich schwierig, von der größten Errungenschaft der letzten 30 Jahre zu sprechen, da es eine Vielzahl davon gibt. Ich persönlich zähle zu den großen Errungenschaften die zunehmende und fortschreitende Digitalisierung und die Mensch-Maschine-Kollabora­tion in der Industrie-Automatisierung und Robotik. Hierzu zählen unter anderem die Entwicklung von kollaborativen Robotern – sogenannten Cobots –, wo ABB Vorreiter ist, als auch zahl­reiche ABB-Remote-Möglichkeiten wie zum Beispiel Zustandsüberwachungen (Condition-Monitoring) von ABB-Produkten, wie unter anderem Antriebe und Motoren, mittels unserer innovativen Smart Sensor.

Was wird Ihrer Meinung nach diese Entwicklungen einmal vom Thron ­stoßen? Gibt es vielleicht eine ­Technologie oder auch eine Idee, der Sie das zutrauen würden?
Ich bin nicht der Meinung, dass diese Entwicklung vom Thron gestoßen werden kann. Vielmehr bauen zukünftige Technologien auf den bisherigen Errungenschaften auf. Themen wie KI und Big Data werden mehr und mehr eine große Rolle spielen. Durch die industrielle künstliche Intelligenz wird die Arbeit revolutioniert werden. Menschen werden dadurch nicht ersetzt, doch werden die menschlichen Fähigkeiten verstärkt und ihr Potenzial erweitert. In der „Fabrik der Zukunft“ werden autonome Systeme die Betreiber dabei unterstützen, rechtzeitig und vorsorglich bessere Entscheidungen zu treffen. Dadurch wird das Fachpersonal von alltäglichen, sich wiederholenden Aufgaben befreit und kann sich auf höherwertige Tätigkeiten konzentrieren. Zudem wird die Betriebsführung von Anlagen und Fabriken sicherer, und Prozesse können optimiert werden.

ABB hat sehr gute Zahlen präsentiert, sowohl für 2020 – beeinflusst durch den Verkauf des Stromnetzgeschäfts – als auch für das erste Quartal 2021. Für das zweite Quartal sehen die Prognosen ebenfalls gut aus. Was sagen Sie: Trotz oder wegen Corona?
Zwar entwickelte sich das Produktgeschäft am Anfang der Corona-Pandemie tendenziell besser als das System- und Anlagengeschäft, die Automobil- und Zulieferindustrie erlebte schon vor Corona einen Dämpfer. Corona war und ist definitiv ein Beschleuniger für neue digitale Formen der Zusammenarbeit wie die virtuelle Inbetriebnahme oder Werkabnahme. Ich er­warte mir in Österreich unter den gegebenen herausfordernden Rahmenbedingungen eine relativ zufriedenstellende und weiterhin gute Entwicklung. 

Wird sich der aktuell herrschende, weltweite Engpass bei Computerchips auch direkt oder indirekt auf ABB Österreich auswirken?
Die weltweite Liefersituation bei Halbleitern und generell bei Rohstoffen betrifft nahezu jedes Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen. ABB verfolgt die Situation bezüglich Lieferketten und der Entwicklung der Rohstoffpreise intensiv. Durch frühzeitig getroffene Präventivmaßnahmen und den stets engen Dialog mit den Lieferanten ist ABB derzeit gut gerüstet, um unsere Kunden in dieser herausfordernden Zeit bestmöglich bedienen zu können. 

Der Automobilsektor ist ein wichtiger Abnehmer im Bereich Robotik und Fertigungsautomation. Auch dort spielt der Chip-Engpass eine Rolle, neben anderen Schwierigkeiten bzw. ­Umwälzungen. Haben die Probleme der Autobauer auch Einfluss auf das ABB-Geschäft in Österreich?
Die Automobilbranche wurde bereits vor der Pandemie hart getroffen. Die Pandemie verstärkte dies. Das bekamen wir bei der Robotik natürlich zu spüren. Mittlerweile sind wir auch hier wieder auf Kurs. Investitionen, die voriges Jahr verschoben wurden, wurden nun nach­geholt. Das schließt Ersatzinvestitionen und Investitionen in den Ausbau gleichermaßen ein.

ABB ist kürzlich wieder in die Liste der 100 nachhaltigsten Unternehmen der Welt aufgenommen worden und hat sich sogar auf Platz 33 verbessert. Welche Maßnahmen setzt ABB im Bereich Nachhaltigkeit?
Für ABB bedeutet Nachhaltigkeit einerseits effizientes Wirtschaften und Umweltschutz, andererseits auch langfristige soziale Sicherheit und verantwortungsvollen Umgang sowie die Schonung von Ressourcen, um die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen zu sichern. Wir streben in unseren eigenen Betrieben Klimaneutralität an, und mit unseren innovativen Technologien ermöglichen wir unseren Kunden, ihre CO₂-Emissionen um 100 Megatonnen pro Jahr zu reduzieren. ABB konnte in den eigenen Betrieben die CO₂-Emissionen um 22 Prozent reduzieren – vor allem durch verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien.

Können Automatisierung und Robotik auch Beiträge zur Nachhaltigkeit liefern? Können Sie vielleicht konkrete Beispiele nennen? 
Natürlich leisten auch unsere Roboter sowie die Automatisierungsprodukte von ABB einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt stetig an Bedeutung. ABB setzt sich dafür ein, weltweit zu umweltfreundlicheren Produktionsstätten beizutragen – auch durch die Wiederaufbereitung von Robotern. Bestandskunden können inaktive oder ältere Roboter über einen attraktiven Rückkaufservice an ABB verkaufen, anstatt sie zu verschrotten oder ungenutzt stehen zu lassen.
ABB Robotics treibt mit neuen, robotergestützten Automatisierungslösungen die Automatisierung in der Bauindustrie voran und hilft damit der Branche, ihre aktuell größten Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören unter anderem der Bedarf an erschwinglicherem und umweltfreundlicherem Wohnraum sowie die Reduktion der Umweltbelastung beim Bau. Roboter erhöhen nicht nur die Sicherheit und die Kosteneffizienz, sondern steigern auch die Nachhaltigkeit sowie die Umweltverträglichkeit, indem sie die Qualität verbessern und Bauabfälle reduzieren.
Als weiteres Beispiel möchte ich die Zustandsüberwachung von ABB-Antrieben und -Motoren über den Smart Sensor anführen, das wie ein Fitnessarmband für Motoren funktioniert und wodurch ein Fernzugriff über unsere cloudbasierte ABB-Ability-Plattform möglich ist. Durch die zustandsbasierte Wartung werden Ausfallszeiten vermieden, Kosten optimiert und die Lebensdauer von Produkten signifikant verlängert.

Haben Sie sich auch persönliche Ziele gesetzt, Die Sie in Ihrer neuen Position verfolgen wollen?
Wenn man die Ehre hat, in so eine Position nachzufolgen, steckt man sich natürlich einerseits berufliche und andererseits auch persönliche Ziele. Wichtig für mich und vor allem für ABB ist, unseren Kunden und Mitarbeitenden gegenüber die Kontinuität, die Qualität der Arbeit, die wir leisten, und natürlich die Kundenorientierung, die im digitalen Zeitalter und in der aktuellen Zeit der Corona-Pandemie noch relevanter wurde, aufrechtzuerhalten und auszubauen. Ebenso wichtig ist es für mich, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, motivierte Technikerinnen und Techniker zu gewinnen, die sich ihre Zukunft in einem global agierenden Technologieunternehmen wie ABB aufbauen und sich durch Lernbereitschaft, Fleiß und großes Interesse an der Branche weiterentwickeln. Ich freue mich darauf, mit unserem engagierten Führungsteam und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die gesteckten Ziele gemeinsam und erfolgreich umzusetzen. (RNF)


INFO-BOX
Zur Person
Dipl.-Ing. (FH) Martin Kohlmaier wurde 1970 in Mödling geboren und schloss ebendort die HTL in der Fachrichtung Elektrotechnik ab. Später absolvierte er ein Diplomstudium in technischem Prozess- und Projektmanagement an der FH Campus Wien. Kohlmaier hatte in den vergangenen Jahren verschiedene Managementpositionen in den ABB-Geschäftsbereichen Robotik und Antriebstechnik inne und zeichnete zuletzt, auch zusätzlich zum Einzug in den Vorstand im Mai 2020, als lokaler Business Area Manager für den Geschäftsbereich Antriebstechnik verantwortlich. Diese Position behält er auch als nunmehriger Vorstandsvorsitzender von ABB Österreich bei. Privat engagiert sich Martin Kohlmaier unter anderem als Funktionär und Ausbildner im Segelsport.