Wolfgang Hattmannsdorfer sandte Brief an die EU-Kommission © APA - Austria Presse Agentur

Die Bundesregierung will sich auf EU-Ebene für ein Verbot von territorialen Lieferbeschränkungen - hierzulande als "Österreich-Aufschlag" bekannt - starkmachen. Das hat Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) jetzt auch in einem Brief an die EU-Kommission unterstrichen. Medienberichte, wonach Österreich sich im Juni in einer EU-Arbeitsgruppe gegen ein Verbot ausgesprochen habe, sorgen aber für Diskussionen.

Laut Berichten von "Standard" und ORF mahnten österreichische Vertreter des Wirtschaftsministeriums in einer EU-Ratsgruppe am 16. Juni in Brüssel eher zu Zurückhaltung bei Regulierungsmaßnahmen in der Thematik. Aus österreichischer Sicht "gebe es aufgrund der Themenkomplexität und schwierigen Problemdefinition keine universelle Lösung", heißt es in einem der APA vorliegenden Ausschnitt eines Sitzungsprotokolls. Es stelle sich die Frage, wie ungerechtfertigte territoriale Lieferbeschränkungen definiert werden könnten - "daher seien neue Regulierungsmaßnahmen nicht zielführend", sollen die Beamten ihren europäischen Kollegen mitgeteilt haben. Andere Länder wie Belgien, die Niederlande, Kroatien und Deutschland hätten dagegen durchaus für ein Verbot plädiert, schreibt der "Standard".

Im Wirtschaftsministerium weist man die Darstellung gegenüber der APA zurück. Hattmannsdorfer verwehre sich dagegen, dass die österreichische Position in Frage gestellt werde, nur weil Beamte "verschiedene rechtliche Optionen prüfen und auf die Nutzung bestehender Instrumente (...) verweisen". Österreich Position sei "glasklar und war es immer", so Hattmannsdorfer.

Klarstellung gefordert

Die Medienberichte riefen am Donnerstag bereits Opposition und Gewerkschaften auf den Plan. Die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Sigi Maurer, sprich von einer "Verhöhnung der österreichischen Bevölkerung". "Während die Regierung in Wien so tut, als würde sie arbeiten, macht sie in den EU-Gremien das Geschäft der Lobbyisten", moniert die Oppositionspolitikerin, die auch SPÖ und NEOS in der Pflicht sieht, die Vorgänge aufzuklären.

"Will er die Preislawine stoppen oder nicht?", fragt ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth per Aussendung in Richtung Hattmannsdorfer. "Es braucht vollen Einsatz Österreichs im Kampf gegen Preisaufschläge", fordert auch die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber.

Auch SPÖ und NEOS für Verbot

"Ich gehe davon aus, dass Minister Hattmannsdorfer in seinem Ministerium für Klarheit sorgt", sagt SPÖ-Klubobmann Philip Kucher. "Was in Österreich versprochen wird, muss dann auch in Verhandlungen in Brüssel gelten". Auch für die SPÖ-EU-Abgeordneten Evelyn Regner und Elisabeth Grossmann gehören die Beschränkungen "ersatzlos verboten".

Für den NEOS-Wirtschaftssprecher Markus Hofer wäre es "unverständlich, wenn hier (beim Verbot von Lieferbeschränkungen; Anm.) gebremst wird", schreibt er in einem Statement. "Ein Argument, dass dies zusätzliche Bürokratie bedeutet, geht ins Leere. Ganz im Gegenteil ist unser Ziel mehr freien Wettbewerb zu ermöglichen." Hofer verweist auch auf das Regierungsprogramm, in dem der Einsatz auf EU-Ebene gegen territoriale Lieferbeschränkungen festgehalten ist.

Begrüßt wird die Ankündigung von Hattmannsdorfer bei der Arbeiterkammer (AK) und vom Handelsverband. "Es ist gut, dass die Diskussion in Österreich endlich in Bewegung kommt", so die AK-Wirtschaftsrechts-Expertin Susanne Wixforth. "Wir begrüßen, dass der Wirtschaftsminister als Teil der Bundesregierung den dringenden Handlungsbedarf erkannt hat und sich auf EU-Ebene für ein zeitnahes Verbot und damit ein klares Gesetz ausspricht", reagierte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Unterstützung erhält Hattmannsdorfer auch vom ÖVP-Wirtschaftssprecher Kurt Egger.

In Brief wird Verbot gefordert

Hattmannsdorfer und die Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf, drängen die EU-Kommission in dem Brief, noch heuer einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, um unberechtigte Beschränkungen zu verbieten. Das Schreiben ist auf den 9. August datiert und ging an EU-Kommissarin Teresa Ribera, in deren Zuständigkeit als Vize-Präsidentin und de facto Nummer zwei der EU-Kommission die Wettbewerbsagenden fallen.

Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply Constraints, kurz TSCs) sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen. Diese machen es Groß- und Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen. Dies führt besonders in kleineren EU-Mitgliedstaaten im Supermarktregal zu Preisaufschlägen gegenüber größeren Nachbarstaaten wie Deutschland. Laut Zahlen der EU-Kommission entgehen europäischen Verbrauchern dadurch jährlich Ersparnisse von 14 Milliarden Euro.

Abgeschwächte EU-Binnenmarktstrategie

Hattmannsdorfer und Harsdorf begrüßen, dass die EU-Kommission in ihrer im Mai vorgestellten Binnenmarktstrategie Maßnahmen gegen territoriale Lieferbeschränkungen angekündigt hat. Sie bedauern aber, dass in der finalen Version der Strategie nicht mehr die Rede von einem Gesetzesvorschlag ist. Das kritisierten kürzlich bereits Gewerkschaft und Handelsverband. Die EU-Behörde will nurmehr bis Ende 2026 "Instrumente zur Bekämpfung ungerechtfertigter territorialer Lieferbeschränkungen" erarbeiten, um jene Praktiken zu erfassen, "die über die vom Wettbewerbsrecht erfassten hinausgehen".

In der Vergangenheit hatte die EU-Kommission bereits den Lebensmittelriesen Mondelez und den Getränkekonzern AB InBev wegen Lieferbeschränkungen zu Millionen-Strafen verdonnert und sich dabei auf das Wettbewerbsrecht gestützt. Dies sei aber bei großen Herstellern, die "keine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Wettbewerbsrechts einnehmen", nicht möglich, argumentierte die Kommission in der EU-Binnenmarktstrategie.

Der "Österreich-Aufschlag" sorgt nicht zum ersten Mal für Aufregung. Jüngst war das Thema im Rahmen der von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) losgetretenen Diskussion über staatliche Eingriffe bei Lebensmittelpreisen ins Rampenlicht geraten.