Das Machine-Learning-basierte Texterkennungssystem Anyline kann mit gängigen Smartphones genutzt werden. © Anyline
Das Wiener KI-Unternehmen Anyline etabliert Optical Character Recognition in der weltweiten Industrielandschaft
Viele Prozesse in der Industrie erfordern nach wie vor, dass Mitarbeiter Daten händisch aufzeichnen. Ein aufwendiger und nicht immer zuverlässiger Vorgang. Mithilfe von Anyline können solche Fehlerquellen und Kostentreiber beseitigt werden.
Der Synergieeffekt genießt ein hohes Ansehen in der heimischen Innovationsszene. Zu Recht, wenn man spannende Erfolgsgeschichten wie jene der Wiener Anyline GmbH betrachtet. Als sich das aufstrebende Start-up mySugr im Jahr 2010 auf die Suche nach einer smarten Lösung für sein App-basiertes Diabetestagebuch machte, entstand der erste Anwendungsfall für die revolutionäre Technologie von Anyline.
Da die Anwender von mySugr ihre Werte nicht immer zuverlässig in das digitale Tagebuch eintrugen, klopften die Betreiber von mySugr bei der App-Schmiede 9Yards des heutigen Anyline-CEOs Lukas Kinigadner an und fragten, ob man die Werte des Blutzuckermessgeräts nicht einfach per Optical Character Recognition (OCR) in die mySugr-App übertragen könnte. Konnten sie! Das Geschäft mit der smarten Texterkennung übertrifft mittlerweile alle Erwartungen.
OCR trifft auf künstliche Intelligenz
Mit der Firmengründung der Anyline GmbH im Jahr 2013 schufen Lukas Kinigadner, Daniel Albertini, Jakob Hofer und David Dengg einen unternehmerischen Rahmen für ihre zukunftsweisende Technologie. Das Unternehmen mit Sitzen in Wien und Innsbruck beschäftigt mittlerweile 29 Mitarbeiter.
„Unsere Vision war es, eine Brücke zwischen der analogen und der digitalen Welt zu schlagen. Genauer gesagt wollten wir physische Objekte mit bestehender Hardware, sprich Kamerasystemen in Smartphones, digitalisieren“, erinnert sich Chief Revenue Officer Matthias Gasser. Mithilfe der Texterkennung von Anyline können mobile Geräte heute Texte wie Seriennummern oder ganze Dokumente scannen. Die OCR-Technologie wird durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen unterstützt, um einen möglichst genauen Scan zu ermöglichen, wie Matthias Gasser verdeutlicht. „Für die meisten Menschen ist Lesen eine (selbst-)verständliche Tätigkeit. Maschinen hingegen taten sich damit bisher sehr schwer. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz bekommt man nun die Möglichkeit, Maschinen eine menschenähnliche Erkennung von Zeichen und Texten beizubringen.“
Shootingstar der Tech-Industrie
In diesem Jahr wurde die Innovationsschmiede vom internationalen Forschungsinstitut Gartner, berühmt für seine Vorhersagen von Entwicklungen neuer Technologien, als einer von fünf „Cool Vendors 2018“ in der Kategorie „Supply Chain Execution“ (SCE) gelistet. „Das ist ein enormer Erfolg für uns“, freut sich Lukas Kinigadner. „Gartner ist eines der bekanntesten Forschungsinstitute der Tech-Industrie. Ihre Arbeit am ‚Magic Quadrant‘ und am ‚Hype Cycle‘ bietet Unternehmen seit Jahren eine Orientierungshilfe. Aufstrebende Unternehmen auf der ganzen Welt verlassen sich auf die bereitgestellten Analysen und Berichte, um so nur die besten Dienstleister zu wählen. Um von ihnen anerkannt zu werden, müssen wir den Goldstandard der Zulassung in unserem Bereich wahren.“
Und nicht nur die Zukunftsforschung hat erkannt, welch enormes Potenzial in der OCR-Technologie schlummert. „Was den Umsatz betrifft, haben wir unser letztjähriges Ergebnis bereits weit übertroffen und viele neue, namhafte Kunden aus der ganzen Welt dazugewonnen“, bestätigt auch Matthias Gasser den prognostizierten Erfolgskurs. Anyline ist bereits bei renommierten Kunden wie Canon, Swisscom, Porsche Austria, Red Bull Mobile sowie Global Blue im Einsatz – seit diesem Jahr auch beim österreichischen Werkzeughersteller und Weltmarktführer TYROLIT.
Optimierte Supply-Chain-Execution
Wareneingänge von Zulieferern aus der ganzen Welt mussten im Hause TYROLIT bislang händisch in das SAP-System eingegeben werden. Dieser aufwendige und fehleranfällige Prozess wird nun mithilfe der Technologie des Wiener Unternehmens Anyline deutlich vereinfacht und auf Industrie-4.0-Standards gehoben. „Die Texterkennungstechnologie von Anyline ermöglicht zusammen mit der Einbindung in SAP Fiori eine sehr gute Verbesserung unserer Wareneingangsprozesse“, erklärt TYROLIT-Business-ApplicationManager Eduard Kohler. „Der Prozess des Erfassens und Sendens der Informationen funktioniert schnell, fehlerlos und ist eine zuverlässige Erweiterung für unsere Arbeitskräfte direkt vor Ort. Mit der Lösung entstehen weniger manuelle Fehler bzw. falsche Anlieferungen. Die Lösung ist eine große Bereicherung für unseren Supply-Chain-Prozess und ein Baustein im Rahmen der digitalen Transformation unseres Unternehmens.“
Überzeugende Use-Cases
Ein weiteres spannendes Anwendungsszenario für Anyline eröffnet sich, wenn es um Teile mit empfindlicher Oberfläche geht, die über keine traditionellen Data-Matrix-Codes, wie z. B. Barcodes oder QR-Codes, verfügen. Diese bekommen teilweise Serial-Nummern oberflächenschonend aufgelasert oder werden mit einem speziellen Stift per Hand beschriftet. „Diese Identifikationscodes manuell in den Computer einzugeben, ist nicht nur ein aufwendiger Prozess, sondern auch äußerst fehleranfällig“, so Gasser. Der Einsatz der Anyline-Technologie sei des weiteren auch auf fix installierten Kamerasystemen an Robotern möglich, ergänzt der Experte. „Dadurch kann der Roboter, der ein Produkt vollautomatisiert zusammenbaut, die Reihenfolge oder den Zustand der Bauteile selbstständig erkennen.“
Mission Best-Practice
Der Einstieg in die Welt von Anyline ist laut Matthias Gasser für Unternehmen denkbar einfach. „Die Integration unserer Lösung ist normalerweise innerhalb weniger Minuten auf bestehenden Barcode-Scanning-Terminals möglich. Bei Individualanwendungen für Großkonzerne ist die Integration von Anyline natürlich dementsprechend aufwendiger. Aber auch in solchen Fällen ist das System in der Regel innerhalb eines Monats einsatzbereit. Derzeit sind wir auch in Verhandlungen über eine offizielle Partnerschaft mit SAP, die es künftig möglich machen soll, das Anyline-Modul in die gewünschte SAP-Lösung gleich mitzunehmen.“
Es zeigt sich: Stillstand ist bei dem ambitionierten Team von Anyline keine Option. „Wir sind im Herzen Techniker und wollen immer das Maximum herausholen“, so Matthias Gasser. „Deswegen ist Verbesserung für uns ein ständiger Begleiter. Wir veröffentlichen monatlich Updates und versuchen, die Technologie immer weiter auszureizen und zu perfektionieren. Gleichzeitig passen wir unseren Output der sich ebenfalls ständig ändernden Hardware an, um deren neue Funktionen auch optimal ausnützen zu können.“ (BO)