Mit einer Taktzeit von rund zwei Minuten wird heute die Rinde in gleichbleibender Stärke mit exakter Bahnverfolgung abgefräst. Bis dato dauerte das manuelle Abschaben rund zehn Minuten pro Laib. © Stäubli
In einer Tiroler Biokäserei entrindet und bestreicht ein Sechsachser von Stäubli unregelmäßig geformte Käselaibe. Der TX2-90 he widersteht dauerhaft Intensivreinigungen ...
... mit Hochdrucklanzen und aggressiven Medien, die normale Standardroboter sofort ausknocken würden.
Bis zu 650 Tonnen Biokäse aus bester Tiroler Heumilch reifen im 160 Meter langen, zehn Meter hohen Felsenkeller der Käserei Plangger im Tiroler Niederndorf. Der Stollen wurde erst 2015 in das harte Gestein getrieben und komplettiert jetzt den hohen Anspruch der Biokäserei: nämlich die Produktion bester Lebensmittel im Einklang mit der Natur.
Das Engagement des Familienbetriebs mit 40 Mitarbeitern beginnt nicht etwa beim Rohstoff Milch, sondern schon bei der Zusammenarbeit mit Bauern und Sennern hinsichtlich optimierter, natürlicher Bodenstrukturen. Überliefertes Wissen, der Einsatz effektiver Mikroorganismen und nicht zuletzt die lange Reifephase unter den besonderen klimatischen Bedingungen des Naturfelsens verleihen den Hartkäsesorten im Produktsortiment von Plangger einen unnachahmlichen Geschmack, für den auch deutsche Kunden gern ins untere Inntal reisen.
Doch „Produktion im Einklang mit der Natur“ ist längst nicht mehr gleichbedeutend mit „reiner Handarbeit“. „Um unsere Produktivität zu steigern und die Variantenvielfalt zu optimieren, haben wir schon während der letzten Jahre bestimmte Prozesse in der Herstellung automatisiert“, erklärt Reinhard Brunner, Käsemeister und Juniorchef der Käserei Plangger. „Das hat uns bei gleicher Mitarbeiterzahl zusätzliche Kapazitäten erschlossen, und wir konnten unsere Mitarbeiter von ergonomisch beziehungsweise klimatisch anstrengenden Arbeiten entlasten. Im elf Grad kühlen Felsenstollen etwa arbeiten drei Schmierroboter 24 Stunden am Tag.“
Zwei weitere kräftezehrende Tätigkeiten erfolgen seit Anfang März 2020 in einer vollautomatischen Roboterzelle. Hier übernimmt ein deckenmontierter Stäubli TX2-90 he (HE für Humid Environment sprich Feuchtraumausführung) je nach Bedarf die komplette Entrindung von Bergkäselaiben oder das Rundum-Bestreichen der sogenannten Sennkäse. „Manche unserer Kunden, vorwiegend deutsche Großabnehmer, bevorzugen entrindete Hartkäse. Früher wurde deshalb die harte Rinde manuell mit dem Schabeisen entfernt. Das hat rund zehn Minuten pro 600-Millimeter-Laib beansprucht und dem Mitarbeiter viel Kraft abverlangt. Heute erledigt das der Roboter und zwar genauer und wirtschaftlicher denn je“, erklärt Brunner.
Dabei fräst der Stäubli-Sechsachser die Rinde der ungleichmäßig geformten Käselaibe dank 3D-Bahnverfolgung sehr genau ab. Das Beste dabei: Mit einer Taktzeit von rund zwei Minuten pro Laib ist der TX2-90 he etwa fünfmal so schnell wie die manuelle Bearbeitung. Das Bestreichen der kleineren Sennkäselaibe erfolgt sogar im 20-Sekunden-Takt. Das sind rund 600 Kilogramm in der Stunde. Und im Unterschied zum Mitarbeiter kommt der Roboter ohne Erholungspausen aus.
Hygieneanforderungen perfekt erfüllt
Die im Lebensmittelbereich ohnehin hohen Anforderungen werden in Käsereien noch getoppt, denn hier kommen gezielt Bakterien und Keime zum Einsatz. Die Anlagenreinigung bei Plangger erfolgt deshalb mit fettlösenden, alkalischen und mit Milchstein-lösenden sauren Mitteln sowie mit 55 Grad heißem Wasser. Die Roboterzelle, die den mehrmals wöchentlich notwendigen Reinigungsprozeduren standhalten muss, wurde von der Firma Dessl Maschinenbau im österreichischen Schwaz unter Beachtung geltender Hygienestandards realisiert.
„Beide Aufgabenstellungen, der gleichmäßige Abtrag der äußeren Schicht per Fräser sowie das Bestreichen mit einer Gewürzmischung, verursachen starke Verunreinigungen. Deshalb bildete die optimale Reinigung einen wesentlichen Faktor für das Anlagenkonzept“, bestätigt Julian Bstieler, technischer Leiter bei Dessl Maschinenbau. „Die Stäubli-Sechsachser in HE-Bauart sind HACCP-konform und mit ihrem Hygienekonzept einzigartig, denn sie kommen auch unter starker Feuchtigkeitsbeaufschlagung ohne zusätzlichen Schutzanzug aus. Deshalb sind die Roboter in Kombination mit lebensmittelverträglichem H1-Öl für den Einsatz mit direktem Lebensmittelkontakt alternativlos. In Anlagen für Käsereien setzen wir daher schon seit Jahren ausschließlich diesen Robotertyp ein.“
Rudolf Staffler, Regionalvertriebsleiter bei Stäubli Tec-Systems, liefert die technische Erklärung für das Hygienekonzept: „Grundsätzlich verfügen Stäubli-Roboter über ein gekapseltes, besonders gut geschütztes Gehäuse mit innenliegenden Versorgungsleitungen. Stäubli-Roboter in HE-Ausführung sind überdies kompromisslos nach HACCP-Standard ausgelegt. Sie verfügen über eine besonders resistente Oberfläche sowie über die Möglichkeit zur Druckbeaufschlagung des Gehäuses. Dieser leichte Überdruck verhindert effektiv das Eindringen von Wasser und Reinigungsmittel. Waschen und Spülen mit fließendem Wasser ist also völlig unproblematisch für diese Roboter.“
Auf den Käselaib geschneidert
Auch der Gesamtaufbau der Zelle folgt dem Prinzip möglichst einfacher Reinigung: Die Zelle wurde ausreichend groß dimensioniert, sodass ein Mitarbeiter bequem von innen arbeiten kann. Alle Kabelzuführungen des hängend montierten Roboters befinden sich außerhalb der Zelle. „Nur die Stromversorgung für die elektrische Frässpindel an der Roboterhand mussten wir außen verlegen. Des Weiteren haben wir – mit Ausnahme des Vermessungslasers – innerhalb der Zelle auf empfindliche Sensorik verzichtet. Das äußert sich seit der Inbetriebnahme der Anlage im März 2020 in hoher Verfügbarkeit“, berichtet Bstieler.
Für den ersten Prozessschritt, das Abfräsen der Käselaibe oben und seitlich, werden die Käselaibe automatisiert vom Band gegriffen und auf einem Drehteller mit Vakuumsauger abgelegt. Der Einsatz des Roboters beginnt stets mit der Laservermessung des Laibs, denn kein Laib ist vollkommen gleichförmig, und keiner gleicht dem anderen. Dann zieht der Fräser seine Bahnen. Dabei gleicht die Stäubli-Steuerung den Abstand des Werkzeugs zur Oberfläche in Echtzeit aus.
Für die Bearbeitung der Unterseite wird der Käselaib von der Handlingseinheit wieder zentriert gegriffen, geschwenkt und auf dem zweiten Drehteller abgelegt. Der Laservermessung folgen die Bearbeitung und das Greifen sowie Ablegen auf dem abführenden Förderband.
Dreidimensionale Bahnverfolgung
„Im Vergleich zur manuellen Bearbeitung erzielen wir mit dem Fräsen per Roboter einen wesentlich gleichmäßigeren Abtrag, sprich weniger Abfall“, freut sich Käsemeister Brunner. Entscheidend hierfür ist die genaue dreidimensionale Bahnverfolgung während des Fräsvorgangs. Der Funktion des Abstandlasers am Roboterarm und der Steifigkeit des Sechsachsers kommt hier besondere Bedeutung zu.
Eine Herausforderung für die Anlagenbauer war die Sensorik. „Der Laser darf während des Bearbeitungsprozesses nicht verschmutzen. Außerdem dürfen auf dem Laib keine Späne liegen bleiben, denn diese würden die Abstandsmessung verfälschen und somit die Frästiefe verändern. Deshalb war die Eigenentwicklung eines Fräsers mit definierten Flanken für den Auswurf besonders zeitintensiv“, blickt Julian Bstieler zurück.
In der messbaren Gesamtbilanz der Anlage schlagen der minimierte Materialabtrag und die kurze Taktzeit besonders positiv zu Buche. „Unser ursprüngliches Anliegen, die Entrindung zu automatisieren, ist damit ein voller Erfolg“, berichtet der Firmenchef Reinhard Brunner.
„Darüber hinaus haben wir schon in der Entwicklungsphase gesehen, dass die Anlage sehr flexibel auch andere Jobs übernehmen kann. So hat die Firma Dessl Maschinenbau mit dem Bestreichen der Sennkäselaibe auch gleich eine zweite Applikation für uns umgesetzt.“ Die Umrüstzeiten halten sich mit etwa zehn Minuten in Grenzen und sind im Wesentlichen dem Wechsel der Greifer und Vakuumteller auf die kleineren Käsedurchmesser geschuldet. Da der Fräskopf fest am Roboterarm montiert ist, wird dem Roboter lediglich ein Pinsel „in die Hand gedrückt“.
Dann erledigt der Stäubli TX2-90 he auch diesen unangenehmen Job ohne Klagen. Bei rund 20 Sekunden Taktzeit gehen zwar immer ein paar Spritzer daneben. Aber dafür gibt es ja die regelmäßigen Reinigungsläufe. (RNF)
INFO-BOX
Über Stäubli Robotics
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