Mit voller Ladung in die Zukunft

NEW BUSINESS Guides - UMWELTTECHNIK- & ENERGIE-GUIDE 2018/19
Energiespeicher ermöglichen die Transformation der Energieformen über Sektorgrenzen – Strom, Wärme, Mobilität – hinweg, zeitlich unabhängig von Energie­angebot und -nachfrage. © Chevanon/Freepik

Energiespeicher als Schlüsselkomponente der Energiewende

Energiespeicher spielen eine tragende Rolle im zukünftigen, erneuerbaren Energie- und Mobilitätssystem und leisten einen wesentlichen Beitrag zur weltweiten ­Dekarbonisierung. Wenig Wunder also, dass sie auch im Rahmen der öster­reichischen Klima- und Energiestrategie #mission2030 grundlegend sind. Doch wie weit ist die technologische Entwicklung in diesem Bereich eigentlich?

Energie ist in heimischen Gefilden ein kostbares Gut. Die Umsetzung der Energie­wende ist dementsprechend eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Mit der Ausweitung von fluktuierender Erzeugung, wie durch Solaranlagen und Windkraft, steige zugleich „der Bedarf und Aufwand eines Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage“, betonen die Autoren der Techno­logie-Roadmap „Energiespeichersysteme in und aus Österreich“.
So verwundert es wenig, dass Speichertechnolo­gien in der österreichischen Klima- und Energiestrategie #mission2030 ein zentrales Thema sind. Erst vor Kurzem wurden zehn Handlungsfelder definiert, welche die weitere Entwicklung und Anwendung von innovativen Speichersystemen made in Austria forcieren sollen. Technologie­minister Norbert Hofer zeigt sich daher auch überzeugt, dass der Wirtschaftsstandort Österreich von der Energiewende profitieren kann: „Wir müssen unsere Position als internationaler Player bei innovativen Technologien festigen. Dazu gehören die Schaffung von Forschungsinfrastruktur, der Bau von Pilotanlagen, die Förderung der Akzeptanz von innovativen Speichertechnologien in der Bevölkerung sowie die Unterstützung von Unternehmen bei der Markteinführung.“
Für die Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds Theresia Vogel ist der Umsetzungsplan zur Technologie-Roadmap „Energiespeichersysteme in und aus Österreich“ ein weiterer Meilenstein, um die Transformation des Energie- und Mobilitätssystems konsequent voranzutreiben. „Energiespeicher sind die Schlüsselkomponente der Energiewende. Nur durch sie wird die Transformation der Energieformen über Sektor­grenzen – Strom, Wärme, Mobilität – hinweg zeitlich unabhängig von Energieangebot und -nachfrage möglich. Der Klima- und Energiefonds bringt dabei sein umfassendes Know-how ein – immerhin haben wir seit 2007 bereits 109 Speicherforschungsprojekte unterstützt.“

Überschussenergie nutzen
An der Weiterentwicklung der Speichertechno­logien wird dementsprechend mit Hochdruck geforscht. Etwa durch die Montanuniversität Leoben. Diese arbeitet mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft an neuen Speichermöglichkeiten für Überschussenergie aus stark schwankenden, regenerativen Energiequellen.
Während konventionelle Power-to-Gas-Systeme auf der Elektrolyse von Wasser mit optional folgendem Methanisierungsschritt basieren, ist das Ziel der Forschung, die relativ junge Technologie der Ko-Elektrolyse von CO₂ und H₂O in Festoxidzellen (SOECs) mit der katalytischen Methanisierung zu verbinden. Das FFG-Leitprojekt „HYDROMETHA“ verbindet die Hochtemperaturelektrolyse von Kohlendioxid und Wasser mit der katalytischen Methanisierung zur Erreichung eines hohen elektrischen Gesamtwirkungsgrads. Mit Erhöhung des Anteils an Strom aus stark schwankenden, regenerativen Energiequellen wie Wind- und Solarenergie ist ein dringender Bedarf an der Speicherung von Überschussenergie gegeben, die mit den heutigen Energiesystemen in nur sehr eingeschränktem Ausmaß möglich ist. Mittels Power-to-Gas-Verfahren kann erneuerbarer Strom in Form von chemischen Energieträgern, typischerweise Wasserstoff oder Methan, gespeichert werden. Diese können als CO₂-neutraler Brennstoff verwendet oder bei Bedarf wieder rückverstromt werden. Ein wesentlicher Vorteil von Methan gegenüber Wasserstoff liegt laut den beteiligten Forschern unter anderem in der bereits großflächig verfügbaren Infrastruktur, da Methan ohne Einschränkungen in das bestehende Erdgasnetz gespeist, in gasbefeuerten Kraftwerken verstromt sowie in Erdgasfahrzeugen als Treibstoff verwendet werden kann.

Kerntechnologien Ko-Elektrolyse und Methanisierung
Vonseiten der Montanuniversität Leoben sind an dem Projekt der Lehrstuhl für Physikalische Chemie und der Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes beteiligt. Weitere Projektpartner unter der Projektleitung der AVL List GmbH sind das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), das Energieinstitut an der JKU Linz und die Prozess Optimal CAP GmbH. Im Einzelnen sollen die beiden Kerntechnologien Ko-Elektrolyse und Methanisierung in einem Zehn-kWel-Gesamt­system als Funktionsträger gekoppelt und expe­rimentell auf Systemebene auf dem Prüfstand validiert werden.
Doch auch anderweitig wird an der Effizienz von Speichern gearbeitet. So haben Forscher kürzlich ein integriertes System aus Solarzelle und Redox-Flow-Batterie vorgestellt, das 14,1 Prozent des einfallenden Sonnenlichts jederzeit zu nutzbarem Strom macht. „Das ist der höchste gemeldete Wert für ein integriertes solarelektrisches und Akkusystem“, erklärt Song Jin, Chemieprofessor an der University of Wisconsin-Madison. Solche Lösungen könnten die Nutzung von Solarenergie insbesondere abseits des Stromnetzes vorantreiben, indem diese dann leichter nutzbar wird, wenn auch Bedarf besteht.

Solarstrom effizient nutzen
Das Grundproblem an Solarstrom ist, dass die Gewinnung bei Tag und Schönwetter erfolgt. Also eigentlich dann, wenn der Bedarf nicht so groß ist. Denn dieser steigt am Abend und an düsteren Tagen schon allein wegen der Beleuchtung an. Es bedarf also eines Stromspeichers. „Im Vergleich zu getrennter Solarenergieumwandlung und elektrochemischen Energiespeichern könnte die Kombination der Funktionen in einem einzelnen, inte­grierten Gerät ein effizienterer, skalierbarerer, kompakterer und kosteneffizienterer Zugang zur Solarenergienutzung sein“, so Jin. Ein solches Kombigerät sei die neue Solar-Flow-Batterie.
Diese nutzt eine hocheffiziente Solarzelle, die der Elektrotechnikprofessor Jr-Hau He von der King Abdullah University of Science and Technology bereitgestellt hat, und verbindet sie mit einer Redox-Flow-Batterie. Die Solar-Flow-Batterie kann so entweder direkt als Solarzelle genutzt werden, ihren elektrochemischen Speicher aufladen oder bei Bedarf aus dem Zwischenspeicher Strom liefern. Die 14,1 Prozent Effizienz beziehen sich darauf, wie viel des Sonnenlichts letztendlich auch bei Nacht genutzt werden kann. Der Wert ist zwar deutlich geringer als die Wandlungs­effizienz guter Solarzellen – berücksichtigt aber im Gegensatz dazu die Verluste durch das Zwischenspeichern.
Solche Speicherverluste sind auch dann unvermeidbar, wenn Solarzelle und Akku getrennte Systeme sind. Beim integrierten System sollten sie sich aber besser reduzieren lassen. Jin zufolge ergibt sich derzeit ein guter Teil des Speicherverlusts dadurch, dass die von der Solarzelle gelieferte Spannung nicht jener entspricht, welche die Flow-Batterie zum Laden braucht. „Wenn die beiden Spannungen besser zueinanderpassen, sollte dadurch die Gesamteffizienz deutlich steigen.“ Denkbar sei Jin zufolge, das ineffizientere, aber merklich billigere Solarzellen besser zur Flow-Batterie passen und somit letztendlich kostengünstiger eine immer noch hohe Effizienz ­ermöglichen.

Flexibler einsetzbare Systeme
Die Technologie könnte zunächst insbesondere abseits des Stromnetzes interessant sein, wo ein Solarstromüberschuss bei Tag nicht verwertet werden und bei Nacht anderweitig Strom erzeugt werden muss. In Anwendungen mit Netzanbindung wiederum wären die Systeme noch flexibler einsetzbar, denn der Speicher könnte auch mit einem Stromüberschuss aus dem Netz geladen werden.
Mit dem Kooperationsprojekt „ModulHeatStore“ setzten sich die Unternehmen Hülsenbusch Apparatebau GmbH & Co. KG, die GIWEP Gesellschaft für industrielle Wärme, Energie- und Prozesstechnik mbH sowie die OWI Oel-Waerme-Institut gGmbH und das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Material­forschung IFAM, Institutsteil Dresden zum Ziel, einen modular aufgebauten Wärmespeicher mit einer intelligenten Thermoprozesssteuerung zur energetischen Nutzung industrieller Abwärme für Temperaturen von mehr als 1.000 Grad Celsius zu entwickeln und zu erproben.
Industrielle Abwärme fällt in einer Vielzahl von Industrieprozessen als Nebenprodukt an und wird derzeit oft ungenutzt an die Umgebung ­ab­ge­geben. Der Anteil der industriellen Abwärme des verarbeitenden Gewerbes wird auf mehr als ein Drittel geschätzt. Dies gilt besonders für Hochtemperaturprozesse von mehr als 1.000 Grad Celsius. Überdies stellen die mit der Energiebereitstellung einhergehenden CO₂-Emissionen eine große Belastung für die Umwelt dar. Die Abwärme kann sinnvoll zur Beheizung anderer Prozesse sowie zur Strom- oder Drucklufterzeugung genutzt werden. Neben den wirtschaftlichen Faktoren rücken auch die Umweltaspekte immer mehr in den Vor­dergrund, und es werden dementsprechende ­Vorschriften zur effizienten Energienutzung ­erlassen.
Für Industrieunternehmen besteht daher nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht ein Anreiz, eine Effizienzsteigerung der Anlagen zu erreichen. In der Industrie wird bereits häufig die direkte ­Wiedereinkopplung der Abwärme genutzt. Jedoch besteht bei vielen Prozessen eine zeitliche Diskrepanz zwischen der Verfügbarkeit der Abwärme und dem Bedarf an Wärme beziehungsweise elektrischer Energie. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Abwärme über definierte Zeit­räume möglichst verlustarm zu speichern und bedarfsgerecht wieder abzugeben, um damit nachfolgende Prozessschritte mit Wärme und Strom zu versorgen.

Nachgeschaltete Prozesse profitieren
Für eine bedarfsgerechte und flexible Bereit­stellung von Wärme und Strom entwickeln die Projektpartner nun einen modular aufgebauten Wärmespeicher mit unterschiedlichen Tem­pe­ra­tur­­ebenen und Speichermaterialien sowie einer intelligenten Thermoprozesssteuerung. Dieser bietet eine effiziente und wirtschaftliche Möglichkeit, industrielle Abwärme auch bei Temperaturen über 1.000 Grad Celsius zu speichern und zielgerichtet wieder abzugeben. Mit der geplanten Speicherentwicklung soll das ­Abwärmeaufkommen zeitlich entkoppelt genutzt und so die Effizienz nachgeschalteter Prozesse produzierender Unternehmen gesteigert werden, um eine höhere Wirtschaftlichkeit zu erzielen.
Durch die Kombination unterschiedlicher Speichermaterialien in den ­Einzelmodulen wird es ermöglicht, auf unterschiedlichen Temperatur­niveaus vorliegende Abwärmeströme zum ent­sprechenden Modul zu leiten und bei einer angepassten und, im Sinne der effizienten Nutzung, möglichst hohen Temperatur zu speichern. Durch den modularen Aufbau und die intelligente Thermoprozesssteuerung wird der Wärmespeicher optimal und flexibel auf verschiedene Prozess­bedingungen eingestellt, bei denen die Abwärmetemperaturen oder die Abgasvolumenströme schwanken oder die Abwärmeströme zyklisch variieren.
„Neben der Nutzbarmachung von industrieller Abwärme bei sehr hohen Temperaturen und einem hohen Wirkungsgrad sind der flexible Einsatz durch den modularen Aufbau und besonders der vergleichsweise kostengünstige Preis des Speichers die größten Vorteile des Wärmespeichers“, unterstreicht Wolfgang Bender von der Hülsenbusch Apparatebau GmbH & Co. KG. Die Idee zum Projekt „ModulHeatStore“ sei im Rahmen des Technologienetzwerks „ENSTOR: Energy Storage Network“ entstanden. (TM)
www.klimafonds.gv.at
www.energieforschung.at
www.wisc.edu
www.unileoben.ac.at
www.enstor.net