Erneuerbare Energiequellen bleiben wettbewerbsfähig, obwohl sich die Preise für fossile Brennstoffe wieder dem historischen Niveau annähern. © Adobe Stock/WD Stock Photos
Trotz des weiterhin starken Ausbaus der erneuerbaren Energiequellen weltweit und der konstant sinkenden Kosten reichen die Anstrengungen noch nicht, um die für 2030 gesetzten Ziele zu erreichen.
Die Energiewende ist in vollem Gange. Die Dächer von Häusern und Hallen werden allerorts zu Photovoltaikkraftwerken aufgerüstet, Windräder sprießen wie Pilze aus dem Boden – zumindest, wenn sie erst einmal genehmigt werden. Erneuerbare Energiequellen sind auf dem Vormarsch, nicht zuletzt in Österreich. „Aufgrund des gesunkenen Inlandstromverbrauchs und der gleichzeitig gestiegenen Bruttostromerzeugung konnten im Jahr 2023 92 Prozent des Inlandstromverbrauchs durch erneuerbaren Strom gedeckt werden“, vermeldete etwa kürzlich der Vorstand der E-Control, Alfons Haber. Die installierte Leistung von Erneuerbaren konnte bis Ende 2023 verglichen mit 2020 um 5.209 Megawatt (MW) gesteigert werden, wobei auch die erzeugten Mengen in diesem Zeitraum um 832 Gigawattstunden (GWh) stiegen.
Erneuerbare bleiben wettbewerbsfähig
Auch außerhalb der rot-weiß-roten Grenzen ist die Marschrichtung klar, was sicher zu einem nicht unwesentlichen Teil auf die attraktive Kostenstruktur zurückzuführen ist. Denn die erneuerbaren Energiequellen bleiben wettbewerbsfähig, obwohl sich die Preise für fossile Brennstoffe wieder dem historischen Niveau annähern. Zu diesem Schluss kommt der von der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) auf dem Weltgipfel für erneuerbare Energien anlässlich der UN-Vollversammlung in New York Ende September veröffentlichte Bericht „Renewable Power Generation Costs in 2023“.
Von den im Jahr 2023 zugebauten rekordverdächtigen 473 Gigawatt (GW) hatten 81 Prozent oder 382 GW der neu in Betrieb genommenen Großprojekte für erneuerbare Energien geringere Kosten als ihre mit fossilen Brennstoffen betriebenen Alternativen. Der IRENA-Bericht zeigt, dass die sozioökonomischen und ökologischen Vorteile des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen nach Jahrzehnten sinkender Kosten und verbesserter Technologien, insbesondere für Solar- und Windenergie, nunmehr besonders überzeugend sind. Nach dem spektakulären Rückgang der Kosten auf rund vier US-Cent pro Kilowattstunde in nur einem Jahr lagen die Kosten der Photovoltaik im Jahr 2023 weltweit um 56 Prozent unter denen der fossilen oder nuklearen Optionen. Insgesamt wurden durch die seit 2000 weltweit erschlossenen erneuerbaren Energiequellen im Stromsektor bis zu 409 Milliarden US-Dollar an Brennstoffkosten eingespart.
Im Detail: 2023 sanken die weltweit gewichteten Durchschnittskosten für Strom aus neu in Betrieb genommenen Anlagen mit erneuerbaren Energiequellen bei den meisten Technologien, und zwar bei Photovoltaik (PV) um zwölf Prozent, bei Onshore-Windkraft um drei Prozent, bei Offshore-Windkraft um sieben Prozent, bei Solarthermie (CSP) um vier Prozent und bei Wasserkraft um sieben Prozent.
Preise können nicht mehr als Ausrede dienen
Francesco La Camera, Generaldirektor von IRENA, ist überzeugt: „Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bleibt im Vergleich zu fossilen Brennstoffen wettbewerbsfähig. Die positive Dynamik der langfristigen Förderpolitik hat den erneuerbaren Energiequellen Auftrieb gegeben. Im Gegenzug hat das Wachstum zu technologischen Verbesserungen und Kostensenkungen geführt. Die Preise für erneuerbare Energien können nicht mehr als Ausrede dienen, im Gegenteil. Der Rekordzubau bei erneuerbaren Energien im Jahr 2023 verdeutlicht dies. Die niedrigen Kosten für erneuerbare Energien sind ein entscheidender Anreiz, um die Ambitionen deutlich zu steigern und die Stromerzeugungskapazitäten aus Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen, wie von IRENA vorgeschlagen und durch den VAE-Konsens auf der COP28 festgelegt.“
Auf der COP28 in Dubai stimmten 198 Parteien zu, das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten und eine neue Ära ehrgeiziger Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten. Zur Erreichung des dafür notwendigen Ziels einer Verdreifachung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien müssen die weltweiten Kapazitäten aus erneuerbaren Energiequellen bis 2030 11,2 Terawatt (TW) erreichen, wofür bis 2030 jährlich durchschnittlich 1.044 GW an neuen Kapazitäten hinzukommen müssen. Allein 8,5 TW davon würden laut dem World Energy Transitions Outlook von IRENA aus Photovoltaik und Onshore-Windkraft stammen. Vor allem muss das Ziel der Verdreifachung mit wichtigen Maßnahmen zur Förderung der Energiewende einhergehen, wie z. B. für die Speicherung von Energie. Die Kosten für Batteriespeicherkraftwerke sind zwischen 2010 und 2023 um 89 Prozent gesunken, was die Aufnahme eines hohen Anteils an Solar- und Windkraftkapazitäten erleichtert und zur Bewältigung der Herausforderungen der Netzinfrastruktur beiträgt.
La Camera weiter: „In den kommenden Jahren wird ein bemerkenswertes Wachstum bei allen erneuerbaren Energiequellen erwartet, was den Ländern große wirtschaftliche Chancen eröffnet. Unsere Analyse zeigt, dass die Photovoltaik und die Onshore-Windkraft den größten Beitrag zur Verdreifachung der erneuerbaren Energien leisten werden. Die geringen Kosten für erneuerbare Energien auf dem Weltmarkt eröffnen den politischen Entscheidungsträgern eine unmittelbare Möglichkeit zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, zur Begrenzung der wirtschaftlichen und sozialen Schäden der CO₂-intensiven Energienutzung, zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und zur Nutzung der Vorteile der Energiesicherheit.“
Gut ist nicht gut genug
Alles in allem klingt das schon ziemlich gut. Aber noch nicht gut genug. Etwas später, im Oktober, veröffentlichte die IRENA nämlich neue Zahlen, nach denen das bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr vereinbarte Ziel zur Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 deutlich verfehlt wird. Die installierte Erzeugungskapazität müsste von aktuell 3.900 GW auf 11.200 GW wachsen. Mit derzeitigen nationalen Plänen würde das globale Ausbauziel demnach um 34 Prozent verfehlt, also um mehr als ein Drittel. Die jährlichen Investitionen in erneuerbare Energien müssten zur Erreichung des gesteckten Ziels verdreifacht werden, von einem neuen Rekordwert von 570 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 auf 1,5 Billionen US-Dollar jährlich zwischen 2024 und 2030.
Schon bald, vom 11. bis 22. November, ist Aserbaidschan Gastgeber des nächsten UN-Klimagipfels, der COP29. Dann werden in Baku neuerlich die Staats- und Regierungschefs der Welt zusammenkommen, um eine erneuerte Vision zur Beschleunigung des Klimaschutzes zu präsentieren – auch auf Basis der jüngsten Erkenntnisse. Entsprechend mahnt auch IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera: „Die im VAE-Konsens festgelegten globalen Ziele, die Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen und die jährliche Verbesserung der Energieeffizienz zu verdoppeln, sind nicht nur Benchmarks – sie sind wesentliche Voraussetzungen für alle globalen Bemühungen, 1,5 Grad Celsius zu erreichen und nachhaltigen Wohlstand für alle zu fördern. Die Chance ist da, aber wir brauchen mehr Nationen, die sich dieser Aufgabe stellen, indem sie spezifische Ziele für erneuerbare Energien und Infrastruktur in ihre kommenden NDCs (Nationally Determined Contributions) aufnehmen, private Investitionen fördern und die Entwicklung und Umsetzung von Projekten erleichtern. Wir müssen größer denken, mutiger handeln – und gemeinsam schneller auf unserem Weg zur Energiewende vorankommen.“ (RNF)
INFO-BOX
Über die Internationale Agentur für erneuerbare Energien (IRENA)
Der globalen Energieagentur IRENA gehören 169 Länder und die EU an, 14 weitere Länder sind Beitrittskandidaten. Die Agentur stellt Wissen, technischen Beistand und Hilfe beim Aufbau von Kapazitäten sowie Projekt- und Investitionsförderung zur Verfügung. Sie ermöglicht internationale Zusammenarbeit und Partnerschaften gegen den Klimawandel und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, des Zugangs zu Energie, der Energiesicherheit sowie resilienter Volkswirtschaften und Gesellschaften.
www.irena.org