„Der Wartungsassistent ermöglicht uns, Fehler zu beheben, bevor sie überhaupt auftreten“, sagt Dr. Heiko Stichweh, Abteilungsleiter Innovation bei Lenze (links), der die Lösung zusammen mit Maximilian Bause vom Fraunhofer IEM entwickelt hat. © Fraunhofer IEM
Automatisierte Lagersysteme sind eines der Steckenpferde des Automatisierungsspezialisten Lenze.
Zusammen mit dem Fraunhofer IEM entwickelte Lenze einen KI-basierten Wartungsassistenten und kann die Reparatur und Instandhaltung seiner Hochregallager nun effizient und gezielt einplanen.
Leistungsfähige Antriebe und eine ausgeklügelte Steuerung der Transportsysteme: Damit ermöglicht Lenze die automatisierte Bestückung und Entnahme in seinen Hochregallagern bei bis zu 25.000 Warenbewegungen pro Tag. Die Wartung dieser komplexen Systeme ist ebenso wichtig wie aufwendig. Fällt eine Maschine aus, kommt der gesamte Prozess ins Stocken. Je nachdem, wie schnell ein Fehler gefunden und behoben wird, kann der Stillstand im Lager mehrere Tage dauern – und enorme Kosten verursachen.
Reparaturen gezielt einplanen
Um Ausfallzeiten zu vermeiden, setzt Lenze mit Hilfe des Fraunhofer IEM auf einen KI-basierten Wartungsassistenten: Ein Machine-Learning-Algorithmus deckt zum einen kritische Zustände auf, die ein unmittelbares Eingreifen erfordern. Zum anderen erkennt und lokalisiert er entstehende Defekte oder zunehmenden Verschleiß an Komponenten, noch bevor sich Auswirkungen für den Lagerbetrieb ergeben. Wenn beispielsweise die Führungs- oder Antriebsräder der Regalbediengeräte stark abgenutzt sind, erkennt der Wartungsassistent den drohenden Ausfall rechtzeitig und kann die betroffene Stelle lokalisieren.
Die Mitarbeiter:innen können dann gezielt den Austausch der Räder einplanen – abhängig von Faktoren wie Arbeitsplänen, Lieferfristen oder Ersatzteillieferungen. „Der Wartungsassistent unterstützt das Team der Wartung und Instandsetzung dabei, Fehler zu beheben, bevor sie überhaupt auftreten. So planen wir Reparaturen und Austausche an unseren Maschinen künftig systematisch in laufende Prozesse ein. Das erhöht die Verfügbarkeit unserer Anlagen und damit ihre Wirtschaftlichkeit“, sagt Heiko Stichweh, Abteilungsleiter Innovation bei Lenze.
Mit wenig Aufwand nachrüsten
Das besondere an der Lösung: Der Wartungsassistent zieht seine Informationen aus der bestehenden Sensorüberwachung der Antriebsmotoren. Die Motoren fungieren als Schnittstellen zwischen den Maschinen und dem Wartungsassistenten. Läuft im Gesamtsystem etwas unrund, wird in den Motordaten eine Abweichung vom Normalzustand detektiert.
„Wir haben unsere Algorithmen so ausgelegt und trainiert, dass sie fähig sind, jegliche Zustandsveränderungen zu erkennen und zu verorten“, erläutert Maximilian Bause, Machine-Learning-Experte am Fraunhofer IEM. Kunden von Lenze, die den intelligenten Wartungsassistenten einsetzen möchten, können also auf bestehende Sensorik zurückgreifen. Das ermöglicht eine aufwandsarme und damit kostengünstige Integration der Lösung.
Entwicklungsteam setzt auf Embedded und Edge Devices
Bei der Entwicklung des KI-Wartungsassistenten profitierte das Projektteam von der guten Datenqualität der Lenze-Maschinen: „Unsere Antriebsdaten haben eine sehr hohe Qualität durch geringes Rauschen bei hochfrequenter und hochauflösender Abtastung. Das erleichtert zielgerichtete Analysen zur Überwachung verschiedener, prozesskritischer Komponenten – auch solcher, die nicht mit dem Motor verbunden sind“, erklärt Simon Michalke, Innovationsmanager im Dock One, dem digitalen Innovationslabor von Lenze.
Die Herausforderung: Die Verarbeitung dieser großen Datenmengen ist ressourcenintensiv und verbraucht viel Energie. Deshalb fand das Projektteam mit Embedded und Edge Devices bewusst eine Alternative zur Cloud. Die Daten können so bei Bedarf in unmittelbarer Maschinennähe verarbeitet werden. Das verringert Latenzen und erhöht die Datensicherheit.
Wartungsassistent Vielseitig einsetzbar
Aktuell integriert Lenze den Wartungsassistenten in die eigene Lagerlogistik des Mechatronic Competence Campus in Extertal. So kann das Unternehmen Trainingsdaten zu Störungen, Ausfällen und Verschleiß erfassen und die Predictive-Maintenance-Lösung immer weiter optimieren.
Lenze plant, den Wartungsassistenten serienmäßig in seine Softwareprodukte zu integrieren – und so für viele Anwendungsfälle in der Automatisierungsbranche verfügbar zu machen. Durch die Flexibilität der Lösung ist eine Übertragung in weitere antriebstechnische Anwendungen denkbar.
Predictive-Maintenance-Lösung für den kleinen Geldbeutel
Obwohl Predictive Maintenance großes Potenzial hat, fällt es vielen Unternehmen schwer, sich für eine Investition in die Technologien zu entscheiden. Der Aufwand ist oft hoch, der Nutzen vorab schwer in Zahlen zu fassen. Deshalb entsteht am Fraunhofer IEM eine intelligente Wartungsplanung, die Unternehmen aufwandsarm und kostengünstig einsetzen können.
„Nach dem Retrofit-Prinzip entwickeln wir die Lösung exemplarisch anhand einer alten Industriesäge. Eine Lowcost-Sensorik nimmt Zeitreihendaten auf und überträgt diese an eine Cloud. Anschließend erfolgt eine automatische Anpassung und Optimierung KI-basierter Algorithmen, die den Zustand des Sägeblattes überwachen und Handlungsempfehlungen ausgeben“, erläutert Maximilian Bause. Die intelligente Wartungsplanung können Unternehmen ab Sommer 2024 mit dem Fraunhofer IEM an eigenen Anwendungsfällen umsetzen. (BO)