Mit Industrie 4.0 entstand ein neuer, unverbrauchter Begriff, der als Träger dienen konnte und sich voll durchgesetzt hat. © Freepik
Industrie 4.0 ist in aller Munde, dennoch herrscht so manches Missverständnis in Bezug auf den Trend. Etwa, wenn Industrie 4.0 mit Digitalisierung und Marketing in einen Topf geworfen wird.
Um das Schlagwort „Industrie 4.0“ kommt heute kaum ein produzierendes Unternehmen herum – und ein Ende des Trends ist noch längst nicht abzusehen. Egal ob auf Seiten der Hersteller oder auch in den Medien – Industrie 4.0 scheint allgegenwärtig. Allerdings hätten sich, verweist der Automatisierungsexperte Udo Traussnigg, seines Zeichens Studiengangsleiter Automatisierungstechnik der FH CAMPUS 02 in Graz, einige Missverständnisse in Bezug auf das Thema eingeschlichen.
Etwa wenn es darum geht, ob Industrie 4.0 nur ein Schlagwort von Marketingstrategen sei. Streng historisch betrachtet wurde der Begriff ursprünglich von der Deutschen Bundesregierung als Schlagwort kreiert. „Industrie 4.0 hat aber sehr wohl Substanz, Hintergrund und Strategie aufzuweisen“, betont Traussnigg. „Und geht damit weit übers reine Marketing hinaus. Mit Industrie 4.0 entstand ein neuer, unverbrauchter Begriff, der als Träger für die Medienarbeit dienen konnte und sich voll durchgesetzt hat. Und erst die so entstandene breite Aufmerksamkeit in Industrie, Öffentlichkeit und Politik hat den enormen Vorschub der dahinter stehenden Philosophie und Technologien ermöglicht.“ Industrie 4.0 sei also sehr wohl ein Marketingschlagwort – gleichzeitig aber auch „viel mehr“.
Industrie 4.0 und Digitalisierung gehen Hand in Hand
Auch dem Irrglauben, dass Industrie 4.0 und Digitalisierung nichts miteinander zu tun hätten, will der Fachmann entgegenwirken. „Im Zuge der intensiven Diskussion über das Thema Industrie 4.0 hat sich gezeigt, dass vieles, worüber gesprochen wurde, nicht nur die Industrie betraf“, erklärt Traussnigg. So sei schließlich der Begriff Digitalisierung geprägt worden, der sich allgemeiner und damit viel breiter und auch abseits der produzierenden Industrie anwenden lasse. „Industrie 4.0 und Digitalisierung gehen Hand in Hand“.
Ein anderes Problem sei, dass viele Entscheider glauben würden, dass Mitarbeiter automatisch auf den Industrie-4.0-Zug aufspringen würden. „Wenn das in Ihrem Unternehmen so ist: Herzliche Gratulation!“, kommentiert Traussnigg mit einem Augenzwinkern. Denn solche Unternehmen hätten es geschafft, Industrie 4.0 so gut in ihrer Strategie zu verankern, dass diese Philosophie tatsächlich gelebt werde. „Allen anderen Unternehmen, die die Hoffnung hegen, dass die Mitarbeiter auf den Zug aufspringen, ohne dass das Thema unternehmensstrategisch implementiert wurde, möchte ich hingegen prognostizieren: Das wird nicht passieren.“
Ebenfalls ein Irrtum sei die These, Industrie 4.0 koste mehr als sie bringe. Unternehmen, die vor derartigen Problemen stünden, müssten sich fragen, ob sie Industrie 4.0 richtig umgesetzt haben. „Unterm Strich muss Industrie 4.0 auch einen Mehrwert bringen“, unterstreicht Traussnigg. Dennoch gelte, dass Industrie 4.0 nicht „von selbst“ mehr bringe, als sie koste. Es komme immer darauf an, was daraus gemacht werde. „Die Herausforderung ist, wie man es schafft, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und so neue Märkte und Kunden zu finden. Schließlich geht es bei Industrie 4.0 nicht nur um Verbesserungen innerhalb der eigenen Produktion. Das wäre zu wenig weit gedacht.“
Größe spielt keine Rolle
Vielfach gehe auch der Mythos um, dass kleine Unternehmen von Industrie 4.0 nicht profitieren könnten. „Eindeutig nein. Industrie 4.0 – und mit ihr die Digitalisierung – macht vor keinem Unternehmen und auch vor keiner Branche halt“, zeigt sich Traussnigg sicher. Dennoch bestehe vielfach eine unterschiedliche Dynamik. „Manche Branchen setzen sich langsamer mit Industrie 4.0 auseinander, manche schneller. Das ändert aber nichts an der eingangs genannten Tatsache.“
Immer wieder ins Treffen geführt werde auch, dass die Technologie hinter Industrie 4.0 noch nicht ausgereift sei. Dem hält der Automatisierungsexperte entgegen, dass es „die einzelne Technologie“ nicht gibt. Daher müsse hier differenziert werden. So bestünden etwa im Bereich der Kommunikationstechnologien – abhängig vom geografischen Standort innerhalb Österreichs – durchaus noch Defizite. „Speziell im ländlichen Bereich kann nicht immer auf schnellstes Breitbandinternet zurückgegriffen werden. Und das wiederum schränkt die Möglichkeiten ein, Industrie-4.0-Technologien vollumfänglich zu nutzen.“ Eine weitere oft auftretende Hürde seien sowohl horizontale als auch vertikale Schnittstellen, vor allem innerhalb einer bestehenden Anlage, die es zu überwinden gelte. Stehe jedoch eine gute Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung und könnten beispielsweise bei einem neu errichteten Produktionswerk Schnittstellenprobleme vermieden werden, könnten ausgereifte Technologien, die hinter Industrie 4.0 stehen, eingesetzt werden.
Daten in großen Mengen verarbeiten
Wie Industrieunternehmen IoT-Projekte schnell und mit geringem Risiko umsetzen können, will der Business-Software-Anbieter IFS unter anderem auf der Hannover Messe 2018 zeigen. Im Mittelpunkt stehe dabei der „IoT Business Connector“, der in alle Systeme von IFS integriert sei und laut dem Unternehmen gezielt dafür entwickelt wurde, IoT-Projekte zu beschleunigen und ihre finanziellen Risiken zu senken. Dazu biete der Connector eine Plug-and-Play-Anbindung an die Microsoft „Azure IoT Suite“ und bringe offene API zur Verbindung mit anderen IoT-Plattformen mit. Damit könnten Industrieunternehmen große Datenmengen von Anlagen, Maschinen oder Geräten in der Cloud empfangen, verarbeiten und zur operativen Nutzung an die Systeme weiterreichen. Dort könnten mit den gewonnenen Erkenntnissen benutzerdefinierte, halbautomatische oder vollautomatisierte Workflows angestoßen werden, wie der Hersteller betont.
Auf diese Weise würden es „Applications“ und „Field Service Management“ nicht nur ermöglichen, effizientere Fertigungs-, Wartungs- und Serviceprozesse zu implementieren. Industrieunternehmen würden zudem auch bei der „Servitization“unterstützt, wie der Anbieter betont. Sie könnten ergänzende Services zu ihren Produkten anbieten oder sogar komplett serviceorientierte Geschäftsmodelle realisieren. Dazu würden etwa Geschäftsmodelle zählen, bei denen die Kunden von Industrieunternehmen keine Maschinen mehr kaufen, sondern lediglich für deren Nutzung beziehungsweise deren Output bezahlen. In Zeiten zunehmend umkämpfter Märkte werde die Differenzierung und Kundenbindung durch derartige Services immer wichtiger.
Auch N+P Informationssysteme GmbH (N+P) will beim Thema Industrie 4.0 helfen und anhand konkreter Beispiele zeigen, wie die Verknüpfung von realen und digitalen Daten zur Optimierung von Bestandsprozessen beiträgt. Zielstellung dabei sei die Steigerung der Produktivität sowie das Aufdecken von bisher unbekannten Potenzialen bis hin zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. Mit der Nutzung moderner IT-Lösungen lasse sich die Basis zur Erstellung eines digitalen Zwillings schaffen. Dieser sei Ausgangspunkt für mehr Fertigungstransparenz und die gleichzeitige Erhöhung der Produktivität. Durch die Verknüpfung verschiedener Systeme, wie beispielsweise CAD-, ERP- und MES-System, kann der Anlagenbetrieb nachhaltig verbessert werden, da Ausfall- und Stillstandzeiten verringert würden und der Mensch bei der Maschinenbedienung und -instandhaltung unterstützt werde. (TM)
www.nupis.de
www.campus02.at
www.ifsworld.com