Was Roncalli als weltweit erster Zirkus umsetzte, wird auch in Unternehmen immer populärer. © Circus Roncalli
Hologramme sind längst den Laborstuben und Spielecken entwachsen, entwickeln sich immer mehr zu einem vielfältigen, attraktiven und vor allem innovativen Marketinginstrument.
Der Elefant erscheint überdimensional und marschiert schnurstracks auf das Publikum zu. Keine Barriere ist sichtbar, um ihn zu stoppen. Dennoch bricht in der Manege des Circus Roncalli keine Panik aus. Impresario Bernhard Paul ließ in seinem Zirkus schon 2020 alle lebenden Tiere durch eine eindrucksvolle Hologramm-Herde ersetzen. Der wuchtige Dickhäuter ist der Star der animierten Besetzung. Im Zeitalter der Digitalisierung wirken die holografischen Animationsanimals auf viele Besucher vermutlich faszinierender als jedes lebende Tier, das präsentiert werden würde.
Zirkusrund und Werbebühne
Was Roncalli als weltweit erster Zirkus umsetzte, wird auch in Unternehmen immer populärer. Marketingbühne statt Zirkusrund, lautet die Devise: Hologramme als Werbe- und Service-Elemente. Auf Messen und Ausstellungen ziert schon das eine oder andere Firmenlogo als dreidimensionale Projektion die Stände von Unternehmen, flimmert sogar so manche Produktpräsentation in 3D über die Schauflächen. Doch so richtig Fahrt nimmt die Holografie als Marketinginstrument erst langsam auf.
Vesna, die virtuelle Geldbotin
Vesna hilft Kund:innen der Slovenská Sporitelna, der slowakischen Tochter der Erste Group, seit Juni 2022, ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Der Arbeitsplatz von Vesna liegt mitten in der Sporitelna-Filiale im Einkaufstempel Nivy Centrum am Stadtrand der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Klingt unspektakulär. Doch bei Vesna handelt es sich um den weltweit allerersten holografischen, virtuellen Assistenten – besser gesagt, die erste derartige Assistentin – der Bankenbranche.
Tatsächlich steckt hinter Vesna nichts anderes als der virtuelle Web-Chatbot der Bank. Zum „Leben erweckt“ und live in die Filiale gebracht wurde Vesna von der slowakischen, auf Videotechnik und Projektionen unterschiedlichster Art spezialisierten Firma Optio.
„Wir haben fast zwei Jahre gebraucht, um dieses Projekt zu entwickeln. Aber schon im ersten Monat beantwortete Vesna mehr als 10.000 Kundenfragen“, berichtet Matej Sulgan, CEO von Optio. „Das Besondere an Vesna ist nicht nur die technische Umsetzung, sondern dass für deren Realisierung verschiedene Elemente wie Text to Speech, Software und andere Systeme mit ihrer innovativsten Technik ineinandergreifen“, ergänzt Peter Petényi, Marketingexperte der Bank und Projektkoordinator.
150 verschiedene Bankservices
Wichtig war es vor allem, Vesna möglichst lebensecht wirken zu lassen, um eine Art emotionaler Bindung zwischen ihr und den Bankkund:innen zu schaffen. Zu Beginn wurde sie mit den 150 häufigsten Bank-Services programmiert. Im Lauf der Zeit wurde dieses Arbeitsspektrum immer wieder erweitert.
Für Vesnas Auftritt wurde anstelle einer zweidimensionalen Lösung über einen Bildschirm eine holografische 3D-Animation gewählt, die ursprünglich über eine 8-Einheiten-Wall des britischen Projektionsspezialisten HYPERVSN ausgespielt wurde. Doch Vesna darf sich auch auf diesem Gebiet über technische Weiterentwicklungen freuen. Gesteuert und damit auch befragt wird Vesna über einen simplen, Tablet-artigen Touchscreen im Foyer der Bank.
KI-Avatare im Hörsaal
Ein bisschen an Vesna erinnert ein seit Jahresbeginn 2024 laufendes Pilotprojekt der englischen Universität Loughborough, knapp 20 Kilometer nördlich der Stadt Leicester. Die Uni testet derzeit eine sogenannte Holobox, über die Dozent:innen aus aller Welt in die Hörsäle der Universität zugeschaltet werden sollen. Dafür werden von den Vortragenden mittels KI dreidimensionale Avatare hergestellt, die in einer Holobox dann im jeweiligen Hörsaal vor den Studierenden erscheinen. Sogar bereits längst verstorbene Wissenschaftler:innen könnten so für Vorträge wieder auf universitäre oder andere Bühnen zurückgeholt werden.
Die Holobox wurde von den US-Firmen Proto und Holoconnects entwickelt. Rein technisch gesehen handelt es sich bei dieser Technik allerdings um keine Hologramme, sondern um eine Projektion über ein Display. Die rund zwei Meter hohen KI-Boxen werden auch für Produkt- und Markenpräsentationen eingesetzt und sind vereinzelt bereits auf diversen Messen zu sehen.
3D-Porsches in Zürich
Porsche wiederum ließ zum 75-jährigen Jubiläum im Frühjahr 2023 eine ganze Flotte der eigenen Modelle in der Schweiz auffahren. Allerdings kurvten die sportlichen Flitzer nicht durch die Straßen Zürichs, wo die Geburtstagsaktion über die Bühne ging, sondern schwebten als Hologramme in deren Hauptbahnhof.
Um den dynamischen und innovativen Charakter der Marke zu unterstreichen, entwickelte der Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen gemeinsam mit der Agentur PHD Schweiz (Omnicom Media Group) und der Disturbed Media Group diesen holografischen Auftritt. Mittels Hologrammtechnik in Ultra-HD-8K-Bildqualität konnten die Passant:innen im Zürcher Bahnhof so in die Porsche-Welt eintauchen, „um den Pioniergeist der Marke“ zu erleben.
Der deutsche Büromöbelversandhändler Cairo wiederum testet seit Anfang 2024, ob sich seine Kundenberater:innen holografisch quasi an jeden beliebigen Ort „beamen“ lassen können, um dort persönliche Verkaufsgespräche zu führen, damit die Kunden nicht mehr in die Filialen kommen müssen.
Hochzeit mit einem Hologramm-Mann
Fix ist hingegen, dass die spanisch-niederländische Künstlerin Alicia Framis im Sommer ihren per KI geschaffenen Hologramm-Traummann AiLix in Rotterdam heiraten wird. Das erste „Hybrid couple“ der Welt. (ALS)