Martin Berger, Geschäftsführer von EPLAN in Österreich © EPLAN
Im Engineering wurden die vergangenen Monate auch dazu genutzt, Workflows zu optimieren und die Digitalisierung voranzutreiben. Das resultierte für EPLAN in hoher Nachfrage ...
... Eine deutliche Bestätigung des eingeschlagenen Kurses.
Die Unternehmensgeschichte von EPLAN ist in Österreich untrennbar mit einem Mann verbunden: Martin Berger. Er fing Mitte der 1980er-Jahre als autodidaktischer Anwender der Engineering-Software an, gründete 1996 die heimische Niederlassung und ist bis heute Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz bei Amstetten, das mittlerweile zur Friedhelm Loh Group gehört. NEW BUSINESS hat ihn – virtuell – in seinem Büro im 2019 bezogenen Technologiezentrum besucht, das sich EPLAN mit dem Partner Heitec sowie dem Schwesterunternehmen Cideon teilt.
Herr Berger, Sie haben Mitte der 1980er-Jahre ihren ersten Schaltplan auf dem Computer gezeichnet – bereits mit EPLAN. Hätten Sie sich damals vorstellen können, was sich in den darauffolgenden Jahren alles daraus entwickeln würde?
Dass es sich so entwickeln würde, hätte ich nicht gedacht. Es war der Beginn der Digitalisierung. Für unser neues Bürogebäude haben wir uns das Ziel gesetzt, zu zeigen, wie die Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten fortgeschritten ist. Gleich beim Eingang steht zum Beispiel ein altes Zeichenbrett, das wir für diesen Zweck besorgt haben. Ein richtig großes für A0-Pläne. Mit so einem Brett habe ich damals bei ELIN als Konstrukteur zu arbeiten begonnen. Erst hat man mir ein halbes Jahr die Basics beigebracht, die Planung eines Schaltplans usw., alles per Hand. Nach nicht ganz einem halben Jahr hat der Chef gesagt: „Herr Berger, dort drüben steht ganz vereinsamt ein Computer. Sie haben eine Woche Zeit, da ist ein Handbuch, ich möchte einen Schaltplan sehen. Es kennt sich niemand aus, Sie müssen sich alles selbst beibringen.“ Also habe ich mich reingetigert. Bei ELIN hatte ich dann die Aufgabe, den ersten Digitalisierungsschritt zu vollziehen und die Mitarbeiter von der Handzeichnung zu EPLAN zu bringen. Das war für mich in jungen Jahren eine Riesenaufgabe mit großer Verantwortung. Aber wir haben es erfolgreich umgesetzt und ich war auch leitend für die CAD-Truppe verantwortlich. Manchen meiner damaligen Kollegen fiel die Umstellung leichter als anderen, so sind wir oft noch spät am Abend für Einzelschulungen im Büro gesessen.
Große Umstellungen sind auch heute nicht leicht. Wie groß ist eigentlich noch das Thema der Migration von EPLAN 5 auf EPLAN Electric P8? Man möchte meinen, nach rund 15 Jahren sollte das langsam nicht mehr relevant sein, oder?
Maschinen- und Anlagenbauer bauen eben gute Maschinen und Anlagen, die lange Laufzeiten haben. Da passiert vielleicht auch einmal zehn Jahre nicht viel. Wenn doch einmal kleine Dinge verändert werden, etwa ein Gerät getauscht wird, hat man es sich einfach gemacht und das mit der alten 5er-Version eingezeichnet, weil sie bis heute lauffähig ist. Deswegen gibt es diese Pläne und Dokumentationen noch auf der 5er-Version. Über die Jahre geht aber sicherlich viel Detailwissen in der älteren 5er-Version verloren und es besteht sicherlich auch die Gefahr, dass durch neue Betriebssystemversionen irgendwann die Daten nicht mehr im Originalformat bearbeitet werden können. Aus diesem Grund unterstützen wir unsere Kunden dabei, die Pläne alle auf die aktuellste Version zu bringen. Das ist technisch überhaupt kein Problem, sondern eher eine Ressourcen-Frage, ob man sich die Zeit dafür nehmen kann. Aber auch hier haben bereits viele Kunden gezeigt, dass es nicht so schwierig ist, die 5er-Daten durch die integrierten Funktionen erfolgreich und ohne Informationsverlust zu migrieren.
Machen wir einen Sprung nach vorne. Welche Auswirkungen hatten die vergangenen Monate auf Sie und die Nachfrage Ihrer Kunden?
Mittlerweile ist der erste Lockdown ein Jahr her. Das ist etwas, das auch meine Generation noch nie erlebt hat. Wir konnten überhaupt nicht abschätzen, was das für das Business, unsere Firma und unsere Kunden heißt. Die ersten Monate waren nicht planbar. Schlussendlich haben die Kunden aber spätestens bis zum Sommer gesehen, dass die schnelle Umstellung auf Video und Arbeit von zu Hause funktioniert. Interessanterweise ist unser Geschäft im ersten Halbjahr 2020 sehr gut gelaufen. Der Geschäftsverlauf war zwar ein bisschen anders, nicht kontinuierlich, sondern eher mit einzelnen Spitzen. Das hat sich bis zum zweiten Lockdown im November auch gehalten. Wir haben das Geschäftsjahr extrem gut abgeschlossen.
Worauf führen Sie das zurück?
Einerseits haben die Kunden verstanden, dass es auch so geht – und auch so gehen muss. Das andere ist, dass meine Mitarbeiter einen ausgesprochen guten Job erledigt haben, und das über Jahre hinweg, nicht nur in diesen Monaten. Sie haben gemeinsam mit unseren Kunden Lösungswege für deren Unternehmen erarbeitet, um die neuen Herausforderungen optimal meistern zu können. Unsere EPLAN-Plattform bietet viele Funktionalitäten, die gerade in solchen Zeiten von dezentralem, verteilten Engineering eine große Hilfe sind. Viele unserer Kunden und Interessenten hatten einen riesigen Nachholbedarf in der Digitalisierung des Engineering und haben gesehen, dass sie sich mehr standardisieren und optimieren müssen. Standardisieren in dem Sinn, dass sie das Wissen aus den einzelnen Projekten in die Systeme bringen und das Thema Automatisierung der Arbeitsweise und somit Standardisierung aufbauen müssen, um sich zukunftssicher aufzustellen. Das hat man auch an unserem Geschäftsverlauf gesehen. Wir hatten einen sehr hohen Neukundenanteil – und das bei unserer bereits bestehenden, hohen Marktverbreitung. Außerdem hatten wir einen großen Zustrom im Bereich individueller Beratungs- und Consultingleistungen.
Wie sieht es mit Ihrer eigenen Strategie aus? Geht EPLAN anders an 2021 heran, als noch Anfang 2020 gedacht? Oder hat die Richtung ohnehin gepasst?
Die Ereignisse haben uns sicherlich bei vielen Projekten einen Schub gegeben. Einerseits haben wir viele Neukunden gewonnen, weil die Investitionssicherheit in unser Unternehmen gegeben ist – auch mit der starken Friedhelm Loh Group, die wir im Hintergrund haben. Auf der anderen Seite treiben wir das Thema Digitalisierung schon seit Jahren. Da fällt viel hinein, es geht etwa um Workflow-Optimierung, Standardisierung, Automatisierung. Das waren schon immer Themen für uns. Das hat neues Interesse geweckt und die Bereitschaft der Kunden war da. Deswegen gehen wir in 2021 auch nicht anders hinein, als wir 2020 gearbeitet haben. Außer mit der Bestätigung, dass der Weg, den wir in den letzten Jahren eingeschlagen haben, richtig ist.
Kennen Sie vielleicht die Gründe für den hohen Neukundenanteil?
Das hat mich auch interessiert. Deswegen habe ich Kunden und Neukunden aus dem letzten Jahr kontaktiert, um zu erfahren, wie es ihnen geht. Dabei sind ein paar Erfolgsfaktoren hervorgetreten. Einerseits die persönliche Beziehung, die jeder unserer Mitarbeiter mit dem jeweiligen Kunden hat, sei es der Vertrieb, seien es unsere Trainer und Consultants oder die Auftragsbearbeitung. Das andere ist, dass die Technologien passen. Ein Neukunde hat zum Beispiel erzählt, dass er sowieso schon evaluiert hat und die Frage im Raum gestanden ist, ob er beim bestehenden System bleibt und nur einen Versionswechsel macht oder sich generell umsieht, ob er sich nicht noch besser optimieren und standardisieren kann. Wenn man seine Arbeit besser standardisiert und optimiert, muss man gewisse Handgriffe nicht doppelt und dreifach machen. Unsere Kunden nutzen jetzt die Chance, diese Dinge neu zu denken. Ein wesentlicher Grund dafür ist auch, dass es für sie nicht mehr darum geht, ob sie einen Strich von da nach dort ziehen können, sondern darum, den Unternehmens-Workflow zu betrachten. Die Systeme dürfen nicht isoliert dastehen, sondern müssen sich in eine Unternehmenslandschaft einbetten. Dafür bieten wir die richtigen Lösungen und das nehmen unsere Kunden auch so wahr.
Wie geht die Reise weiter? In welche Richtungen denkt EPLAN für die Zukunft?
Unter anderem ergänzen wir unsere EPLAN-Plattform durch optionale Cloud-Applikationen. Das ist auch heute schon so und diesen Weg werden wir auch weitergehen. Wir bieten schon seit zwei Jahren Cloud-Lösungen an, mit EPLAN ePULSE. Das sind ergänzende Cloud-Produkte, teilweise zur freien Nutzung für bestehende Kunden. Unsere Softwareprodukte auf der EPLAN-Plattform bieten wir auch in Form einer Subscription, also eines Abo-Modells, an. Das erhöht zum Beispiel die Flexibilität, unterschiedliche EPLAN-Plattformprodukte auch wahlweise nur für einen gewissen Zeitraum zu nutzen, projektbezogen etwa.
Kurz zum EPLAN Partner Network. Was ist das Ziel dieser Kooperation?
Wir haben unser EPLAN Data Portal, das über ePULSE direkten Onlinezugriff auf hochwertige Produktkataloge aus einem wachsenden Pool namhafter Komponentenhersteller bietet, in den letzten zehn Jahren ständig ausgebaut und an der Qualität der Daten gearbeitet. Wir haben dafür gesorgt, dass die Daten, die auf diesem Portal zur Verfügung stehen – derzeit rund eine Million – in sehr guter Qualität in unserem EPLAN Data Standard genau definiert sind. Das EPLAN Partner Network hilft uns einerseits, die Partner ins Boot zu holen und gemeinsam an der Qualität dieser Daten zu arbeiten, und andererseits dabei, für unsere Kunden den Workflow im gesamten Unternehmensprozess zu optimieren, indem wir im Partner Network darüber nachdenken, wie man unseren gemeinsamen Kunden noch mehr Hilfestellungen bieten kann. Um vom ersten Auftrag, der hereinkommt, bis in die Fertigung, Instandhaltung, Servicierung und den Betriebsfall optimale Unterstützung zu bieten und durchgängigen Datenfluss zu ermöglichen, durch Schnittstellen, ordentliche Daten und vielleicht auch neue Softwareprodukte, die in diesem Partnernetzwerk durch gemeinsame Entwicklung entstehen können. Es wird heute viel über Optimierungen entlang der Wertschöpfungskette geredet. Unser Partnernetzwerk hilft dabei, gemeinsam die Wertschöpfungskette unserer Kunden zu betrachten und auch den Puls unserer Kunden zu fühlen, um zu erkennen, was sie in Zukunft brauchen werden und wie wir ihnen dabei helfen können. Ein roter Faden, der sich durch unser Gespräch zieht, ist, dass die Daten immer aktuell, in hoher Qualität und überall verfügbar gehalten werden. Dazu wird es von uns auch einen weiteren Benefit geben, der sich eMANAGE nennt. Das Tool wird demnächst in einer Free-Version gelauncht. Damit lässt sich die weltweite Collaboration mit Projektpartnern managen. Es lassen sich verschiedene Rechte vergeben, etwa für das Aufrufen von bestimmten Seiten oder für das Ausdrucken, ergänzend zu eVIEW.
Das ist sinnvoll, schließlich werden die Projekte auch immer komplexer.
Projekte beinhalten immer mehr Informationen, weil man immer mehr elektronische Medien hat, immer mehr Logik in den Steuerungssystemen. Es wird immer wichtiger, die Steuerungssysteme mit unserer Engineering-Software kommunizieren zu lassen. Das ist zum Beispiel auch der Sinn eines Partnernetzwerks: Alle Informationen, die man in einem Projekt hat bzw. braucht, zu verlinken, ohne dass jemand etwas abschreiben oder bewusst an irgendeinen Ort verschieben muss. Das soll alles in Zukunft automatisiert erkannt werden.
Die Digitalisierung schreitet in allen Bereichen voran. EPLAN hat ja auch seine Hausmesse schon früh „virtualisiert“, Ende April ist es wieder so weit. Reale Veranstaltungen werden hingegen immer wieder verschoben. Läuft der Kontakt zum bestehenden und potenziellen Kunden künftig nur noch digital?
Wenn ich zwei oder drei Jahre in die Zukunft schaue, dann wird ein Mix übrigbleiben. Weil sich das Virtuelle bewährt hat und man auch nicht weiß, wie sich die nächsten Jahre entwickeln werden. Das Virus wird ja nicht einfach verschwinden, das Thema der Impfungen wird uns länger begleiten. Die Unternehmen werden vorsichtig damit sein, Mitarbeiter zu Massenveranstaltungen zu schicken. Deswegen wird sich der Mix von virtuellen und Präsenzveranstaltungen auf alle Fälle etablieren.
Wie geht es Ihnen persönlich mit dieser Vorstellung?
Mir gefällt der Gedanke, dass eine Kombination entsteht. Wenn man die richtige Strategie fährt und die richtige Kürze in Onlinemeetings bringt, dann erreicht man eine andere, erweiterte Zielgruppe und kann Themen platzieren, die einem jetzt wichtig sind und nicht erst zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie bei einer Messe. Unsere Virtual Fair hat bewiesen, dass dieses Konzept in den letzten Jahren – auch schon vor der Pandemie – eine steigende Beliebtheit erfährt. Trotzdem ist der persönliche Kontakt unbedingt notwendig. Wir sehen das besonders, wenn es darum geht, Verständnis für gewisse Themen zu vermitteln, wie im Trainingsbereich. Aber ich freue mich schon sehr darauf, wenn wieder persönlicher Kontakt möglich ist. Was für Unternehmen gefährlich ist, ist die soziale Distanz der Mitarbeiter, die auf lange Sicht durch Lockdowns und Homeoffice entstehen kann. Ich achte darauf, dass das bei uns nicht passiert, indem ich wöchentliche Meetings und Infoveranstaltungen für das gesamte Unternehmen mache. (RNF)