Energie am Puls der Zeit

NEW BUSINESS Innovations - NR. 05, MAI 2024
Martin Wagner, Geschäftsführer VERBUND Energy4Business GmbH © VERBUND

Am Trading Floor der VERBUND Energy4Business GmbH laufen die Fäden für den Energiehandel zusammen.

Geschäftsführer Martin Wagner im Gespräch über das Leistungsangebot, aktuelle Herausforderungen am Energiemarkt u. v. m.

Welche Möglichkeiten haben Industrieunternehmen, sich von Schwankungen des Strompreises zu „entkoppeln“, und wie kann VERBUND Energy4Business dabei unterstützen?
Die VERBUND Energy4Business ist DER Partner für österreichische Industrieunternehmen, wenn es um Energieeffizienz geht. Mit einem Marktanteil von über 20 Prozent im Industriesegment sind wir ein erfahrener, langfristiger und nachhaltiger Partner für Österreichs Industrie.

Aber jetzt zu Ihrer Frage: Industrieunternehmen können sich von Schwankungen des Strompreises entkoppeln, indem sie langfristige Stromlieferverträge abschließen, sogenannte PPAs, die Preissicherheit über mehrere Jahre bieten. Diese Verträge können beispielsweise Festpreise über einen bestimmten Zeitraum oder flexible Preismodelle beinhalten, um von günstigen Marktpreisen zu profitieren. 

Zudem können Unternehmen ihre Energieeffizienz steigern und ihren Stromverbrauch gezielt steuern, beispielsweise durch Lastmanagement oder die Nutzung von intelligenten smarten Lösungen. Unternehmen können aber auch in Eigenproduktion investieren, zum Beispiel durch die Installation von Photovoltaik- oder Windenergieanlagen, um unabhängiger von konventionellen Strompreisen zu werden.

VERBUND unterstützt Industrieunternehmen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen, indem wir maßgeschneiderte Energiekonzepte und -lösungen bieten, die auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten sind. Mit unseren flexiblen Vermarktungslösungen Power-Flex profitieren unsere Kund:innen zum Beispiel vom zunehmenden Wert von Flexibilität im Energiemarkt mit eigenen Anlagen.

Individuelle Verbrauchs- und Erzeugungsflexibilitäten sowie Energiespeicher werden bedarfsoptimiert von uns vermarktet und zusätzliches Erlöspotenzial für unsere Kund:innen generiert. Gleichzeitig wird dadurch das Stromnetz stabilisiert und ein wesentlicher Beitrag für die Integration der erneuerbaren Energien ins Energiesystem geleistet.

Ein weiteres Beispiel ist unser PV-Angebot für die Industrie. VERBUND plant, errichtet und betreibt Photovoltaik-Großanlagen als Eigenverbrauchs-Modell. Das heißt, Unternehmen stellen ihre ungenutzten Dach- oder Freiflächen zur Verfügung, wir errichten darauf PV-Anlagen und nutzen die Flächen so zur Sonnenstromerzeugung. Der vor Ort erzeugte Strom kommt direkt dem Unternehmen zugute, senkt die Stromkosten und macht diese langfristig kalkulierbar.

Industrieunternehmen haben volle Planungssicherheit und die Anlage produziert auch noch lange nach der vertraglichen Laufzeit Sonnenstrom zum Nulltarif. Ein ähnliches Modell bieten wir auch für die Errichtung von E-Ladeinfrastruktur an Unternehmensstandorten an. Durch eine enge Zusammenarbeit mit VERBUND können Industrieunternehmen so ihre Energiekosten langfristig stabilisieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Sie bieten Ihren Kunden also eine Art „Rundum-sorg­los“-Paket in Sachen Photovoltaik, bei dem Sie die gesamte Abwicklung, den Aufbau, den Betrieb und die Kosten übernehmen. Unternehmen bekommen eine fixfertige PV-Anlage, von der sie profitieren. Wie rechnet sich das für Sie?
Zunächst ermitteln wir mithilfe von Programmen, die die Wetterdaten der letzten 20 Jahre hinterlegt haben, und auf Basis der genauen PV-Modulausrichtung den durchschnittlich zu erwartenden Ertrag für den jeweiligen Standort, wo die PV-Anlage errichtet wird.

Bei unserem PV-Contracting-Geschäftsmodell wird vom ersten Moment an sauberer Sonnenstrom an unsere Kund:innen geliefert. Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich über die gesamte Laufzeit des Vertrages über das vereinbarte Contracting-Entgelt. VERBUND als eines der nachhaltigsten Unternehmen in Österreich ist es grundsätzlich wichtig, Flächen, die sonst nicht für PV zur Verfügung stehen, zu akquirieren, um unseren gemeinsamen Klimazielen einen Schritt näher zu kommen.

Dazu gibt es ein schönes Beispiel, nämlich die Deponiefläche bei der Lenzing AG. Hier haben wir auf der Deponie „Ofenloch“ eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit 5.560 kWp errichtet. Diese bis dato ungenutzte Fläche erzeugt jetzt jährlich 6.000.000 kWh und bringt eine CO₂-Einsparung von rund 4.400 Tonnen pro Jahr. Zwar wäre das schon allein Grund genug für die Errichtung, die Anlage erfüllt aber natürlich unsere Rentabilitätserwartungen für Erneuerbare-Energie-Anlagen.

Erneuerbare Energien – insbesondere Photovoltaik – sind stark von den Witterungsverhältnissen abhängig und schwer planbar. Welche Möglichkeiten gibt es für Kunden, die sich für eine eigene PV-Anlage entscheiden, Kontinuität in der Versorgung zu erreichen – ­außer zum Beispiel bei Regen Strom aus dem Netz zu beziehen?
Hier ist man in Österreich in einer privilegierten Position. Durch unsere Wasserkraft-intensive Erzeugung kann „neue erneuerbare Energie“ gut durch konventionelle CO₂-freie Energielieferungen aus Wasserkraft ergänzt werden. Dies ist bis zur Zuordnung von Zertifikaten aus bestimmten Erzeugungsanlagen möglich. Das eben beschriebene PV-Modell berücksichtigt natürlich die saisonalen Produktionsschwankungen, sodass kombiniert ein optimales Beschaffungskonzept umgesetzt werden kann. 

Eine weitere Möglichkeit zur Kontinuität in der Versorgung sind stationäre Batteriespeicher, die den produzierten Sonnenstrom in Spitzenzeiten einspeichern und bei Bedarf wieder abgeben können. Mit unseren Partnern aus der Industrie entwickeln wir aktuell derartige Geschäftsmodelle. Die Grundlage dafür ist unser Know-how als Großinvestor in vor allem deutsche Batteriespeicherkonzepte im Netzbereich. 

Gibt es irgendwelche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die gemeinsame Umsetzung eines PV-Projektes einerseits für ein Industrieunternehmen und andererseits für Verbund Energy4Business Sinn macht? Spielen beispielsweise die Größenordnung eines Unternehmens, der zur Verfügung stehende Platz oder auch der generelle Stromverbrauch des ­Unternehmens eine Rolle?
Ja, all diese Parameter spielen eine Rolle für die Installation einer PV-Anlage. Eine ausreichend große Fläche von mindestens 6.000 m2 – wenn möglich ohne Beschattung – ist erforderlich und kurze Wege für die elektrische Anbindung sind von Vorteil. Die Ausrichtung der Anlage sollte optimal sein, um eine hohe Effizienz der Sonnenstromerzeugung zu gewährleisten. Auch die durchschnittlichen Sonnenstunden pro Jahr an dem Standort spielen eine Rolle. 

Weitere wichtige Voraussetzungen sind, dass keine anstehende Dachsanierung notwendig ist und der Zustand der Dachhaut die Installation der Anlage zulässt. Die technische Realisierbarkeit, einschließlich der Statik mit einem Mehrgewicht von etwa 25 kg/m2, muss gegeben sein. Zudem sollte ein ausreichender Eigenverbrauch vorhanden sein, um eine hohe Eigenverbrauchsquote zu erreichen, denn Eigenbedarfsanlagen sind wirtschaftlicher, man erspart sich die Netzkosten und Abgaben im Vergleich zu Einspeiseanlagen. 

Lässt sich sagen, in welcher Zeit sich so ein Projekt mit einem Industriekunden durchschnittlich umsetzen lässt?
Wenn die vorhin beschriebenen Parameter alle positiv erfüllt sind, ist die Projektdauer auch von den notwendigen behördlichen Genehmigungen abhängig. Diese sind je Bundesland sehr unterschiedlich. Aber man kann von einer Projektdauer zwischen zehn und zwölf Monaten ausgehen. Wie gesagt, die Genehmigungsdauer ist sehr individuell – von genehmigungsfrei bis zu einer bestimmten Größe, über Anzeigepflicht bis hin zu einer Bauverhandlung. Das sind von uns nicht beeinflussbare Faktoren, die sich auf die Projektdauer negativ auswirken können.

Sind Sie, von Ihrer Warte aus gesehen, mit den ­aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen und ­Maßnahmen in Ihrem Bereich zufrieden? Oder würden sie gerne da oder dort etwas verändern?
Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz bietet einen guten Rahmen für die Umsetzung der Energiewende und die Erreichung eines 100-Prozent-Anteils an erneuerbaren Energieträgern im Strombereich. Wichtig dabei sind aber die zur Verfügung stehenden Flächen sowie die Akzeptanz der Projekte in der Bevölkerung. Die Flächenwidmung und Raumplanung in den Bundesländern sollte sich hier an den Ausbauzielen des Bundes orientieren – denn ohne Flächen keine Projekte und ohne Projekte kein EE-Ausbau und somit auch keine Reduktion der Energieimportabhängigkeit. 

Ein weiterer Hebel könnte bei den Genehmigungsverfahren angesetzt werden. Diese müssen schneller und effizienter werden, aber unbedingt unter Wahrung der Qualität. Politik findet nicht nur auf Bundesebene statt, sondern auch in den Ländern und Gemeinden. Da die Verfahren so zersplittert sind, gibt es kein einheitliches Genehmigungsverfahren bei diesen Projekten.

Ein Beispiel, das die Schwierigkeiten aufzeigt, ist die Salzburg-Leitung, bei der es über sechs Jahre gedauert hat, bis die Genehmigung für den Bau erteilt wurde. Von den ersten Planungen bis zur Inbetriebnahme sind es dann 13 Jahre. Das muss schneller gehen, die Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden, andernfalls schaffen wir den Zeitplan nicht und es wird erhebliche Probleme geben.

Wo würde es am meisten Not tun, dass der Gesetz­geber Verbesserungen vornimmt, und welcher Art sollten die sein?
Was die E-Wirtschaft braucht, sind klare Rahmenbedingungen, damit wir die Energiewende auch umsetzen können. Der Wille ist da, die finanziellen Mittel sind da und auch die technischen Voraussetzungen. Was fehlt, sind in manchen Bereichen die rechtlichen Möglichkeiten und das Bewusstsein, dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif geben kann. Auch wird die Energiewende sichtbar sein, es kommt zu Veränderungen im Landschaftsbild – anders ist die Energiewende nicht möglich.

Wenn jedes Kraftwerk, jedes neue Windrad verhindert wird, werden wir die Vorgaben für die Klimaziele nicht schaffen. Dazu muss das Bewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werden. Hier kann auch die Politik unterstützen. Die E-Wirtschaft bringt ihren Anteil dazu ein. VERBUND investiert bis 2030 rund 15 Milliarden Euro in den Ausbau von Netzen, Erneuerbare und Speicher. Aber es braucht ein Zusammenwirken aller Beteiligten: Unternehmen, Politik und Bevölkerung. Denn die Energiewende werden wir nur gemeinsam schaffen.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung des Strompreises in diesem Jahr und darüber hinaus ein, auf Basis der heute zur Verfügung stehenden Informationen? Ist von weiteren größeren Schwankungen auszugehen?
Wir beobachten die Situation sehr intensiv und sehen eine gewisse Entspannung auf den Märkten, sowohl was den Gas- wie auch den Strompreis angeht. 2024 könnten sich die Strompreise auf mittlerem Niveau stabilisieren, unterliegen allerdings weiterhin verschiedensten preissteigernden und preisdämpfenden Effekten. Die Dekarbonisierung der Energiemärkte verursacht in Europa hohe Kosten, die zumindest temporär zu einer Verteuerung der Stromkosten führen.

Langfristig muss unser Ziel sein, die erneuerbaren Energien in Österreich und Europa massiv auszubauen, um uns unabhängiger von Preisdiktaten weltweit zu machen. Wir müssen raus aus fossiler Energie, um die Klimaziele zu erreichen und auch um uns unabhängiger von Importen zu machen. Das ist der größte Umbau des Energiesystems und das ist auch mit Kosten verbunden.

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