Das Wunder der Unternehmensgründung © Fotolia
Selten und von unvorstellbarem Wert: Das Einhorn. Die Rede ist jedoch nicht vom Fabelwesen, sondern von der Königsklasse des erfolgreichen Start-ups. Was es für den fabelhaften Erfolg braucht.
Unter einem „Einhorn“ versteht man ein Start-up, dessen Marktwert über eine Milliarde Dollar beträgt, wie beispielsweise Airbnb, Pinterest oder Uber. Und so, wie das Fabeltier dank seiner angeblich mystischen Kräfte Sehnsüchte geweckt hat, rätseln auch heute Investoren, Gründer und Politiker, wie man solche Wundergründungen frühzeitig identifizieren oder gar proaktiv herbeiführen kann.
Nikolaus Franke, Akademischer Direktor des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy, geht im folgenden Gastbeitrag der Frage nach, ob es eine magische Formel für Einhörner gibt und wie mehr von diesen außergewöhnlichen Start-ups hervorgebracht werden können.
Die Magie von Einhörnern
Der Begriff des Unicorns wurde 2013 vom Venture Capitalist Aileen Lee geprägt. Es bezeichnet eine Unternehmensgründung mit einer außerordentlich hohen Marktbewertung. Verschiedene Institutionen listen rund 300 Fälle auf, in denen der Wert von Start-ups innerhalb von kurzer Zeit explosionsartig auf über eine Milliarde Dollar gestiegen ist. So beträgt die Bewertung von Uber beispielsweise rund 70 Milliarden und die von Airbnb 30 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung der drei wertvollsten österreichischen Unternehmen, OMV, Verbund und Erste Bank Group, beträgt jeweils rund 15 Milliarden Euro. Natürlich beruhen die hohen Bewertungen der Start-ups auf Erwartungen künftiger Umsätze und Gewinne, die keineswegs sicher sind. Dennoch ist erstaunlich, wie schnell in der digitalen Wirtschaft Wert entstehen kann. Er ergibt sich meist aus dem disruptiven Charakter ihres Geschäfts. Als schöpferische Zerstörer können sie neuartige Märkte schaffen und bestehende nachhaltig verändern.
Kann man Einhörner bei der Geburt erkennen?
Jeder Politiker wünscht sich die stärkende Kraft solcher unternehmerischen Wachstumstreiber für die heimische Wirtschaft. Jeder Investor und Gründungsförderer hofft darauf, dass sich im Beteiligungsportfolio möglichst viele Unicorns befinden. Und natürlich träumt auch jeder Gründer von einem solchen Erfolg. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Betrachtet man bestehende Unicorns, dann fällt auf, dass sie häufig mit innovativen Neukombinationen Märkte schaffen, die die etablierten Player übersehen haben. Dort wachsen sie rasant und sichern ihre Marktposition oft über Netzwerkeffekte ab. Erfolgsfaktoren von Unicorns sind das Erkennen von neu entstandenen Märkten mit zunächst wenig Konkurrenz, eine intelligente Innovation (Technologie, Produkt und/oder Geschäftsmodell) mit einem zumindest zeitweiligen Alleinstellungsmerkmal und ein Managementteam, das eine entschlossene Strategie verfolgt und mit der schwindelerregenden Dynamik des Wachstums zurechtkommt. Dies lässt den Schluss zu, dass man einigermaßen einschätzen kann, welche Neugründungen zumindest das grundsätzliche Potenzial zum Unicorn haben.
Eher Kuh und Ziege als Einhorn
Aileen Lee wählte den Begriff des Einhorns für die so schnell wachsenden Unternehmen jedoch aus guten Gründen: Er sollte die statistische Seltenheit des Phänomens illustrieren. Und so verwundert es nicht, dass die Treffsicherheit in der frühzeitigen Bewertung gering ist. Venture Capitalists sind Profis in der Bewertung von Start-ups. In mehrstufigen und aufwendigen Prozessen untersuchen sie die Potenziale junger Unternehmen und finanzieren weniger als jedes hundertste Start-up, das um eine Beteiligung ansucht. Doch trotz dieser Strenge und Gründlichkeit: Nicht mal ein Promille aller durch Risikokapital finanzierten Start-ups weltweit wird tatsächlich zum Unicorn. Die Möglichkeiten, Unicorns frühzeitig zu identifizieren, sind also offensichtlich begrenzt. Es ist zwar möglich, eine Negativselektion vorzunehmen – man kann mit einiger Sicherheit erkennen, welche Gründungen keine Chance haben, ein Unicorn zu werden. Aber eine sichere Positivselektion ist kaum möglich, einfach deshalb, weil disruptive Innovationen definitionsgemäß neu und entsprechend mit Risiken verbunden sind. Man wird damit leben müssen, dass Irrtümer auch bei den vielversprechendsten Start-ups unvermeidlich sind. Viele werden nur begrenzten Erfolg haben und manche werden Misserfolge werden. Im übertragenen Sinne: Auch den süßesten Einhornbabies kann leider ein zweites Horn wachsen – und sie können sterben.
Die Lösung: Viele Einhornbabys machen und ihre Entwicklung fördern
Auf den ersten Blick klingt es zum Verzweifeln: Unicorns sind nicht nur extrem selten, es gibt auch kein Rezept mit garantiertem Erfolg, keinen fixen „Bauplan“, ja nicht mal eine sichere Prognose, welches Start-up letztlich wirklich erfolgreich wird. Was sollten wir also tun, wenn wir als Gesellschaft mehr und größere Gründungserfolge haben wollen? Wie können wir die positiven Folgewirkungen auf Innovation, Beschäftigung und Wohlstand erreichen?
Die Antwort ist: Wir müssen mehr Start-ups hervorbringen, die grundsätzliche Chancen auf große Erfolge haben. Jede Gründung dieser Art – innovativ, in neuen und schnell wachsenden Märkten, mit einem leistungsstarken und zum Erfolg entschlossenen Gründerteam – ist ein Experiment. Manche werden scheitern, manche werden stagnieren. Aber manche werden erfolgreich werden. Und wenn wir als Gesellschaft genügend dieser Experimente wagen, dann werden langfristig auch die ersehnten Unicorns dabei sein.
Diese Experimente passieren nicht von selbst und wir sollten sie auch nicht sich selbst überlassen. Als Gesellschaft müssen wir also im ersten Schritt Bedingungen schaffen, die zu möglichst vielen möglichst aussichtsreichen Gründungen führen. Wichtige Stichworte hierzu sind spielerische Annäherung an Entrepreneurship als Karriereoption schon in der Schule, ein breites Wissen über die Methoden und Techniken zur Unternehmensgründung und Interdisziplinarität, v. a. Vernetzung von Schlüsseltechnologien (wie z. B. Healthcare, Internet of Things und Künstliche Intelligenz) mit wirtschaftlichem unternehmerischem Denken und Handeln.
Im zweiten Schritt müssen wir dafür sorgen, dass die Start-ups so gute Bedingungen vorfinden, dass sie sich ihrem wahren Potenzial gemäß entwickeln können – und weder verhungern noch in Gegenden auswandern, wo das Entrepreneurship-Ecosystem fördernder ist. (MW)
INFO-BOX I
Fakten zur österreichischen Start-up-Landschaft
Die Bedeutung von Start-ups stieg in den letzten Jahren rasant und der Themenbereich ist mittlerweile in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Der Austrian Startup Monitor (ASM) zeichnet in seiner ersten Ausgabe 2018 ein aussagekräftiges, fundiertes und an der Realität orientiertes Bild der österreichischen Start-up-Szene.
• Wo wird am meisten gegründet? Der Austrian Startup Monitor umfasst mehr als 1.500 Start-up-Gründungen seit 2004. Über die Hälfte der erfassten Start-ups wurde dabei in Wien gegründet.
• Wie wird finanziert? Die drei bedeutsamsten Finanzierungsquellen sind das eigene Ersparte (81 %), öffentliche Förderungen und Unterstützungen (55 %) sowie Business Angels (33 %).
• Wer sind die Gründer? 62 % der Gründer sind zwischen 25 und 39 Jahre alt und 12 % sind Frauen. 75 % haben einen Universitätsabschluss und 14 % kommen aus dem Ausland. 42 % sind Mehrfachgründer.
• Welche Branchen sind führend? Die Bereiche IT und Softwareentwicklung dominieren in Österreich. Rund 35 % der Gründungen fallen auf diese beiden Branchen. Mit der Dominanz der beiden Branchen bei Start-ups liegt Österreich international im Trend.
• Was sind die Motive für die Unternehmensgründung? Das zentrale Motiv, um ein Start-up zu gründen, ist für beinahe alle (91 %) Teilnehmer: die Möglichkeit, eine eigene Idee verwirklichen bzw. ein Problem lösen zu können. Österreichische Start-up-Gründer können demnach großteils als „opportunity driven entrepreneurs“ charakterisiert werden.
Quelle: Der Austrian Startup Monitor 2018
www.austrianstartupmonitor.at
INFO-BOX II
Erfolgreiche Start-ups made in Austria
Ein rot-weiß-rotes Einhorn wurde noch nicht gesichtet. Erfolgreiche Start-ups aus Österreich sind jedoch keine Seltenheit:
• Cashpresso: Das Wiener FinTech-Start-up überzeugte seit 2016 mit seiner Finanzierungslösung über 10.000 Kunden. Im Juni 2018 sicherte sich das Jungunternehmen ein neues Investment in Höhe von 3,5 Millionen Euro.
• UBIMET: 2004 wurde das einstige Zwei-Mann-Unternehmen gegründet – heute ist es der am schnellsten wachsende europäische private Anbieter von meteorologischen Dienstleistungen. 2012 hat sich Red Bull an UBIMET beteiligt
• Runtastic: 2009 wurde die Fitness-App von Florian Gschwandtner und drei Studienkollegen der FH Hagenberg gegründet und 2015 für 220 Millionen Euro von Adidas übernommen.
• Shpock: Die Wiener Flohmarkt-App hat mittlerweile mehr als zehn Millionen Nutzer, gegründet wurde Shpock 2012 von Katharina Klausberger und Armin Strbac, 2015 wurde
es für 200 Millionen Euro vom norwegischen Medienkonzern Schibsted übernommen.
• MySugr Die Diabetes-App wurde 2012 in Wien gegründet und 2017 vom Schweizer Pharmakonzern Roche übernommen. Über den Kaufpreis herrscht Stillschweigen, von einer dreistelligen Millionensumme darf ausgegangen werden.
• AFFiRiS: Das Biotech-Start-up entwickelt Impfstoffe gegen Alzheimer, Parkinson, Atherosklerose und Diabetes und hat 2012 die weltweit ersten klinischen Versuche für einen Parkinson-Impfstoff gestartet. 2016 sicherte sich das Start-up weitere zehn Millionen Euro von Investoren.