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Raus aus der Abhängigkeit

NEW BUSINESS - NR. 11, NOVEMBER 2022
Die gesamte Stromversorgung soll bis 2030 mit grünen Energien gedeckt werden können. © rawpixel.com/Freepik

Die Bundesregierung startet eine umfassende Klima- und Transformationsoffensive für Industriebetriebe. Bis 2030 stehen dafür Förderungen von insgesamt rund 5,7 Mrd. Euro zur Verfügung.

Um die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsprozesse in Österreichs Industrie möglich zu machen, führt die Bundesregierung mit der Klima- und Transformationsoffensive im Rahmen des Budgets 2023 ein großes Förderpaket für klimafreundliche und energieunabhängige Industrie ein. „Unsere Industrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beständig weiterentwickelt. Aber jetzt ist es wieder Zeit für eine industrielle Revolution“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. „Dafür investieren wir in den kommenden Jahren über fünf Milliarden Euro in verlässliche Förderungen für den großen Umbau unserer Industrie.“ Dafür würde der Brennstoff der Industrie ausgetauscht: „Kohle und Erdgas kommen raus, Ökostrom und Wasserstoff rein – das sichert unsere Wettbewerbsfähigkeit, macht uns unabhängig von russischem Erdgas und schützt unser Klima.“

Insgesamt stehen folgende zusätzliche Mittel für österreichische Industrie­unternehmen zur Verfügung:
• Transformation der Industrie: 175 Mio. Euro im Jahr 2023, danach 400 Mio. Euro jährlich. Gesamt: 2,975 Mrd. Euro
• Unterstützung zusätzlicher Energieeffizienzmaßnahmen: 190 Mio. Euro jährlich. Gesamt: 1,52 Mrd. Euro
• Förderung von Forschungs- und Wirtschaftsstandort bis 2026. Gesamt: 600 Mio. Euro
• Fortführung der Umweltförderung im Inland bis 2026. Gesamt: 600 Mio. Euro

Abhängigkeit und Erpressbarkeit beenden
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die Klimakrise haben klar gezeigt, dass Europa in großem Ausmaß von fossilen Rohstoffen abhängig ist. Diese Abhängigkeit und die Erpressbarkeit durch Energielieferungen erfordern eine rasche und deutliche Reaktion. Neben dem durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz bereits vorangetriebenen Ausbau der klimafreundlichen Stromerzeugung müssen auch Produktionsprozesse umgestellt werden.

Komplexe Produktionsprozesse in Industriebetrieben erfordern allerdings mehr Aufwand und haben mitunter einen langfristigen Planungs- und Investitionshorizont. Die Bundesregierung schafft nun mit der Aufstockung der Fördermittel und der gesetzlichen Verankerung einen klaren Planungs- und Finanzierungshorizont, der es den Betrieben ermöglicht, diese Investitionen in Angriff zu nehmen und die österreichische Wirtschaft damit aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Russland zu befreien.

„Ökonomie und Ökologie passen nicht nur unter einen Hut – sie bedingen einander. Spätestens seit Putin in seinem brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine auch Energielieferungen als Erpressung gegen Europa nutzt, ist klar: Österreich muss raus aus der Abhängigkeit“, so Vizekanzler Werner Kogler. Den Weg zurück zu russischem Gas gäbe es nicht mehr. Im Gegenteil: „Jetzt heißt es, Brücken in die erneuerbare Zukunft zu bauen. Mit der Klimaoffensive für die Industrie tun wir genau das.“

Gesamte Stromversorgung aus grünen Energien bis 2030
Österreich ist für seine Energieversorgung auf fossile Energieträger wie Erdgas angewiesen. Am Weg zur Klimaneutralität wird man die Energieversorgung aber auf 100 Prozent Erneuerbare umbauen müssen. Im Bereich der Stromproduktion seien viele dafür notwendige Voraussetzungen bereits umgesetzt. 2022 soll ein Rekordjahr beim Ausbau von Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerken werden. Das Ziel: Die gesamte Stromversorgung soll bis 2030 mit grünen Energien gedeckt werden können.

Gleichzeitig gibt es viele andere Sektoren, in denen der Ausstieg aus Erdgas, Öl und Kohle noch eine große Herausforderung ist. Gerade die Industrie braucht in der Produktion oft hohe Temperaturen. Die Anlagen sind teuer und haben lange Investitionszyklen. Auch sorgt die Abhängigkeit von teuren Energieimporten immer öfter für Schwierigkeiten. Die Produktion verursacht hohe Treibhausgasemissionen und schadet dem Klima. Erdgas muss importiert werden und macht uns erpressbar. Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität sind davon abhängig, ob die heimischen Unternehmen im Wettbewerb um die grünsten und energieeffizientesten Produktionsprozesse gut aufgestellt sind.

DIE FÖRDERUNG LEGT IHREN ­FOKUS AUF DREI SÄULEN

1. Der Umstieg auf klimafreundliche Produktionsanlagen
• 2023: 175 Millionen Euro ­Zusagerahmen
• 2024–2030: jährlich 400 Millionen Euro Zusagerahmen
• Gesamtbudget bis 2030: 2,975 ­Mil­liarden Euro

Diese Förderschiene legt ihren Fokus auf die Umstellung von industriellen Prozessen und den Aufbau der entsprechenden Werksinfrastruktur im großen Stil. Viele der Technologien, die in diesem Bereich benötigt werden, sind bereits vorhanden. Jetzt beginnt die Phase der großflächigen Ausrollung. In diesem Prozess müssen von den Unternehmen umfangreiche Investitionsentscheidungen getroffen werden, die eine langfristige Technologieumstellung möglich machen. Das verursacht Investitionskosten und während der Umstellung in einzelnen Bereichen auch höhere Produktionskosten. Um passgenau fördern zu können, sieht diese Schiene erstmals auch sogenannte „Carbon Contracts for Difference“ vor. Das sind europaweit vollkommen neuartige „Klimaschutzverträge“: Industrieunternehmen können hiermit erstmals höhere Betriebskosten, die durch klimafreundliche Prozesse entstehen, fördern lassen, solange CO2-Preise eine solche Finanzierung nicht marktkonform ermöglichen. All das ist über das Umweltförderungsgesetz und ein eigenes Vorbelastungsgesetz langfristig gesichert.

2. Weniger Energieverbrauch durch mehr Effizienz
• 2023–2030: jährlich 190 Millionen Euro Zusagerahmen
• Gesamtbudget bis 2030: ­1,52 Mil­liarden Euro

Neben dem Umstieg auf Erneuerbare ist auch der sorgsame Umgang mit Energie ein wichtiger Schwerpunkt für die Energieunabhängigkeit der österreichischen Industrie. Denn je effizienter die eingesetzte Energie verwendet wird, desto leichter gelingt der Umstieg.
Aus diesem Grund widmet sich die zweite Förderschiene der Energieeffizienz. Sie fördert konkrete Energieeinsparungen in allen Bereichen. Das verringert die Abhängigkeit von Gasimporten und sorgt gleichzeitig für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit. Denn wer weniger Energie verbraucht, ist auch weniger von hohen Energiepreisen abhängig. Auch diese Förderung ist über das Umweltförderungsgesetz langfristig abgesichert.

3. Weitere Maßnahmen im Bereich der Umweltförderung im Inland
• Gesamtbudget bis 2026: 600 Millionen Euro

Darüber hinaus werden auch die Mittel der Umweltförderung im Inland abermals deutlich erhöht. Diese Förderung richtet sich an Unternehmen und deckt eine große Bandbreite von Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen ab. Darunter fallen etwa auch thermische Sanierungen von Betriebsgebäuden oder kleine Produktionsumstellungen.

Förderungen gesetzlich verankert
Die entsprechenden Förderungen werden im Budget 2023 erstmals verankert und auch im Bundesfinanzrahmengesetz abgebildet. Um die langfristige Planungssicherheit zu gewährleisten, wird das Gesamtbudget bis 2030 zudem in einem eigenen Vorbelastungsgesetz festgeschrieben. Dadurch haben die Indus­triebetriebe die Gewissheit, dass die Umstellung langfristig gefördert wird. Das Klimaschutzministerium (BMK) und das Arbeits- und Wirtschaftsministerium haben bereits mit der Ausarbeitung der konkreten Förderschienen begonnen. Schon im kommenden Jahr sollen konkrete Projekte gefördert und umgesetzt werden.

„Wer morgen ernten will, muss heute säen“
„Das Ziel der Dekarbonisierung der Industrie ist eine Mammutaufgabe, die Unternehmen befinden sich bereits am Weg dorthin. Dennoch braucht es dafür auch Unterstützung seitens der Politik, konkret im Rahmen eines Transformationsfonds. Mit der Transformationsoffensive stellt die Bundesregierung die notwendigen Weichen für klimaneutrale Transformation der Industrie – denn wer morgen ernten will, muss heute säen“, so der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Georg Knill in einer ersten Stellungnahme nach der Präsentation der Klima- und Transformations­offensive. „Die zeitliche Bindung sorgt für die notwendige Planungssicherheit, die die Betriebe brauchen, um Investitionen dieser Größe auch am Standort Österreich zu tätigen“, so Knill, und meint weiter: „Denn zahlreiche Investitionsprojekte gehen weit über Legislaturperioden hinaus.“

Sehr erfreulich ist, dass durch die Transformationsoffensive auch zukunftsorientierte Forschung und Technologieentwicklung als wesentlicher Hebel für die grüne und digitale Transformation gestärkt wird. Damit setzt die Bundesregierung erforderliche Schritte, um Österreichs Unternehmen zu unterstützen, sich erfolgreich in den wichtigen Schlüsseltechnologien und Schlüsselsektoren sowie in strategischen Wertschöpfungsketten zu positionieren. 

„Mit dem Paket wurden die Pflöcke für die finanzielle Sicherheit eingeschlagen, nun sollten auch die rechtlichen Rahmenbedingungen folgen. Denn eine sichere und leistbare Energieversorgung bedingt einerseits eine fossile Übergangsstrategie und andererseits die substanzielle Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Andernfalls würde die Transformation der Industrie an schleppenden Verfahren scheitern“, so Knill und betont abschließend: „Dennoch sind wir mit dem Paket einen wesentlichen Schritt weiter in Richtung nachhaltige Industriezukunft.“ (BO)