Geforscht wird hierzulande viel, das Absichern der Ideen bleibt derzeit aber oft auf der Strecke. © Adobe Stock/lassedesignen
Während Großunternehmen Patentrekorde verzeichnen, lassen KMU und Start-ups mit dem Absichern von geistigem Eigentum auf sich warten. Welche Gründe, aber auch Nachteile das hat ...
... und wo dennoch Österreichs Innovationsstärken liegen.
Kunststoffe, die mit heißem Wasser anstatt mit umweltschädlichen Lösungsmitteln hergestellt werden, ein Ring, mit dem sehbehinderte Menschen Nachrichten auf ihrem Smartphone lesen können, oder ein Stift, der das Zittern in den Händen misst und in wenigen Sekunden eine Auswertung liefert – das sind nur drei von vielen höchst innovativen Verfahren, die in den letzten Jahren in Österreich erfunden wurden.
Im letzten Jahr haben österreichische Firmen weltweit 11.031 Patente angemeldet. Das sind zwar etwas weniger als im Jahr davor (11.534), wie das Patentamt verkündete, im Vergleich zu anderen Ländern war die Entwicklung aber durchwegs positiv.
„Wir sind somit in der EU auf Platz 5 (2020: 6) und weltweit an die zehnte Stelle (2020: 11) vorgerückt“, kommentiert die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler diese Zahlen. Auch im österreichischen Patentamt gab es weniger Anmeldungen. Beratungen und Markenschutz seien hingegen stark gefragt gewesen. Beim heimischen Patentamt wurden im Vorjahr 2.480 Erfindungen angemeldet.
Patentprofis legen zu, KMU verzeichnen Rückgang
Das Bundesland Nummer eins ist trotz 12-prozentigen Rückgangs weiterhin Oberösterreich – und zwar mit 561 (Vorjahr: 638) Erfindungen. Platz zwei und drei belegen die Steiermark mit 490 (522) und Wien mit 372 (436) neuen Ideen.
Ein:e Erfinder:in trifft man am ehesten in Vorarlberg – es liegt auf Platz eins bei der Anzahl an Erfindungen pro Einwohner:in. Die Nummer eins in Österreich ist der Grazer Automobilzulieferer AVL List mit 205 angemeldeten Erfindungen, gefolgt vom Produzent von Möbelbeschlägen Julius Blum (70) und dem Vorarlberger Leuchtenhersteller Zumtobel (34).
„Österreich ist ein Land der Erfinder:innen. Zuletzt wurden weltweit 11.031 Patente ‚Made in Austria‘ angemeldet. Und was mich besonders freut: Viele Klimaschutzpatente machen uns fit für den Wettbewerb der Zukunft. Sie stärken eine klimafreundlich ausgerichtete Wirtschaft und unsere internationale Vorreiterrolle“, freut sich Gewessler und meint weiters: „Bei den grünen Gebäudetechnologien sind wir sogar Europameister und weltweit Zweiter. Auch bei den klimaschonenden Verkehrstechnologien sowie bei Abwasserklärung und -recycling liegt Österreich bei Patentanmeldungen über dem EU-Schnitt.“
Patentamtspräsidentin Mariana Karepova ergänzt: „In der Innovationsszene passiert ungebremst viel. So war auch letztes Jahr der Run aufs Patentamt so groß wie noch nie. Vor allem Marken und Beratungen waren bei uns stark gefragt. Patentanmeldungen von Österreicher:innen gingen hingegen zurück, sowohl beim Österreichischen Patentamt als auch international.“
Dabei haben Patentprofis, wie große Unternehmen, weiter zugelegt. Bei KMU gab’s Einbrüche beim Patentieren. Die Firmen haben geforscht, entwickelt und erfunden, aber häufig Patentanmeldungen hinausgeschoben. „Dass das Patentieren in Zeiten von Produktions- und Lieferproblemen auf der Strecke bleibt, ist zwar verständlich, aber auf lange Sicht problematisch. Vergisst man nämlich, seine Ideen zu schützen, kann der Wettbewerbsvorteil schnell dahin sein“, zeigt sich Karepova besorgt.
Neue Studie zeigt bei Start-ups größten Optimismus
Gemeinsam mit Joanneum Research hat das Patentamt 500 Kund:innen, Unternehmen und Forschende zu ihren Strategien in der Krise und danach befragt. Die Pandemie ist an niemandem spurlos vorübergegangen. Patentprofis haben aber nach einem Coronaknick 2020 sofort wieder aufgeholt – und sogar eine Steigerung an Patenten erzielt: Neben AVL List, mit einem Rekord 2021, haben sich viele der Top-Anmelder, wie Siemens Mobility, Engel, MIBA, Plasser & Theurer und Trumpf Maschinen, patentmäßig weiter verbessert.
Die KMU hatten hingegen mehrheitlich Probleme. Die Situation ist insofern ungewöhnlich, als die Firmen aktiv waren. Sie haben auch in der Pandemie weiterhin geforscht und entwickelt. Es gilt nicht nur in der Krise, dass KMU grundsätzlich am Anschlag arbeiten.
Wenn man die typischen Aufgaben von Technologiefirmen neben einander stellt, hat die Produktion oberste Priorität. Forschung und Entwicklung ist eine für jeden klar ersichtliche Notwendigkeit – ein Produkt muss weiterentwickelt werden, um im Wettbewerb zu bestehen. Und dass Lieferketten am Laufen gehalten werden müssen, davon kann man in dieser Pandemie ein Lied singen.
Aber: Beim Absichern der Innovationen mit einem Patent liegt der unmittelbare Nutzen noch in der Zukunft. Es wird von Unternehmen zwar als wichtig, aber in der Krisenzeit als nicht dringend empfunden.
Für 61 Prozent der Befragten ist die Pandemie auch ein Treiber für die Erschließung neuer Märkte und für neue, ganz bestimmte Patente auf Innovationen im Softwarebereich und mehr Marken für ihre digitalen Geschäftsmodelle. Am optimistischsten sehen Start-ups die Zukunft: 70 Prozent rechnen mit einem Anstieg ihrer Marken- und Patentanmeldungen.
Österreichs Stärken im weltweiten Vergleich
Österreicher:innen melden am meisten Patente in Österreich (19,3 %), in den USA (21 %) und europäische Patente (20,9 %) an. In Patentzahlen haben wir die EU-Innovation-Leader überholt: im Bereich der Kunststoffe mit den Firmen Borealis, Lenzing oder TU Wien. Im Bereich Halbleiter (Infineon, AMS), im Bereich Elektrotechnik (Tridonic, ZKW, Zumtobel, AVL List), bei Möbeln (Blum), Maschinenbau, Werkzeugen und Spezialmaschinen (Austria, Trumpf Maschinen, Fronius), Mikro- und Nanotechnologie (mit Firmen AMS und EV Group) sowie bei Werkstoffen und Metallurgie (Primetals Technologies).
Bei den grünen Gebäudetechnologien ist Österreich Europameister und weltweit Zweiter. Auch bei den klimaschonenden Verkehrstechnologien und Abwasserklärung und -recycling liegt Österreich bei Patentanmeldungen über dem EU-Schnitt.
Patente und Marken günstig wie noch nie
Auch das Österreichische Patentamt steuert gegen die Krise. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem EUIPO, dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, hat das Österreichische Patentamt den Schritt zum Patent und zur Marke für KMU besonders günstig gemacht.
„Unsere KMU und Start-ups sparen bis zu 50 Prozent bei nationalen Patenten und bis zu 75 Prozent bei Marken – die Förderaktion gilt das ganze Jahr“, so Karepova. Ein österreichisches Patent kostet ab 2022 nur 275 Euro. Das ist die Hälfte der üblichen Gebühr. Eine österreichische Marke kostet mit dieser Förderung 71 Euro.
Österreicher gewinnt Europäischen Erfinderpreis 2021
Die gute Nachricht aus der Welt der heimischen Erfinder:innen: Ein Verfahren, das DNA-Stränge nutzt, um digitale Daten sehr lange zu speichern, bescherte dem Österreicher Robert N. Grass den Europäischen Erfinderpreis 2021 in der Kategorie „Forschung“. Gemeinsam mit seinem Schweizer Kollegen Wendelin Stark nahm er Europas höchste Auszeichnung für Erfinder:innen entgegen. Daten ewig haltbar zu machen, ist dabei die Vision der beiden Forscher der ETH Zürich. Sie setzen das um, indem sie digitale Daten in synthetische DNA kodieren und in winzige Glaskügelchen einschließen.
Zu der Lösung inspiriert hat sie das in Fossilien erhaltene Erbgut, in denen die DNA über Hunderttausende von Jahren konserviert ist. Die patentierte Verkapselungstechnologie liefert einen robusten DNA-Barcode und wurde bereits für die Nachverfolgung in Lieferketten eingesetzt. „Robert N. Grass reiht sich mit seinem DNA-Speicher in die Reihe großer österreichischer Erfinderinnen und Erfinder ein“, kommentiert die Klimaschutzministerin diese Errungenschaft.
„Ein DNA-Speicher, so groß wie ein USB-Stick. Darauf ist Erbgut für eine halbe Ewigkeit gespeichert, oder eine Million Netflix-Folgen. Beides geht sich aus. Das finden nicht nur Serien-Junkies genial, sondern brachte auch den Europäischen Erfinderpreis“, zeigt sich auch Karepova begeistert.
Österreich in der internationalen Erfinder:innenszene etabliert
Mit dem Europäischen Erfinderpreis werden nicht nur herausragende Innovationen ausgezeichnet, sondern auch die Absicht, diese Technologien ins Leben zu bringen und sie allen Menschen zur Verfügung zu stellen. Österreicher:innen wurden immer wieder, voll verdient, für ihre Leistungen mit diesem Preis gewürdigt und sichtbar gemacht. Oft genug passieren Forschung und Entwicklung ja völlig unsichtbar.
Seit 2006 wird der Europäische Erfinderpreis jährlich vom Europäischen Patentamt in den Kategorien Industrie, KMU, Forschung, außereuropäische Staaten und Lebenswerk vergeben. Österreichische Erfinder:innen punkteten bei diesem renommierten Preis der internationalen Erfinder:innenszene in der Vergangenheit bereits mehrmals.
2019 haben Klaus Feichtinger und Manfred Hackl für ihre Technologie, die Abfälle zu hochwertigen Kunststoffpellets aufbereitet, den Preis gewonnen. Davor hat 2017 Oliver Hayden für einen Blutschnelltest für Malaria, 2015 Franz Amtmann für seine Nahfeldkommunikationstechnik (NFC) sowie 2013 Claus Hämmerle und Klaus Brüstle für ihre Stoßdämpfer für Scharniere die Trophäe entgegennehmen können. Österreich kann sich international also durchaus sehen lassen. (VM)
INFO-BOX
Frauenanteil bei Patentanmeldungen lässt zu wünschen übrig
Wenn heute eine Erfindung auf dem Tisch des Patentamts landet, dann ist sie wahrscheinlich von einem Mann. 2020 waren nur sechs Prozent der Patentanmeldungen von Frauen. Das ist beschämend wenig. Das Österreichische Patentamt ist der Sache nachgegangen und hat gemeinsam mit der WU Wien eine Studie gemacht. Die Gründe für das Ungleichgewicht der Geschlechter ist vielfältig: Frauen studieren zwar viel öfter als Männer, aber viel seltener Technik. An den Universitäten forschen sie zwar viel, aber viel weniger in den Unternehmen, wo die meisten Patente entstehen.
Patentamtspräsidentin Marina Karepova erklärt dies so: „Frauen arbeiten häufig in Forschungsteams, aber selten in einer zentralen Position. Daher werden sie auch in den Patenten nicht erwähnt, auch wenn sie mitgemacht und etwas beigetragen haben.“ Die Studie zeigte auf, dass auch die Art, wie Frauen netzwerken, ein möglicher weiterer Grund ist: Mädchen sind meistens mit ihrer besten Freundin sozialisiert, während Buben das Netzwerken von Kindesbeinen an lernen: Sie bewegen sich in größeren Teams, auch in der Freizeit, z. B. beim Fußball. Dieser Nachteil zieht sich dann durchs ganze Leben.
Und: „Wenn Männer in Karenz gehen, Elternteilzeit arbeiten und trotzdem Karriere machen wollen, dann werden sie noch immer schief angeschaut. Letztlich ist es für beide Geschlechter oft schwierig, in Forschung und Technik zu arbeiten und gleichzeitig ihre familiären Pflichten in Einklang zu bringen. Das müssen wir ändern, und zwar für alle Geschlechter“, so Karepova.
Aber es gibt diese Frauen, die erfinden. Wie z. B. Charlotte Ohonin, die ein Gerät erfunden hat, mit dem Medikamente für neurologische Erkrankungen, wie Alzheimer oder Parkinson, am Gehirn eines konkreten Patienten getestet werden, ohne den Körper zu berühren, oder die Staatspreisträgerin Alberta Bonanni, die 2016 mit ihrer Erfindung, einen neuen Halbleiterlaser für den wichtigen Infrarotbereich in der Telekommunikation, den Staatspreis Patent in der Kategorie „Hedy Lamarr“ gewonnen hat. Österreich braucht mehr von ihnen.