OMV in weitreichendem Transformationsprozess.

NEW BUSINESS - NR. 9, NOVEMBER 2017
V. l. n. r.: Rainer Seele (CEO), Reinhard Florey (CFO), Johann Pleininger (Vorstand Upstream), Manfred Leitner (Vorstand Downstream) © OMV AG

Trotz des 15-prozentigen Umsatzrückgangs auf 19,26 Milliarden Euro im Jahr 2016 zeigt sich die OMV AG weiterhin zuversichtlich und schmiedet richtungsweisende Wachstumspläne.

Schwankungen bei Öl- und Gaspreisen, sinkende Raffineriemargen, anhaltender Umsatzrückgang und mehrere Beteiligungsverkäufe – das Jahr 2016 gestaltete sich für den Spitzenreiter unseres aktuellen Industrie-Rankings recht turbulent. Mit einem Konzernumsatz von rund 19 Milliarden Euro und einem Mitarbeiterstand von über 23.000 im Jahr 2016 bleibt die OMV Aktiengesellschaft aber nach wie vor das größte börsennotierte Industrieunternehmen Österreichs. „Der Fall des Ölpreises – dem massiven Überangebot geschuldet –, den wir insbesondere seit Mitte 2014 an den Märkten gesehen haben, hat die Industrie vor große Herausforderungen gestellt. Die Produzenten waren zu großen Anpassungen gezwungen“, erklärt OMV-Vorstand Rainer Seele im Geschäftsbericht 2016. „Wir sehen es als eine besondere Leistung an, dass wir auf Konzernebene den Ölpreis, den wir benötigen, um einen positiven freien Cashflow zu erwirtschaften, von USD 70/bbl im Jahr 2015 auf USD 35/bbl im Jahr 2016 reduzierten.“

Ups and Downs
Im Bereich Upstream verfügt die OMV über eine starke Basis in Rumänien und Österreich und ein ausgeglichenes internationales Portfolio. 2016 lag die Tagesproduktion bei rund 311.000 Barrels Of Oil Equivalent Per Day (boe/d). Im Bereich Downstream verfügt die OMV über eine jährliche Raffineriekapazität von 17,8 Millionen Tonnen und mehr als 2.000 Tankstellen in zehn Ländern per Juni 2017. Die OMV betreibt ein Gaspipelinenetz in Österreich und Gasspeicher in Österreich und Deutschland. 2016 hat die OMV in etwa 109 Terawattstunden (TWh) Gas verkauft.
Kostensenkungen und Effizienzverbesserungen brachten der OMV Einsparungen in Höhe von 200 Millionen Euro. Unterstützt durch ein starkes Down­stream-Ergebnis konnte ein CCS EBIT vor Sondereffekten von 1.110 Millionen erwirtschaftet werden. Nach Dividenden, inklusive Veränderungen aus nicht beherrschenden Anteilen, lag der freie Cashflow im Jahr 2016 bei 1.105 Millionen Euro und reflektiert vor allem den Mittelzufluss aus der Veräußerung des Minderheitsanteils von 49 Prozent an Gas Connect Austria. Mit –457 Millionen Euro lag das Konzern-EBIT über dem Niveau von 2015 (2.006 Mio).
Mit dem Fokus auf die finanzielle Konsolidierung habe die OMV in den Jahren 2015 und 2016 die Basis für neues, profitables Wachstum geschaffen. Ziel sind vor allem größere Öl- und Gasvorkommen mit entsprechend attraktiveren Produktionskosten. Wachstum in Russland und im Mittleren Osten ist die Antwort der OMV auf die strategische Frage, wie künftig Reserven nachhaltig ersetzt werden.

Entscheidende Wachstumsstrategien
In Russland will die OMV nun eine neue Kernregion aufbauen. Mit der Unterzeichnung eines geplanten Asset Swaps wurde der erste Schritt in diese Richtung getätigt. Die OMV soll knapp 25 Prozent am kosteneffizienten Achimov-IV/V-Projekt im Urengoi-Feld in Westsibirien erhalten. Weitere Partner sind Gazprom und Wintershall. Im Gegenzug soll Gazprom 38,5 Prozent der Anteile an der OMV Norge erhalten. Damit erhält die OMV Reserven von 560 Millionen boe, was dem Fünffachen der Produktion im Jahr 2016 entspricht. Zusätzlich hat die OMV im März 2017 eine Vereinbarung über den Kauf eines 24,99-Prozent-Anteils am Erdgasfeld Juschno Russkoje in Westsibirien unterzeichnet. Diese Transaktion soll weitere 580 Millionen boe Reserven und 100.000 boe/d Produktion zum OMV-Portfolio hinzufügen.
In Libyen wurde die Produktion Anfang 2017 wieder gestartet und die Anteile an vier „Exploration und Production Sharing Agreements“ im Sirte-Becken erhöht. Mit dieser Transaktion soll im Laufe der Zeit die Produktion in Libyen auf bis zu 50.000 Barrels per Day (bbl/d) gesteigert werden. Darüber hinaus arbeitet der Konzern am Ausbau der engen Zusammenarbeit mit Abu Dhabi, einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem zweiten Kernaktionär Mubadala (zuvor IPIC). Die OMV hat einen Vertrag mit ADNOC über eine ganze Reihe zu entwickelnder Offshore-Öl- und -Gasfelder im Nordwesten Abu Dhabis unterschrieben. Im Mai 2017 wurde eine Absichtserklärung mit der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) über die Evaluierung und die Bewertung von geschäftlichen Möglichkeiten bei Downstream-Projekten unterzeichnet.
Im Iran verstärkt die OMV die Aktivitäten und hat 2016 ein Memorandum of Understanding mit der National Iranian Oil Company unterzeichnet.
Nach der kompletten Übernahme der EconGas, der erfolgreichen Integration und Umfirmierung in die OMV Gas Marketing & Trading, wurde bereits 2016 eine Offensive gestartet, um die Gasverkäufe in Deutschland zu steigern. „Unser Ziel ist es, bis 2025 einen Marktanteil von zehn Prozent zu erreichen“, heißt es seitens der OMV.
Das Erfolgsmodell der OMV im Diskont-Tankstellenbereich in Österreich eigne sich auch bestens für den deutschen Markt und soll dort weiterentwickelt werden. Für Aldi Süd will die OMV in Süddeutschland sowohl den Betrieb als auch die Organisation von Tankstellen übernehmen. Derzeit sind zehn Stationen geplant. „In den kommenden Jahren entscheiden wir gemeinsam mit unserem neuen Partner Aldi Süd über den weiteren Ausbau.“

Alternative Mobilitätsleistungen
Ein weiterer Punkt auf der weitreichenden Transformationsagenda der OMV sind alternative Antriebe, die seit dem Klimaabkommen von Paris zunehmend an Bedeutung gewinnen. Der OMV-Experte für neue Technologien Paul Schöffl geht davon aus, dass der Treibstoff-Mix an der Tankstelle der Zukunft ein sehr breiter sein wird. Auch wenn fossile Treibstoffe weiterhin eine große Rolle spielen werden, ist Elektromobilität in Form von Strom und Wasserstoff eine ernstzunehmende Alternative. „Der Ausbau erneuerbarer Energien, die Klimaschutzziele zur Emissionsreduktion und auch die Weiterentwicklung von alternativen Antriebssystemen gewinnen verstärkt an Dynamik und verdichten sich zu einem zunehmenden Wachstumsmarkt für elektrische Antriebssysteme“, so Schöffl. Eine Entwicklung, auf die die OMV unlängst mit ihrem Einstieg beim E-Mobilitäts-Dienstleister SMATRICS reagiert hat. „Es freut mich, dass wir mit dieser innovativen Partnerschaft bereits heute die ersten Meilensteine setzen konnten“, erklärt Manfred Leitner, OMV Vorstand verantwortlich für Downstream. „Mit der Beteiligung an SMATRICS engagieren wir uns in einem neuen und schnell wachsenden Technologiebereich. Gleichzeitig bieten wir Kunden verstärkt eine zusätzliche alternative Mobilitätsleistung und gehen damit einen weiteren Schritt in Richtung nachhaltiger Energiezukunft. Gemeinsam mit VERBUND arbeiten wir an weiteren Projekten, um die Versorgungssicherheit und Effizienz unserer Raffinerien zu steigern und erneuerbare Energien einzusetzen.“
Für die OMV ist das Thema Wasserstoff für die Mobilität eines der zentralen Zukunftsszenarien, da dieses Element beinahe unbegrenzt verfügbar und emissionsarm ist. Bei der Herstellung von Wasserstoff kann die OMV auf breite Erfahrung aufbauen. Bereits heute könne die Raffinerie Schwechat rund 50.000 Tonnen Wasserstoff jährlich produzieren.
Die OMV betreibt in Wien Österreichs erste öffentliche Wasserstoff-Tankstelle, seit 2015 eine Station in Innsbruck, 2016 folgte die Eröffnung der dritten OMV Wasserstoff-Tankstelle in Asten bei Linz. Im März 2017 ging in Graz-Liebenau die vierte Wasserstoff-Tankstelle der OMV in Betrieb – für Österreich ein bedeutender Schritt zur Erschließung wichtiger europäischer Hauptverkehrsrouten für die Wasserstoff-Mobilität, denn sie ermöglicht die Anbindung Österreichs an ein europaweites Wasserstoff-Tankstellennetz für Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Bis Jahresende soll das Netz an heimischen Wasserstoff-Tankstellen der OMV auf fünf Stationen wachsen. In Deutschland sind bereits fünf OMV Wasserstoff-Tankstellen in Betrieb. Zwei davon in Baden-Württemberg und weitere drei in Bayern. In den kommenden Jahren ist der Aufbau weiterer Stationen geplant. So ist die OMV Gesellschafter der H2 MOBILITY, deren Ziel es ist, bis Ende 2023 rund 400 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland zu errichten.
Darüber hinaus ist die OMV Unterzeichnerin des UN Global Compact und bekennt sich dazu, die Ziele nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs – Sustainable Development Goals) zu unterstützen – mit dem Thema Wasserstoff-Mobilität insbesondere die Ziele „Bezahlbare und saubere Energie“, „Industrie, Innovation und Infrastruktur“ sowie „Nachhaltige/r Konsum und Produktion.“ (BO)

INFO-BOX
OMV-Forschungsprojekte und -Investments in innovative Technologien

• Beispiel Co-Processing:
Beimischung von biogenen Anteilen bereits während des Raffinierungsprozesses – biogene und konventionelle Komponenten werden gemeinsam verarbeitet. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung des Anteils ­erneuerbarer Energie im Mobilitätsbereich geleistet.
• Beispiel ReOil:
Kunststoffe als wertvoller Rohstoff werden in dem ­innovativen Recycling-Verfahren ReOil zu synthetischem Rohöl umgewandelt. Dieses synthetische Rohöl kann
im Anschluss in der Raffinerie zu Treibstoffen weiter­verarbeitet werden oder als Grundstoff für die ­Kunststoffindustrie dienen.