IT, ERP, CRM • INNOVATIVE INDUSTRIE
JULI/AUGUST 2021 | INNOVATIONS • NEW BUSINESS 51
neuen ERP-Systems sind aber relativ eindeutig: Die Ablösung
der vorhandenen ERP-Infrastruktur erfolgt überwiegend (ca.
53% der Installationen), weil die vorhandene Lösung den Anforderungen
des Betriebs nicht mehr gerecht wird, sei es in
technologischer Hinsicht (beispielsweise Integration mit anderen
Systemen, Passung zur Hardware-/Datenbanktechnologie,
mobile Zugriffsmöglichkeiten) oder mangels notwendiger
Funktionalität.
So stellen Unternehmen zum Beispiel häu g fest, dass die
vorhandene ERP-Infrastruktur nicht in der Lage ist, neue
Anforderungen aufgrund veränderter Unternehmensstrukturen,
etwa Übernahmen beziehungsweise Verkauf von
Unternehmensteilen zu erfüllen. Offenbar schlägt die oft zitierte
Dynamik durch Zu- und Verkäufe von Unternehmen,
Standortverlagerungen etc. sowie intensive Bemühungen um
rationellere Arbeitsabläufe stärker als früher auf die ERPInfrastruktur
durch. So stellt beispielsweise die zunehmende
Internationalisierung der Anwenderunternehmen manche
ERP-Software vor gravierende Herausforderungen.
AUSWAHLGRÜNDE FÜR ERP-LÖSUNGEN
In der betrieblichen Praxis sind die bei der Auswahl einer
ERP-Lösung ausschlaggebenden Gründe für die Investitionsentscheidung
ausgesprochen vielfältig. Sie hängen nicht
zuletzt von den Rahmenbedingungen und der Zielsetzung
des Projektes sowie von der Interessenslage der beteiligten
Akteure in einem Unternehmen ab.
Dennoch ergibt die Analyse der Auswahlgründe ein recht
eindeutiges Bild der Präferenzen, die für Anwenderunternehmen
bei ERP-Investitionen ausschlaggebend sind: Demnach
sind die wichtigsten Anforderungen „funktionale Eignung“
(ausschlaggebend in fast 59 % der Projekte), „Flexibilität der
Software“ (ca. 39 %) und „Praktikabilität/Mittelstandseignung“
(ca. 39 %). Auf den Plätzen folgen „Kosten-Nutzen-
Verhältnis“, „Benutzerführung/Ergonomie“, „Kompetenz &
Auftreten des Anbieters“ sowie „Moderne Technologie der
Lösung“ (zwischen 23 % und 29 %).
AKTUELLE SYSTEME ERHÖHEN ZUFRIEDENHEIT
Im Schnitt wurden die von den Befragten eingesetzten Systeme
vor elf Jahren eingeführt und vor über drei Jahren das
letzte Mal aktualisiert. Nicht überraschend, aber durch die
Studie auch empirisch bestätigt, ist eine Korrelation zwischen
guten Bewertungen und dem Zeitpunkt des letzten Systemwechsels.
Je aktueller die genutzten Systeme sind, desto besser
schneiden diese ab. Die Einschätzung der mobilen Einsetzbarkeit
sinkt z. B. im Vergleich zu gerade aktualisierten
Systemen um eine dreiviertel Note, wenn Unternehmen auf
mehr als 6 Jahre alten Release-Ständen arbeiten.
TECHNOLOGISCHE TRENDS
Im Rahmen der Studie „ERP in der Praxis“ machten mehr als
2.000 deutschsprachige Anwender Angaben zu den aus ihrer
Sicht wichtigsten ERP-Trends. Auffällig ist die Zunahme von
Digitalisierungsthemen wie Internet der Dinge (IoT), Plattform
Wirtschaft oder Machine Learning / Künstliche Intelligenz,
die die befragten Unternehmen signi kant stärker als
„äußerst relevant“ eingestuft haben als in der Befragung vor
zwei Jahren. Neu in der Liste ist der Punkt „No Code / Low-
Code“; unter diesem Stichwort verstehen Anbieter Angebote,
die es Anwenderunternehmen ermöglichen, ohne große Programmierkenntnisse
funktionale Ergänzungen ihrer bestehenden
Software selbst zu erstellen.
No-Code-/Low-Code(NC/LC)-Systeme haben bisher keine
weite Verbreitung, es ist aber absehbar, dass ihre Relevanz
zunehmen wird: Die Geschwindigkeit, mit der sich Unternehmensprozesse
ändern, hat schon in den letzten Jahren
stark zugenommen und wird sich wohl auch in Zukunft vergrößern.
NC-/LC-Systeme könnten dann die Lösung sein,
um auch die Business-Software schnell an die geänderten
Prozesse anpassen zu können. Auch die zunehmende Digitalisierung
wird hier einen entsprechenden Ein uss haben.
Für ERP-Systeme, die keine einfache Erweiterungsfähigkeit
mitbringen, stellen solche Plattformen daher eine hilfreiche
Ergänzung dar.
Entscheidend ist, dass ein Zugriff auf die ERP-Kernfunktionen
immer über eine stabile API erfolgt und sich keine Parallel
welt in den NC/LC-Apps aufbaut. Das ERP-System sollte
die „single source of truth“ bleiben. Andernfalls entsteht eine
Lösung; die auf Dauer nicht mehr mit vertretbarem Aufwand
gewartet werden kann und Inhalte laufen gegebenenfalls
auseinander.
VORMARSCH DER KÜNSTLICHEN INTELLIGENZ
Unternehmen müssen in der Lage sein, ihre Entscheidungen
schneller auf der Basis von mehr Informationen zu treffen,
sich auf Automatisierung zu fokussieren, in Echtzeit Risikobewertungen
vorzunehmen und agil ihre Entscheidungen
und Strategien an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen.
Dabei spielen Verbesserungen, die auf Basis von Anwendungen
künstlicher Intelligenz basieren, für die befragten
Anwender eine große Rolle. Ein Drittel sieht beispielsweise
das Thema als relevant in den Bereichen der automatischen
Anpassung von Dispositionsparametern wie Bestandsmanagement
oder Arbeitsplanung, im Segment Predictive Maintenance
oder in der automatisierten Kundenbetreuung via
Chatbots und virtuellen Assistenten an. Trotz vorhandener
Out-of-the-Box-KI-Lösungen wird auf Seiten der Anwenderunternehmen
Aufwand zur Datenbereitstellung, Auswahl
der passenden Algorithmen, Überwachung sowie zum Training
von anwendbaren Modellen entstehen, schätzt der deutsche
Digitalverband Bitkom in seinem aktuellen ERP-Trend-
Check 2021. Dazu ist Expertenwissen in den Unternehmen erforderlich.
Es entstehen teils neue Rollen, zu denen neben den
Data Scientists, KI-Entwicklern und Administratoren auch
KI-Manager, KI-Trainer und KI-Controller gehören können.
Die Einbindung und Nutzung von künstlicher Intelligenz
wird die ERP-Landschaft deutlich verändern und zu einem