Die EU will das Lieferkettengesetz verschieben © APA - Austria Presse Agentur
Lieferkettengesetz, nachhaltige Finanzprodukte und eine CO2-Abgabe auf Importe: Mit Vorschriften wie diesen will die EU beim Klimaschutz und der Achtung von Menschenrechten eigentlich weltweit vorangehen. Nach massenhaften Klagen aus der Wirtschaft und im Wettbewerb mit den USA rudert Brüssel nun allerdings zurück: Die EU-Kommission will am Mittwoch deutliche Erleichterungen für Unternehmen vorschlagen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine "beispiellose Anstrengung" für den Abbau von Regeln versprochen. Den Anfang macht nun unter anderem das mühsam ausgehandelte Lieferkettengesetz, wie aus Entwürfen für die Pläne der Kommission hervorgeht. Brüssel will das Gesetz um zwei Jahre verschieben und eindampfen.
Abschwächungen
Unternehmen sollen laut den Entwürfen die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards künftig nur bei ihren direkten Geschäftspartnern sicherstellen müssen, nicht wie bisher vorgesehen in der gesamten Lieferkette. Ein Nachweis dafür würde nicht jährlich, sondern nur noch alle fünf Jahre fällig. Eine EU-weite zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Vorgaben will die Kommission demnach wieder abschaffen.
Außerdem könnten Vorgaben für die Berichterstattung über Nachhaltigkeit nur noch für große Firmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten gelten. Rund 90 Prozent der bisher betroffenen Unternehmen sollen zudem von einer Abgabe auf CO2-Emissionen von Importen ausgenommen werden, weil sie nach Angaben der Kommission nur für einen kleinen Anteil der Treibhausgase verantwortlich sind.
Ihre Pläne will die Kommission am Mittwoch vorstellen, dann verhandeln darüber das Europaparlament und die 27 EU-Länder - die das Gesetz erst im vergangenen Jahr abgesegnet hatten. "Manchmal machen wir Fehler", sagte die französische Europaabgeordnete Marie-Pierre Vedrenne (Liberale). Das müsse sich das Parlament angesichts der veränderten Weltlage seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump eingestehen.
Die Umweltorganisation Client Earth kritisierte die Kommissionsentwürfe als "völligen Blödsinn" und verwies auf Unternehmen, die sich bereits an den Vorgaben orientieren. Mit Blick nach Washington sagte die Client-Earth-Anwältin Amandine Van Den Berghe, ein Rennen mit den USA um den Abbau von Regeln werde Europa "nicht gewinnen".
Energiepreise
Auch hohe Energiepreise sind für europäische Unternehmen ein Nachteil im Wettbewerb mit der US-Konkurrenz. Die Kommission will am Mittwoch deshalb einen Aktionsplan für bezahlbare Energie vorlegen. Brüssel setzt den Entwürfen zufolge auf langfristige Verträge für Industrieabnehmer, die in Teilen durch Garantien der Europäischen Investitionsbank gedeckt werden sollen.
Neben dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien will die Kommission den Import von Flüssiggas (LNG) von "verlässlichen" Handelspartnern vorantreiben. So gelten zusätzliche LNG-Importe aus den USA als Option in Verhandlungen mit Präsident Trump und als Alternative zu russischem Gas. Brüssel zeigt sich außerdem offen für eine Unterstützung europäischer Investitionen in Flüssiggas-Terminals in den Exportländern, etwa durch vergünstigte Kredite.
Die Kommission will den EU-Ländern demnach empfehlen, Energiesteuern zu senken und die Netzgebühren zu reformieren. Zudem sollen dynamische Stromtarife helfen, bei denen sich der Preis pro Kilowattstunde am aktuellen Börsenpreis orientiert und so stündlich schwanken kann. Wer etwa sein Elektroauto bei einem niedrigeren Strompreis tankt, könnte damit Geld sparen.
Industrieförderung
Die Kommission setzt sich den Entwürfen zufolge für vergünstigte Leasing-Programme für Wärmepumpen und Elektroautos ein. Solche Programme sollen allerdings die EU-Staaten selbst einrichten. In den Entwürfen ist zudem von einem Vorzug europäischer Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen und großzügigeren Vorgaben für Staatshilfen der einzelnen Mitgliedsländer die Rede.
Nach Vorstellung aus Brüssel soll auch der EU-Haushalt künftig einen umfangreichen Topf für die Industrieförderung bereitstellen. Darüber entscheidet allerdings nicht die Kommission, sondern die 27 EU-Länder in den oft langwierigen Verhandlungen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen.
Österreich
Aus Österreich kam von den Vertretern der großen Wirtschaftsverbände wie der Wirtschaftskammer (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV) zuletzt stets laute Rufe nach einem Bürokratieabbau. Die Arbeiterkammer (AK) warnte hingegen vor einem Abbau von Demokratie, der mit einem Kahlschlag bei Vorgaben einhergehen könnte.