Österreich ist ein Land der Erfinderinnen und Erfinder. © mohamed Hassan/Pixabay
Zuletzt wurden weltweit 11.031 Patente made in Austria angemeldet. Damit ist Österreich in der EU auf Platz fünf und weltweit an die zehnte Stelle vorgerückt ...
... Im vergangenen Jahr war der Run auf das Patentamt so groß wie noch nie.
Insgesamt wurden letztes Jahr 2.480 Erfindungen beim Österreichischen Patentamt angemeldet. Das Bundesland Nummer eins ist, trotz eines Rückgangs von zwölf Prozent, weiterhin Oberösterreich mit 561 Erfindungen (Vorjahr: 638). Platz zwei und drei belegen die Steiermark mit 490 (522) und Wien mit 372 (436) Erfindungen. Eine Erfinderin oder einen Erfinder trifft man am ehesten in Vorarlberg – es liegt auf Platz eins bei der Anzahl an Erfindungen pro Einwohner:in.
„Österreich ist ein Land der Erfinderinnen und Erfinder. Zuletzt wurden weltweit 11.031 Patente made in Austria angemeldet. Wir sind somit in der EU auf Platz fünf und weltweit an die zehnte Stelle vorgerückt. Das sind wirklich tolle Nachrichten, und was mich besonders freut: Viele Klimaschutzpatente machen uns fit für den Wettbewerb der Zukunft. Sie stärken eine klimafreundlich ausgerichtete Wirtschaft und unsere internationale Vorreiterrolle. Bei den grünen Gebäudetechnologien sind wir sogar Europameister und weltweit Zweiter. Auch bei den klimaschonenden Verkehrstechnologien und bei Abwasserklärung und -recycling liegt Österreich bei Patentanmeldungen über dem EU-Schnitt“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler in diesem Zusammenhang.
Dazu Patentamtspräsidentin Mariana Karepova: „In der Innovationsszene passiert ungebremst viel. So war auch letztes Jahr der Run aufs Patentamt so groß wie noch nie. Vor allem Marken und Beratungen waren bei uns stark gefragt. Patentanmeldungen von Österreicherinnen und Österreichern gingen hingegen zurück, sowohl beim Österreichischen Patentamt als auch international.“
Strategien in der Krise
Gemeinsam mit dem Joanneum Research hat das Patentamt 500 Kundinnen und Kunden, Unternehmen und Forschende zu ihren Strategien in der Krise und danach befragt. Die Pandemie ist an niemandem spurlos vorübergegangen. Patent-Profis haben aber nach einem Corona-Knick 2020 sofort wieder aufgeholt und sogar eine Steigerung an Patenten erzielt:
Die Nummer eins in Österreich ist AVL List mit 205 angemeldeten Erfindungen, gefolgt von Julius Blum (70) und Zumtobel (34). Auch viele weitere Top-Anmelder wie Siemens Mobility, Engel, Miba, Plasser & Theurer und Trumpf Maschinen haben sich verbessert.
KMU hatten hingegen mehrheitlich Probleme. Die Situation ist insofern ungewöhnlich, als die Firmen aktiv waren. Sie haben auch in der Pandemie weiterhin geforscht und entwickelt. Es gilt nicht nur in der Krise, dass KMU grundsätzlich am Anschlag arbeiten. Wenn man die typischen Aufgaben von Technologiefirmen nebeneinanderstellt, hat die Produktion oberste Priorität.
Forschung und Entwicklung ist eine für jeden klar ersichtliche Notwendigkeit – ein Produkt muss weiterentwickelt werden, um im Wettbewerb zu bestehen. Und dass Lieferketten am Laufen gehalten werden müssen, davon kann man in dieser Pandemie ein Lied singen. ABER: Beim Absichern der Innovationen mit einem Patent liegt der unmittelbare Nutzen noch in der Zukunft. Es wird von Unternehmen zwar als wichtig, aber in der Krisenzeit als nicht dringend empfunden.
„Dass das Patentieren in Zeiten von Produktions- und Lieferproblemen auf der Strecke bleibt, ist zwar verständlich, aber auf lange Sicht problematisch. Vergisst man nämlich, seine Ideen zu schützen, kann der Wettbewerbsvorteil schnell dahin sein“, zeigt sich Karepova besorgt.
Für 61 Prozent der Befragten ist die Pandemie auch ein Treiber für die Erschließung neuer Märkte und für neue, ganz bestimmte Patente auf Innovationen im Softwarebereich und für mehr Marken für ihre digitalen Geschäftsmodelle. Am optimistischsten sehen Start-ups die Zukunft: 70 Prozent rechnen mit einem Anstieg ihrer Marken- und Patentanmeldungen.
Österreichs Stärken im weltweiten Vergleich
Österreicher:innen melden am meisten Patente in Österreich (19,3 %), in den USA (21 %) und europäische Patente (20,9 %) an. In Patentzahlen hat Österreich die EU-Innovation-Leader überholt: im Bereich der Kunststoffe mit den Firmen Borealis, Lenzing oder TU Wien, im Bereich Halbleiter (Infineon, AMS), im Bereich Elektrotechnik (Tridonic, ZKW, Zumtobel, AVL List), bei Möbeln (Blum), in Maschinenbau, Werkzeugen und Spezialmaschinen (Austria, Trumpf, Fronius), Mikro- und Nanotechnologie (AMS, EV Group) sowie bei Werkstoffen und Metallurgie (Primetals Technologies).
Bei den grünen Gebäudetechnologien ist Österreich Europameister und weltweit Zweiter. Auch bei den klimaschonenden Verkehrstechnologien und Abwasserklärung und -recycling liegt Österreich bei Patentanmeldungen über dem EU-Schnitt.
Patente und Marken günstig wie nie
Auch das Österreichische Patentamt steuert gegen die Krise. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem EUIPO, dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, hat das Österreichische Patentamt den Schritt zum Patent und zur Marke für KMU besonders günstig gemacht. „Unsere KMU und Start-ups sparen bis zu 50 Prozent bei nationalen Patenten und bis zu 75 Prozent bei Marken – die Förderaktion gilt das ganze Jahr“, so Karepova.
Ein österreichisches Patent kostet ab 2022 demnach 275 Euro. Das ist die Hälfte der üblichen Gebühr. Eine österreichische Marke kostet mit dieser Förderung 71 Euro.
Das neue EU-Einheitspatent
Noch einfacher soll der Zugang mit dem EU-Einheitspatent werden, das im zweiten Halbjahr 2022 kommen soll. „Wir helfen KMU, jungen Unternehmen und allen Forschenden auf den Sprung zum neuen europäischen Einheitspatent. Wir checken ihre Erfindungen, beraten und begleiten sie, wenn sie mit dem Einheitspatent groß durchstarten möchten“, sagt Mariana Karepova. Ein Einheitspatent wird durchschnittlich rund 5.600 Euro kosten.
Statt einer Gebühr für jedes Land, in dem der Patentschutz angestrebt wird, gibt es beim Einheitspatent nur eine einzige Gebühr für alle teilnehmenden Staaten. Zum Vergleich: Bisher konnten Erfinder:innen zum gleichen Preis ihre Erfindung nur in vier Ländern schützen, mit dem Einheitspatent in 17. Anmeldung und Erteilung erfolgen über das Europäische Patentamt.
Das Österreichische Patentamt unterstützt bei der Entscheidung für den neuen Weg zum Patentschutz in Europa mit einer Informationsoffensive ab dem Frühjahr 2022. Auch beim neuen Einheitspatent gilt: Der beste Weg zum Schutz beginnt mit einer professionellen Recherche beim Österreichischen Patentamt. Dort bekommt man die professionelle Einschätzung, ob eine Erfindung neu und patenttauglich ist.
Zu Beginn werden 17 Länder dabei sein: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Slowenien. In diesen Ländern gilt das Einheitspatent. Im Vollausbau können es bis zu 24 Mitgliedsstaaten werden.
Das Einheitspatent kann wie das bisherige europäische Bündelpatent in Deutsch, Englisch oder Französisch angemeldet werden. Während einer Übergangsfrist von mindestens sechs Jahren müssen alle Einheitspatente ins Englische oder in eine weitere Amtssprache der EU übersetzt werden. Danach meldet man nur noch in einer Amtssprache der EU an, und es ist keine weitere Übersetzung mehr nötig.
Eine 30 Jahre währende Reise
Der Nationalrat hat am 19. November 2021 das Protokoll zum Einheitspatentgericht einstimmig beschlossen. Am 2. Dezember 2021 wurde es auch im Bundesrat ratifiziert. Das ist die letzte Etappe in einer mehr als 30 Jahre dauernden Reise, die Österreich gemeinsam mit anderen EU-Ländern angetreten ist.
Das nun beschlossene Protokoll (Protokoll zur vorläufigen Anwendung notwendiger Bestimmungen aus dem Vertrag für das Einheitspatentgericht) sieht vor, dass die Vorbereitungen für das Einheitspatentgericht starten.
In Wien wird eine lokale Kammer des Einheitspatentgerichts eingerichtet, sodass österreichische Beklagte jedenfalls ihr Patent vor Ort verteidigen können, aber auch gegen im Inland aufgetretene Rechtsverletzungen vorgehen können. Die zentralen Kammern dieses neuen internationalen Gerichts sollen in Paris und München entstehen. Ursprünglich war auch eine zentrale Kammer in London vorgesehen, das Vereinigte Königreich ist aber nach dem Brexit nicht mehr beim Einheitspatent dabei. (RNF)