Mehr Start-ups braucht das Land

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 1/2022
Start-ups könnten der Wind unter den Flügeln von Österreichs Wirtschaft sein. Könnten, wohlgemerkt. © Ian Schneider/Unsplash

Eine aktuelle Studie hat sich der Untersuchung von möglichem Aufholpotenzial für den Wirtschaftsstandort Österreich gewidmet. Als Hebel sollen Start-ups dienen ...

... Ohne mehr politische Unterstützung wird das aber nicht funktionieren.

Um es positiv zu formulieren: Es ist noch Luft nach oben. Unter der Koordination der Austrian Angel Investors Association (aaia) hat das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria eine Studie zur Wertschöpfung von Start-ups in Österreich durchgeführt. Ziel der Studie war es, mögliches Aufholpotenzial für den Wirtschaftsstandort Österreich im internationalen Vergleich zu identifizieren und geeignete Handlungsempfehlungen zur Überwindung bestehender Hindernisse zu formulieren.

„Die Ergebnisse machen deutlich, dass Start-ups nicht nur heute schon einen Milliarden-Wirtschaftsfaktor darstellen, sondern dass sie in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren zum wesentlichen Faktor unserer Wirtschaft aufsteigen werden. Nun gilt es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und strukturelle sowie institutionelle Faktoren anzupassen“, kommentierte Amelie Groß, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, die Studie bei der Präsentation Ende Mai. 

Jungunternehmen spielen Eine bedeutende Rolle
Denn gerade wenn es darum geht, das gesamtwirtschaftliche Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft zu fördern, spielen innovative Jungunternehmen eine bedeutende Rolle. Im internationalen Vergleich weist Österreich allerdings eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Start-ups auf. Bei einer genaueren Betrachtung aller europäischen Länder befindet man sich hierzulande zwar im Mittelfeld, jedoch liegen so gut wie alle „alten“ EU-Länder in dieser Hinsicht vorn. 

Konkret sind hierzulande pro Million Einwohner 687 Start-ups und Scale-ups registriert. Im direkten Vergleich mit der Spitze Europas finden sich jedoch in den Niederlanden herausragende 2.400 und im Vereinigten Königreich beachtliche 1.811 derartige Unternehmen. Um die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen einer erhöhten Gründungsrate für den Standort Österreich zu analysieren, hat EcoAustria eine Anhebung auf die Anzahl der Start-ups der beiden Spitzenländer – Niederlande und Vereinigtes Königreich – simuliert. Bezugnehmend auf die Niederlande würde dies einen Anstieg von 6.200 auf 21.400 Unternehmen bedeuten.

Nach zehn Jahren würden die Investitions- und Beschäftigungseffekte in diesem Szenario demnach auf 1,3 Prozent bzw. 12.000 Beschäftigte steigen und nach 20 Jahren bereits auf 2,5 Prozent und 26.000 Beschäftigte. In diesem Fall würde das BIP der Untersuchung zufolge nach zehn Jahren um 5,7 Milliarden Euro und nach 20 Jahren um 11,9 Milliarden Euro höher liegen. 

Wird das Vereinigte Königreich als Maßstab herange­zogen, würde dies in der Hochrechnung einen Anstieg von 6.200 auf knapp 16.200 Unternehmen zur Folge ­haben. Die Investitions- und Beschäftigungseffekte würden dabei nach zehn Jahren um 0,8 Prozent bzw. 8.000 Beschäftigte und nach 20 Jahren bereits um 1,6 Prozent bzw. 17.300 Personen steigen. Das BIP wäre in diesem Szenario nach zehn Jahren um 3,8 Milliarden Euro und nach 20 Jahren um 7,8 Milliarden Euro höher.   

Investitionen in digitale Informations- und Kommunikationstechnologien würden dabei zu einem höheren Wachstumsbeitrag führen als herkömmliche Investitionen. Bis 2028 würde dies – bei einem Aufschließen Österreichs in die Spitzengruppe der europäischen Länder – in einem jährlichen Wachstum zwischen 2,2 und 2,4 Milliarden Euro resultieren. Der kumulative Effekt über die Jahre der Ausweitung der Digitalisierung würde in diesem Szenario etwa 14 Milliarden Euro betragen.

Dazu Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria: „Start-ups tragen durch ihre Innovationskraft aktiv zu einem nachhaltigen Wachstum auf der Angebotsseite bei. Dadurch verbessern sie die Grundstruktur der Gesamtwirtschaft.“

Empfehlungen für Österreich
Auf Basis dieser Berechnungen stellt sich die Frage, welche Maßnahmen in Österreich konkret gesetzt werden können, um die Start-up-Rate zu erhöhen und folglich das gesamtwirtschaftliche Wachstumspotenzial zu verbessern. 

Zu den aktuellen Herausforderungen heimischer Start-ups zählen unter anderem restriktive Regulierungen bei der Gründung und beim Marktzugang sowie auch im späteren Verlauf entstehende bürokratische Hindernisse. Diese betreffen den Verkauf von Unternehmensanteilen, die Einbringung von Investor:innen oder die Incentivierung von Mitarbeiter:innen. 

­Einige dieser Hürden werden derzeit bereits in einem ­Reformpaket für eine neue, flexible Kapitalgesellschaft ­adressiert. Das Ziel: ein einfaches, flexibles und unbürokratisches Gründungsverfahren mit Rechtssicherheit und Investorenschutz. Darunter fallen Maßnahmen wie die elektronische Firmengründung oder auch die Möglichkeit, Dokumente in englischer Sprache einzureichen, was vor allem im Kontext der Internationalisierung und Standort­attraktivität förderlich ist.

Weitere wichtige Rollen spielen die Herabsetzung des Mindestkapitals zur Gründung einer GmbH sowie ein schnelleres Verfahren bei der Eintragung ins Firmenbuch. Was die steuerlichen Anreize für privates Beteiligungskapital betrifft, können laut den Studienautoren Steuerfreibeträge oder Gutschriftenmodelle weiterhin als sinnvolle Maßnahmen erachtet werden. 

Eine überlegenswerte Option im Sinne der Erweiterung der Flexibilität von Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Produkte und Prozesse stellt dem Bericht zufolge der vermehrte Einsatz von Sandbox-Regulierungen dar. Solche „Sandkästen“ erlauben den jungen Umternehmen eine Art Testbetrieb unter erleichterten Bedingungen und finden derzeit – unter anderem in Österreich – im regulatorisch höchst anspruchsvollen Fin-Tech-Bereich Anwendung. Sie könnten sich laut der Studie vor allem in Bereichen mit hoher sozialer und gesellschaftlicher Innovationsdynamik als sinnvoll erweisen. 

Nicht zuletzt wird auch die mangelnde Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter:innen als besondere Hürde für viele Start-ups erachtet. Hier liegt die größte Herausforderung darin, Mitarbeiter:innen zu rekrutieren, die dem Qualifikationsanspruch des jeweiligen Unternehmens entsprechen. Da der Personalbedarf am österreichischen Arbeitsmarkt oftmals nicht gedeckt werden kann, verlagert sich die Suche immer häufiger ins Ausland, was den gesamten Recruiting-Prozess verlangsamt. Neben bisherigen Regelungsformen wie der Rot-Weiß-Rot-Karte benötigt es künftig womöglich weitere Faktoren, um Österreich als attraktives Zielland für ausländische Arbeitskräfte zu positionieren.

Lisa-Marie Fassl, Mitglied des Vorstands der Austrian Angel Investors Association, findet zum Abschluss deutliche – wenn auch weder neue noch überraschende – Worte: „Wenn wir es als Wirtschaftsstandort Österreich jetzt nicht schaffen, die richtigen Impulse zu setzen, dann werden wir im internationalen Vergleich noch weiter zurückfallen. Es ist daher Zeit, dass die Politik beginnt, auf die Forderungen der Start-up-Szene zu hören.“ (RNF)


INFO-BOX
Über die Studie
Der Projektbericht zur Studie „Wertschöpfung von Start-ups in Österreich“ wurde im Auftrag von AustrianStartups, Junge Wirtschaft, Wirtschaftskammer Österreich, Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation und Austrian Angel Investors Association erarbeitet, in Kooperation mit Accenture, der Wirtschaftsagentur Wien und dem Handelsverband Österreich. Die Finanzierung des ersten Abschnitts (Modul 1) erfolgte durch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW).

Mehr zur Studie: ecoaustria.ac.at/wertschoepfung-startups-oesterreich