Film ab – und die Musik, Bitte!

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 1/2025
Herzstück der weltweit einzigartigen Musikproduktionsstätte ist die Stage A: Mit 540 m² bietet sie Platz für ein bis zu 130 Personen umfassendes Orchester. ©  Vienna Synchron Stage

Der orchestrale Soundtrack, der vielen internationalen Filmen und Serien erst wirklich Leben einhaucht, stammt immer öfter aus Wien ...

... genauer gesagt aus den traditionsreichen Hallen der Vienna Synchron Stage. Begonnen hat die Erfolgsstory allerdings mit einem genialen digitalen Produkt.

Herbert Tucmandl ahnte wohl nicht, welchen Weg seine Karriere einschlagen würde, als der studierte Violoncellist als Substitut bei den Wiener Philharmonikern spielte. Mit 21 absolvierte er zusätzlich eine Ausbildung als Kameramann und wandte sich der Filmbranche zu, wo er Werbe-, Dokumentar- und Spielfilme drehte. Es kam zusammen, was zusammenkommen musste – ­Tucmandls Leidenschaft für Musik und Film machte ihn zum erfolgreichen Filmkomponisten; seine Musik für ­„Atmen“ (Regie: Karl Markovics) wurde von der Akademie des Österreichischen Films ausgezeichnet.

Anderen ­würden diese Erfolge vielleicht reichen, doch Herbert ­Tucmandl hatte andere Pläne: Er war mit den bestehenden Sample-Libraries, die ein Orchester ersetzen sollen, unzufrieden. Diese Libraries kommen etwa zum Einsatz, wenn Aufnahmen mit einem echten Orchester zu teuer sind. Dabei handelt es sich um die einzeln aufgenommenen Noten eines jeden Instruments, die mit einer Sequencer- und Notationssoftware zu einem Musikstück zusammengesetzt werden – grob gesagt, eine verfeinerte Version eines Synthesizers, der Streicherklänge reproduzieren kann.

Die Vienna Symphonic Library
Was Tucmandl störte: Die bestehenden Libraries hatten nur unzureichende Ausdrucksmöglichkeiten. Wie Töne durch die Musiker verbunden werden, wie sie artikuliert und moduliert werden – das fehlte bei den Einzel-Samples. Also entwickelte er ein eigenes Konzept einer authentisch klingenden Sample Library für Orchestermusik. ­Seine Idee bestach durch den Ansatz, nicht ausschließlich Einzelnoten, sondern auch Tonverbindungen und Tonwiederholungen aufzunehmen, die durch ihre Kombination erstmals lebendige Interpretationen ermöglichen sollten. Er erprobte sein Konzept selbst mit dem Cello und überzeugte mit den klanglichen Resultaten den Vorarlberger Investor Markus Kopf.

Der Rest ist sozusagen Geschichte: Die als VSL abgekürzte Vienna Symphonic Library trat buchstäblich einen Siegeszug um die musikalische Welt an und galt rasch als Goldstandard für überzeugenden ­Orchestersound ohne den Aufwand einer entsprechenden Aufnahme. Was die VSL von anderen Software-Orchestern unterschied: Während die größten Libraries zur damaligen Zeit das gesamte Orchester mit rund 6.000 Samples abdeckten, entwickelte Tucmandl eine Struktur für über eine Million Einzeltöne und Phrasen.

Die Synchronhalle am Rosenhügel
Man ahnt es schon: Herbert Tucmandl gab sich auch damit nicht zufrieden. 2013 ergab sich die Chance, ein äußerst traditionsreiches Gebäude zu übernehmen: Die ehemalige Synchronhalle auf dem Gelände der Rosenhügel-Filmstudios. Sie wurde in den 1940er-Jahren als Teil der Filmstadt Wien errichtet.

Bis 1955 wurden regelmäßig bis zu zehn Filmmusiken pro Jahr mit großem Orchester eingespielt; in den 1960er-Jahren nutzen namhafte Dirigenten und Solisten die Halle für ihre Tonträgerproduktionen: Es entstanden heute legendäre Aufnahmen mit Géza Anda, Wilhelm Backhaus, Karl Böhm, Herbert von Karajan, Yehudi Menuhin, Swjatoslaw Richter oder Mstislaw Rostropowitsch. Seit 2009 steht das Gebäude unter Denkmalschutz, hauptsächlich aufgrund der Kinoorgel, die weltweit als einzige ihrer Gattung noch in ihrer ursprünglichen Umgebung einer Scoring Stage integriert ist. 

Die Wiedergeburt des Wiener Sounds
Tucmandls Firma brachte die ehemalige Synchronhalle in Zusammenarbeit mit der renommierten Walters-Storyk Design Group sowie mit den Architekten Schneider+Schumacher in einer zweijährigen Planungs- und Umbauphase auf den neuesten Stand der Technik. Das Gebäude erstreckt sich über eine Gesamtfläche von über 2000 m² und beherbergt neben mehreren Aufnahme- und Regieräumen auch zwei Instrumentenlager sowie Bereiche zum Entspannen und Regenerieren.

Technisch ist man ohnehin immer auf dem neuesten Stand: Seit 2021 ist die Synchron Stage Vienna ein offizielles Dolby Atmos Studio und kann neben Stereo und Surround auch Aufnahmen in Auro-3D anbieten. Das alles ist aber nur eine der Zutaten für das aktuelle Erfolgsrezept der Vienna Synchron Stage: Ein mindestens ebenso wichtiger Bestandteil ist die Plan- und Verfügbarkeit von Talenten. Musiker:innen, Techniker:in­nen, Contractors, Stagehands, Assistent:innen – die Liste an Mitwirkenden bei einer reibungslosen Recording Session eines Film-Soundtracks ist deutlich länger, als man annehmen mag. 

Gehört zum guten Ton
Das hauseigene Synchron Stage Orchestra besteht aus keinem festen Ensemble, sondern bedient sich aus einem großen Pool an Musikern aus Wien und Umgebung. Diese spielen auch in allen renommierten Orchestern Wiens und wurden gemäß den Anforderungen an moderne Medienmusikproduktionen nach sehr strengen Kriterien ausgewählt. Ein Contractor kümmert sich für jedes Projekt um die Zusammenstellung der richtigen Instrumentalisten. Je nach Bedarf können verschiedenste Stile abgedeckt werden, von klassischer Filmmusik über Big Band bis hin zu Pop, Rock und Jazz.

Neben vier Konzertflügeln – einem Steinway D-274, einem fernsteuerbaren Bösendorfer 290 Imperial mit CEUS-Reproduktionssystem, einem Yamaha Disklavier CFX EN PRO und einem Fazioli F308 – stehen bis zu 200 verschiedene Percussion-Instrumente sowie eine Harfe der Marke Lyon & Healey für Aufnahmen zur Verfügung. Ein ganz besonderes technisches Schmankerl: Mithilfe des CEUS-Systems von Bösendorfer können dynamische Abläufe mechanischer Bewegungen von Tasten und Mechanik in Umfang von Pianissimo bis Fortissimo detailgetreu erfasst und zu einem späteren Zeitpunkt reproduziert werden. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten, wie etwa die Aufnahme und nachträgliche Korrektur einzelner Noten oder die Über­arbeitung des Timings. 

Magische Mischung
Die Geheimzutat für den internationalen Erfolg der Vienna Synchron Stage ist vielleicht das bereits im Vorfeld ablaufende exakte Management der Mitwirkenden und der Produktion – jedes Filmteam kann aus der ganzen Welt via Internet zugreifen, präzise planen und buchen. Mit seiner einzigartigen Mischung aus technischer Kompetenz, musikalischer und akustischer Spitzenklasse und optimaler Projektierung hat sich Tucmandls Unternehmen binnen weniger Jahre in die Herzen und Budgets der großen Produktionsfirmen gespielt. Nicht zuletzt dank der international geschätzten und nachgefragten Qualität der heimischen Orchestermusiker:innen, die meist ohne Proben vom Blatt weg die Vision der Kompositionen erfassen und performen müssen, exportiert die Vienna Synchron Stage den prestigereichen „Sound of Vienna“ in die Kinosäle und Wohnzimmer der Welt. (PZ)


INFO-BOX
Vienna Synchron Stage
Das Aufnahmestudio in der Synchronhalle der Wiener Rosenhügel-Studios ist ein beliebter Standort für Aufnahmen von Marvel, Disney, Netflix und Amazon MGM. Die Musik zu „Daredevil: Born Again“, „Captain America: Brave New World“, „The Rings Of Power“, „American Fiction“, „Guardians Of The Galaxy Vol. 3“, „Godzilla × Kong: The New Empire“, „Star Wars: The Acolyte“, „Mission Impossible: Dead Reckoning 1“, „Reacher“, „Moonfall“ sowie für zahlreiche chinesische Blockbuster wie „Ne Zha 2“ und vieles mehr wurde hier aufgenommen.

www.synchronstage.com