Auf ihre Vermittlerrolle hat sich Gheorghe mit einem Architekturstudium in Wien und einem Marketingstudium in den USA vorbereitet. © RNF
Samina Gheorghe hat Architektur und Marketing studiert. An dieser Schnittstelle fühlt sie sich wohl und vermittelt unter anderem bei Projekten der moodley design group ...
... zwischen allen beteiligten Stakeholdern, damit die Markenidentitäten sich auch in der Architektur wiederfinden lassen.
„Am Ende des Tages kommuniziert man durch alles, auch wenn man glaubt, dass man nicht kommuniziert“, sagt Samina Gheorghe. Ihre „Muttersprache“ ist die Architektur, aber ebenso gut beherrscht sie das Vokabular des Marketings. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, zwischen diesen beiden Welten zu vermitteln.
Das dafür nötige Handwerkszeug hat sie sich umfassend in Theorie und Praxis angeeignet. Nachdem sie Hochbau an der Wiener Camillo Sitte Lehranstalt gelernt hatte, setzte sie ihre akademische Laufbahn an der Akademie der bildenden Künste, ebenfalls in Wien, fort. Mit dem Master für Architektur in der Tasche machte Gheorghe den Sprung über den großen Teich und holte sich auch den Master of Arts in Integrated Marketing Communications am Emerson College in Boston. Als Architektin arbeitete sie unter anderem in Paris, London und Wien und lehrte auch drei Monate an der Portland State University. Seit 2011 unterstützt sie die moodley design group im Bereich inhaltliche Beratung und Markenprozesssteuerung, wo sie unterschiedliche Disziplinen und Stakeholder verbindet, um mit lösungsorientierten Designstrategien starke Markenidentitäten zu kreieren. Darüber hinaus ist sie auch der wissenschaftlichen Arbeit treu geblieben und beschäftigt sich als Doktorandin an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Markenpersönlichkeiten und deren Transformation in das Räumliche. Das ist sozusagen ihr Steckenpferd, wie schnell deutlich wird, wenn man mit der „Architekturdolmetscherin“ ein paar Worte über ihre persönliche Leidenschaft wechselt – wie NEW BUSINESS es getan hat.
Für den Anfang eine ganz naive Frage: Was haben Marken und Architektur miteinander zu tun?
Die kürzeste Zusammenfassung für mich ist, dass beide Disziplinen im Zentrum den Menschen haben. Das ist ihr gemeinsamer Kern. Der Markenkern – das Herzstück – muss kommuniziert werden und ist abhängig von all den Touchpoints, mit denen man nach außen kommuniziert. Am Ende des Tages kommuniziert man durch alles, auch wenn man glaubt, dass man nicht kommuniziert. Ein für mich persönlich wichtiger Touchpoint ist die Architektur. Ich habe Architektur studiert, war als Architektin tätig und habe mich dann entschlossen, in den USA Marketing zu studieren. Dort habe ich erfahren, welche relevanten Informationen es vom Marketresearch über das Verhalten von Menschen gibt – ganz viele Dinge, die wesentlich für die Architektur sind. Das war mein großes Aha-Erlebnis: Da gibt es zwei Disziplinen, die wahnsinnig von einem Miteinander profitieren könnten, um einen besseren Prozess, ein besseres Ergebnis schaffen. Es gibt hier viele Informationen, die nur darauf warten, miteinander besprochen zu werden.
Aus dem Retail-Bereich kennt man zum Beispiel schicke FlagshipStores. Aber aus welchem Grund sollte man sich bei einem Hotel-, Wohn- oder Büroprojekt Gedanken über das Zusammenspiel von Marke und Architektur machen?
Es gibt im Grunde genommen keine Grenzen, wo man Marke kommuniziert und wo nicht. Eine Marke ist eine Identität. Jeder von uns hat eine Identität. Natürlich hat das primär im Shop-Bereich angefangen. Es ist offensichtlich, dass dies ein Punkt ist, an dem sich Menschen mit Marken, Produkten und Services beschäftigen. Die Art und Weise, wie der Shop entworfen ist, muss mit der Strategie des Unternehmens nach außen korrespondieren. Aber eigentlich ist es egal, in welchem Bereich ich tätig bin: Ich kommuniziere und strahle Identität dadurch aus, wie ich baue.
Im Hospitality-Bereich haben wir ein Haus, in dem sich Menschen befinden, in dem sie ankommen und kurzfristig wohnen. Dieses Haus muss doch auch ein Teil dessen sein, wie wir mit den Menschen in Verbindung treten. Hier gibt es auch ein starkes Bewusstsein dafür, dass die Architektur ein Teil der Markenkommunikation ist.
Der Office-Bereich ist eine weitere Industrie, die das verstanden hat. Was haben die Marke und der Arbeitsplatz mit der Art und Weise zu tun, wie wir arbeiten? Welche Menschen sprechen wir an? Wer soll sich hier wohlfühlen? Der Raum muss mit dem, was man nach außen kommuniziert, korrespondieren. Menschen haben eine gewisse Vorstellung auf Basis dessen, was sie gehört haben. Wenn das nicht passt, dann habe ich einen Gap.
Architektur ist für mich einer der stärksten Touchpoints, weil ich hier viel stärker mit den Menschen in Verbindung treten kann als mit einer Visitenkarte oder einer Website. Die Architektur ist ein sehr mächtiges Instrument. Wir können Emotionen wecken, Menschen durch Empfindungen leiten. Wir können Menschen in einer ganz anderen Art fühlen lassen als bei zweidimensionalen Touchpoints.
Und im Wohnbau?
Auch beim Thema Wohnen beschäftigt man sich mit den Menschen, die sich dort in Zukunft befinden sollen, die sich jetzt dort befinden, mit der Identität, die dort wächst. Egal, ob es eine Wohnanlage ist, ein Stadtquartier oder eine Wohnung. Auch das Thema Wohnen ist ein Bereich, in dem ich sehr stark kommuniziere. Nicht nur im Sinne des Wohnbaus, sondern auch im Sinne des Städtebaus. Welche Grätzel lasse ich dort entstehen und welche nicht? Ich schaffe mit meinem Gebäude, meiner Wohnanlage eine Umgebung, die vielleicht Dinge aktiviert, aber auf jeden Fall verändert. Auch hier ist das Thema Marke – oder nennen wir es Identität – einfach wichtig. Es gibt derzeit viele Investoren und Bauträger, die versuchen, Identitäten zu schaffen. Man sieht Plakate, es gibt Namen für Projekte, Investoren haben verstanden, dass die Menschen wissen möchten, wofür die Projekte stehen. Das ist ein Layer. Ich meine aber noch mehr! Ich spreche davon, diese kreierte Identität in den Wohnbau hineinzunehmen und tatsächlich zum Teil des Entwurfs zu machen.
Deswegen ist Architektur ein integraler Bestandteil der Markenkommunikation. Wir sind erst bei den Anfängen davon, dass Architektur wirklich als strategischer Baustein innerhalb eines Prozesses gehandhabt wird. Das Bewusstsein dafür wächst erst langsam.
Von welchen Maßnahmen reden wir da? Was kann oder sollte man tun?
Es braucht im Grunde genommen erst einmal ein Bewusstsein dafür, dass Architektur ein integraler Bestandteil der Strategie ist. Dieses Bewusstsein muss bei den Unternehmen, Investoren und Bauherren bestehen. Nummer zwei: Es geht um einen Prozess und die Art und Weise, wie man das gesamte Projekt aufsetzt. Nicht nur das Architekturprojekt, sondern alles wird gesamtheitlich betrachtet. Das Spannende in der Architektur ist, dass sie viel Zeit braucht, teilweise Jahre – je nachdem, von welchen baulichen Maßnahmen wir sprechen. Wenn ein Unternehmen realisiert, dass es eine bauliche Veränderung benötigt, muss es meistens schnell beginnen, damit es sich zeitlich ausgeht. Oft wird dem Architekten nur vermittelt, dass „frischer Wind reinmuss“. Aber schlussendlich liegt der Grund für die bauliche Veränderung eigentlich woanders. Meistens ist die Ursache eine strategische Veränderung, zum Beispiel eine neue Generation am Ruder, die Übernahme einer Firma oder dass sich etwas am Markt getan hat.
Diese strategische Auseinandersetzung, die sich bei dem Unternehmen ergeben hat, muss man dem Architekten mitteilen. Deshalb ist es sinnvoll, sich auch im Designbereich von Anfang an strategische Unterstützung zu holen.
Wie geht man so ein Projekt an?
Wir brauchen einen Prozess, bevor wir das Architektonische angehen. Wir brauchen alle Stakeholder – die Entscheider im Unternehmen, die, die dafür verantwortlich sind, etwas auszuführen, kritische Stimmen, leise Stimmen und den Architekten – an Bord, um gemeinsam zuerst strategisch zu arbeiten und das Bewusstsein zu schaffen. Warum ist eine Veränderung überhaupt notwendig? Wir reden von dem Schärfen von Positionierungen von Marken und Unternehmen.
Wenn man das gemeinsam erarbeitet und verabschiedet hat, geht es in einer zweiten Phase darum, das zusammen mit dem Architekten in die ersten architektonischen Maßnahmen zu übersetzen und einen Rahmen zu formulieren. Eine Art Masterplan, der als Briefing genutzt wird, um schlussendlich an der architektonischen Aufgabe zu arbeiten.
Wo kommen Sie ins Spiel?
Meine persönliche Rolle in dem Ganzen ist der Brückenschlag zwischen der Markenentwicklung und Strategie sowie der Disziplin der Architektur.
Es geht darum, eine starke Verbindung herzustellen, wenn wir eine Richtung erarbeitet haben, und zu überlegen, mit welchen architektonischen Maßnahmen wir dies so gut wie möglich verwirklichen können. Ich arbeite dann mit Architekten zusammen, habe die Unternehmen am Tisch und kann vermitteln. Was wir erreichen wollen, ist, dass der Mensch, wenn er die Türklinke herunterdrückt und reinkommt, genau das Gefühl hat, das wir versuchen zu vermitteln.
Braucht es diese Vermittlerrolle?
Ich weiß, woran Architekten denken, wenn sie gewisse Dinge tun. Ich verstehe auch den Kontext, wo das Unternehmen hinmöchte – weil ich es mit ihnen vielleicht auch erarbeitet habe und sie in eine neue Richtung gehen.
Bauherr zu sein, mit einer Bauaufgabe, ist für die meisten Unternehmen keine alltägliche Aufgabe. Es ist zum Beispiel nicht alltäglich, eine Hotelmarke neu zu schaffen. Wie soll man da evaluieren, ob das, was ein Architekt tut, sich wirklich darauf auswirkt? Es braucht einen integrativen Prozess. Denn wir haben verschiedene Disziplinen an Bord und feilen gemeinsam daran, diese Marke ins Leben zu rufen.
Deswegen ist es so wichtig, alle relevanten Personen an Bord zu haben und eine gemeinsame Basis zu schaffen. Das schafft auch ein gewisses Commitment, weil jeder Teil dieses Prozesses war und mitgestalten konnte.
… Und am Schluss nicht sagen kann, dass er das nicht wollte.
Ja. Man kann im Vorfeld über alle Beschwerden und Bedenken reden. Jeder hat die Möglichkeit, sie auf den Tisch zu legen, weil jeder das gleiche Recht hat. Das schafft nicht nur ein Commitment, sondern auch eine Evaluierungsbasis: Einer geht ins Operative, der andere in die Kommunikation, ein Dritter in die Architektur. Jeder arbeitet in seinem Feld. Aber jeder kann evaluieren, ob seine Entscheidungen mit dem zusammenpassen, was wir gemeinsam entschieden haben. Wir haben damit eine andere Basis für Diskussionen, nicht „es gefällt mir“ oder „es gefällt mir nicht“ – das ist wichtig. In der Architektur treten sehr schnell Geschmacksfragen auf. Wenn wir aber von Marken reden, dann nicht von Geschmack, sondern davon, was für die Identität, die wir geschaffen haben, relevant ist. Es ist wichtig, dass wir das Projekt zu evaluieren haben und nicht die persönliche Meinung.
Hier gibt es schlussendlich ein qualitativ hochwertiges Briefing, das mit den relevanten Stakeholdern festgelegt worden ist. Das heißt, sie haben eine klare Sicht der Dinge. Architekten sind natürlich kreativ und fangen schon am ersten Tag an, sich Gedanken zu machen. Durch das Briefing werden sehr viele Inputs geliefert, Fragen beantwortet, und man weiß, in welche Richtung man geht. Aber es schränkt die Kreativität nicht ein. Wir entscheiden nicht, wie Dinge auszusehen haben, sondern entscheiden über starke Elemente in der Architektur, um gewisse Dinge stärker zu forcieren, sodass wir nahe an die Identität herankommen. Aber der Architekt hat die Freiheit, mit diesem Set etwas Eigenes zu schaffen.
Was kann man tun, wenn das Gebäude schon besteht, Sie also nicht schon am Bau beteiligt sind?
Wenn wir in diesen Prozess gehen und über diese Veränderung, die das Unternehmen einleitet, reden, dann müssen wir natürlich alle vorhandenen Elemente in die Rechnung mitaufnehmen. Es gibt verschiedenste Beschränkungen aller Art. Es gibt operative und finanzielle Beschränkungen, ein gewisses Korsett, in dem man sich bewegen kann. Wenn es bereits ein Gebäude gibt, dann ist es Teil dieser Identität. Das kann man nicht verleugnen. Man muss sich überlegen, was das Gebäude mitbringt und schon kommuniziert. Gibt es Übereinstimmungen oder Probleme mit dem, was man vorhat? Wenn es notwendig und budgetär sowie zeitlich möglich ist, kann man Veränderungen vornehmen. Wenn das nicht möglich ist, dann wird es zu einem integralen Bestandteil, mit dem man einfach arbeiten muss. Ich habe schon verschiedene Ausprägungsstadien erlebt. Man muss immer abwägen, welche Möglichkeiten man hat. Architektur ist schließlich ein finanzieller Aufwand.
Es braucht diesen Prozess schon vorab, damit man das Projekt richtig einleiten kann und es nicht mittendrin stoppt, weil etwas – die gewünschte Emotion – fehlt. Oft wird dann versucht, das Problem an der Oberfläche zu lösen. Wir reden da über Materialitäten, Farben, Oberflächengestaltungen oder das Mobiliar – quasi die Software. Damit kann man auch sehr viel einleiten. Aber wenn Hardware und Software gemeinsam arbeiten können, erzeugen sie einen stärkeren Fokus. Viele Unternehmen sind noch sehr stark in der Software verhaftet. Aber das ist auch klar: Je nachdem, um welche Industrie es sich handelt, bewegen sich die Dinge schnell, und diese Software ist schneller veränderbar. Deswegen ist es wichtig, wenn man so eine Aufgabe übernimmt, das Gerüst mitzudenken und die Strategie zu einem Teil seiner Planungen zu machen.
Für wen ergibt es überhaupt Sinn, sich über das Zusammenspiel von Marke und Architektur Gedanken zu machen?
Für alle, die bauliche Maßnahmen planen. Da rede ich nicht nur von Unternehmen. Jeder, der sich entscheidet, baulich etwas für sich selbst, sein Unternehmen, die Marke zu machen, wird sich damit befassen müssen, was er damit kommuniziert. Egal, ob man aktiv etwas tut oder passiv ist – man kommuniziert. Das sind all die kleinen Details, die schlussendlich dazu beitragen, unsere Identität nach außen widerzuspiegeln.
Das Spannende im Architekturkontext ist, für mich persönlich, durch welche Maßnahmen und Elemente das Widerspiegeln geschafft wird. Es geht um eine Transformation. Eine Marke ist nicht greifbar, sie entsteht in den Köpfen und im Bauch der Menschen. Wie kann ich dieses nicht Greifbare greifbar machen? Architektur ist ein sehr effektiver Touchpoint, um das zu tun, denn ich kann alle fünf Sinne ansprechen. Es ist nonverbale Kommunikation. Wenn der Mensch sich in diesem Raum befindet, dann spricht er zu ihm, beeinflusst ihn unbewusst in der Art und Weise, wie er sich verhält. Was man im Markenkontext versucht, ist, dieses Erlebnis zu schaffen und den Menschen so gut wie möglich zu vermitteln, wie sie sich in diesem Markenuniversum fühlen und wofür es steht. Deswegen ist Architektur so powerful. (RNF)
INFO-BOX
Über die moodley design group
Die moodley design group ist eine inhabergeführte, international tätige Agentur mit den Bereichen Strategie, Design, Interactive, Service und Industrial Design. Der Fokus liegt stets auf einem ganzheitlichen, strategischen Ansatz. Mehr als 100 Spezialisten aus den Bereichen Strategie, Design, Consumer-Experience, Architektur, Journalismus und Content-Publishing entwickeln mit ihren Kunden lebendige Unternehmens- und Produktmarken.
www.moodley.at