Immobilienbranche im radikalen Wandel

NEW BUSINESS Guides - FACILITY-MANAGEMENT-GUIDE 2023
Mehr als 170 Teilnehmer:innen fanden sich im November anlässlich des 15. Internationalen Facility Management Kongresses an der TU Wien ein. © IFM/TU Wien

ESG und Workplace-Management waren die beherrschenden Themen auf dem 15. Internationalen Facility Management Kongress des IFM am 17. und 18. November an der TU Wien.

Environmental Social Governance (ESG), sprich die EU-Taxonomieverordnung, wurde letztes Jahr beschlossen, ist aber spätestens seit der EXPO Real in aller Munde und war auch DAS Thema beim World Work Place der IFMA in den USA. Aber in Europa hat sie einen ganz anderen Stellenwert, wie Ulrike Gehmacher, Head of Group ESG bei IMMOFINANZ Wien, erläuterte: Denn sie ist eine gesetzliche Notwendigkeit.

Alle Unternehmen, die zumindest zwei der drei folgenden Kriterien – 200 Mitarbeiter, 20 Millionen Euro Bilanzsumme, 40 Millionen Euro Umsatz – erfüllen, müssen in ihren Jahresberichten im non-financial Teil den Umsatz, die Investitionen und die Kosten für grüne Produkte und Services ausweisen. Das soll grüne und nachhaltige Investitionen verstärken.

Die IMMOFINANZ hat dabei schon seit einigen Jahren das Thema Nachhaltigkeit auf dem Radar und nutzt es, um sich zu differenzieren. Laut ihrem Vortrag werde ESG ab 2026 noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn die Reports auch vom Wirtschaftsprüfer vollständig auf ihre Richtigkeit geprüft werden müssen und Green­washing unter schwerwiegende Strafen gestellt wird.

Auf allen Kontinenten spielt ESG eine immer größere Rolle
Ein ähnliches Bild zeichnet Mike Holland in seinem Vortrag. Blackstone und andere große Investoren hätten schon 2019 einen Head of ESG ernannt, der alle Investments auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet. Auf allen Kontinenten spielt ESG eine immer größere Rolle. Für große Unternehmen sei das leichter als für KMU, dennoch würde sich damit herausstellen, welche die besten Mieter:innen und Vermieter:innen sind.

Viele seiner Mieter:innen seien ebenfalls ESG-berichtspflichtig. Daher lege er einen großen Schwerpunkt als REIT-Manager, sie bei ihrer Berichterstattung zu unterstützen. Damit erleichtert er nicht nur deren Arbeit, sondern erkennt auch, welche KPIs für sie relevant sind. Durch diese Unterstützung generiert er ein Alleinstellungsmerkmal für seine Mieter:innen und kann sie damit auch langfristig binden.

Einfache, kostengünstige ­Methode am Theater in der Josefstadt
In beiden Vorträgen wurde auf die Bedeutung einer einfachen und GoB-tauglichen Erfassung der Basisdaten für die Berechnung der KPIs hingewiesen. In der Praxis bedeutet die Erfassung einen erheblichen Aufwand. Vor allem rechtzeitig steuern zu können und nicht erst am Jahresende zu erkennen, dass ein Gebäude nicht mehr „nachhaltig“ ist, stellt einige Unternehmen vor erhebliche Aufwände. Der Vortrag von Alexander Götz, CFO, und Hans-Peter Stubenrauch, Facility-Manager des Theater in der Josefstadt, stellte daher eine einfache, kostengünstige Methode für diesen Bereich vor.

Laut Götz will „das Theater in der Josefstadt nicht nur höchstmögliche qualitative Kunst bieten, sondern hat auch das Ziel, ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig zu sein“. Das Theater in der Josefstadt wolle nicht nur aus diesen Gründen, sondern auch wegen der Vorgaben der Regierung seinen Energieverbrauch optimieren.

Frei nach dem Motto „What you cannot measure – you cannot manage“ wurde im letzten halben Jahr ein Energie-Monitoring umgesetzt. Dabei war zu beachten, dass das Monitoring-System während des Betriebs und ohne Betriebsunterbrechung implementiert werden kann, denn einen Stehtag wolle und könne sich das Theater nicht leisten.

In der IoT-basierten Software-as-a-Service-Lösung „Sustainability Explorer“ fand das Thea­ter die geeignete Lösung. Damit können alle Werte, falls erwünscht, im Minutentakt ausgelesen und im Dashboard des SaaS-Cloud-Tools analysiert werden. Als einziges Manko nannte Stubenrauch die langen Lieferzeiten der Geräte.

Aus diesem Grund werden in der Ausbaustufe auch andere Hersteller eingebunden, was aber durch das offene Konzept der Lösung einfach zu bewerkstelligen sei. Stubenrauch empfiehlt daher, möglichst rasch mit der Implementierung zu beginnen, da man mit Lieferzeiten von bis zu einem halben Jahr rechnen müsse. Da das erste Jahr für die verpflichtenden ESG-Berichterstattung 2024 ist, bleibt nicht mehr viel Zeit.

Wann ist grün wirklich grün?
Andrej Grieb, stellvertretender Obmann der Fachgruppe Wohn- und Mietrecht der Vereinigung Österreichischer Richterinnen und Richter, stellte sich die Frage, wann grün wirklich grün ist und welche Haftungen damit verbunden sind. Mit der Aussage, dass eine Immobilie nachhaltig sei, seien auch Gewährleistungen verbunden.

Darüber hinaus wird Greenwashing in diesem Zusammenhang immer strikter bestraft. Grieb zeigte auf, worauf zu achten ist, um Schadenersatzansprüche und das damit verbundene schlechte Image zu vermeiden. In seinem Vortrag verwies er auch auf das EWG, das schon ab 2023 gelten soll und z. B. neue Gas- und Ölheizungen untersagt. Es verpflichtet auch zu einem sehr zeitnahen Umstieg auf Heizungen, die erneuerbare Energie nutzen.

Insbesondere die Immobilienbranche betroffen
In der Podiumsdiskussion von Alexander Redlein mit Wolfgang Gleissner, COO der BIG Bun­des­immobiliengesellschaft M.B.H., und Géza-Richard Horn, CFM-Geschäftsführer der RealFM und Lehrender an der Universität Stuttgart, wurde die Bedeutung von ESG unterstrichen. Alle drei waren sich hinsichtlich der großen Herausforderungen im Jahr 2022 einig:

Durch Covid-19 haben wir gelernt, dass wir die Zukunft nicht antizipieren können, durch den Krieg in der Ukraine mussten wir lernen, mit der neuen (Un)Sicherheitssituation umzugehen. Und nicht zuletzt das Thema Klima: ein schleichendes, aber wichtiges Thema, das uns alle betrifft. Von diesen Themen und ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen ist insbesondere die Immobilienbranche betroffen. 

Investieren Sie in Ihr Büro!
Gregor Grindjan, COO bei SAP Österreich, sprach in seinem Vortrag über „Die Zukunft des hybriden Büros – Erfahrungen nach zwei Jahren Praxisbetrieb?“. SAP Österreich hat von 2016 bis 2018 in dem Projekt „Viennovation“ den Standort in Wien in ein Activity-Based-­Working-Büro umgebaut. Dabei wurde auf die Bedürfnisse aller Mitarbeiter:innen, aber auch auf die Wirkung bei Kund:innen geachtet. Es wurde viel offener Raum für individuelle Produktivität wie auch kommunikative Begegnung und Zusammenarbeit geschaffen.

Die Pandemie habe bei SAP einiges verändert, aber weniger, als man vermuten würde. Abschließend legte ­Gregor Grindjan nahe: „Investieren Sie in Ihr Büro – es wird sich für Sie auszahlen!“ Der Vortrag zeigte nicht nur, dass moderne Arbeitswelten ein Muss sind, um Mitarbeiter:innen zu rekrutieren und zu halten, sondern auch, dass sich die Büro­welten immer schneller ver­ändern. 

Diese Aussage unterstrich auch Pat Turnbull, Leiterin der Workplace Evolutionaries der IFMA. Auch international stehe derzeit im Mittelpunkt, Mitarbeiter:innen wieder ins Büro zu bringen: „Bürostandorte müssen es den Ar­beitnehmer:innen wert sein, um überhaupt wieder ins Büro zu kommen“, so Turnbull. Dies geschehe vor allem, indem dort der Experience-Charakter in den Vordergrund gestellt wird.

Hoffnung auf Erholung
In seinem Vortrag „Unverhofft kommt oft: Wie geht es weiter mit der Weltwirtschaft nach Covid-19, und was bedeutet das für die Immobilienwirtschaft sowie das Facility-Management“ machte Valentin Hofstätter von der Raiff­eisen Bank Hoffnung auf eine baldige wirt­schaftliche Erholung. Dennoch müsse man noch bis 2024 mit einigen Herausforderungen rechnen.

Aus Forscher:innen-Perspektive
Am zweiten Tag präsentierten die Forscher:innen des IFM ihre aktuellen Themen – von makroökonomischen Analysen der Bedeutung der Facility-Service-Industry als Treiber der wirtschaftlichen Erholung nach allen bisherigen Krisen über Workplace-Management, den ­Enabler von produktiven und motivierten Mitarbeiter:innen, bis hin zur digitalen Transformation und wie man sie am besten in seinem Unternehmen anwenden kann.

Die For­scher:innen griffen nochmals die Themen vom Vortag auf und erläuterten, warum der Wandel ohne Weiterbildung nicht erfolgen kann. Darüber hinaus zeigten sie auf, wie man einfach und effektiv den digitalen Reifegrad seines Unternehmens im Bereich Immobilien und Facility-Management einschätzen kann.

Das Datum für den 16. Internationalen Facility Management Kongress steht übrigens bereits fest: 23. und 24. November 2023. (RNF)