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Armer Einkauf

NEW BUSINESS Guides - INDUSTRIE GUIDE 2019/20
„Chief-Procurement-Officers müssen sich als Businesspartner stärker profilieren“, lautet der Ratschlag eines Experten. © Tumisu/Pixabay.com

Einsparungen verursachen Mehrkosten, sagen die einen, von steigenden Risiken infolge geopolitischer Unwägbarkeiten und dem „Ende alter Gewiss­heiten“ reden die anderen ...

... Was am Ende bleibt: Man möchte eigentlich kein Einkäufer sein.

Einkäufer von Industrieunternehmen stehen gleich von mehreren Seiten unter Druck. Sie müssen mit einer Vielzahl von Lieferanten auf der ganzen Welt verhandeln, zu denen ihnen häufig nur rudimentäre Informationen vorliegen. Gleichzeitig stehen ihre Arbeitsergebnisse im Fokus der hauseigenen Controller. Da liegt es nahe, bei Sourcing-Entscheidungen das einfachste Kriterium anzulegen: den Preis für das jeweils benötigte Teil. Wie eine Studie des Beratungsunternehmens Emporias zeigt, ist dies in drei Viertel der produzierenden Unternehmen die Regel. Dabei stehen eigentlich längst bessere Bewertungsmethoden zu Verfügung, mit denen die Kosten der gesamten Lieferkette erheblich gesenkt werden können.
In 74 Prozent der Industrieunternehmen ist aber wirklich der Teilepreis das maßgebliche Auswahlkriterium für Lieferantentscheidungen. Dies ist eines der Ergebnisse der besagten Emporias-Studie mit dem Namen „Supply-Chain-Management in Industrieunternehmen“, für die 100 Einkaufs- und Logistikentscheider aus Industrieunternehmen ab 500 Mitarbeitern befragt wurden.
„Aus der Praxis hören wir, dass dieses Vorgehen den Unternehmen zunehmend Probleme bereitet“, sagt Carsten Jacobi, Geschäftsführer von Emporias. So komme es bei Lieferanten mit besonders günstigen Teilepreisen etwa aus dem asiatischen Raum häufig zu ungeplanten Mehrkosten für Transport und Steuerungsaufwand. Kann ein Teil nicht rechtzeitig ausgeliefert werden oder ist es nicht pünktlich am geplanten Ort des Weitertransports, muss es teuer auf anderen Wegen beziehungsweise per Express bezogen oder kostspielig zwischengelagert werden. Hinzu kommt ein hoher personeller Aufwand in der Logistikabteilung, nicht nur bei Liefer- oder Qualitätsproblemen, sondern auch mit Blick auf die Formalitäten und den Datenaustausch.

Einsparungen verursachen erhebliche Mehrkosten an anderer Stelle
„Störungen in der Lieferkette sind bei den immer verzweigteren, eng getakteten Lieferanten- und Transportnetzwerken nicht ungewöhnlich“, so Jacobi. „Sie sollten aber unbedingt einkalkuliert werden, da sie die Gesamtkosten der Supply-Chain stark nach oben ­treiben können. Die Ursachen fallen im ­Con­trolling häufig nicht auf.“
Vermeintliche Einsparungen im Einkauf tauchten dann an anderer Stelle als Mehrkosten auf, ohne dass die Zusammenhänge im System deutlich werden.
Dass die eigene Supply-Chain aber erhebliches Einsparpotenzial aufweist, davon ist jeder zweite Entscheider aus großen Industrieunternehmen laut der Studie überzeugt. „Die Basis für Sourcing-Entscheidungen sollten die Gesamtkosten der Lieferkette sein. Diese können in den meisten Unternehmen aber nicht richtig abgebildet werden. Das ist das tiefer liegende Problem“, sagt Carsten Jacobi.

Mehrheit scheitert an Gesamtkostenrechnung
Hauptgrund für die mangelnde Transparenz sind der Emporias-Studie zufolge unzurei­chende Kostenrechnungs- und Datenmodelle im Controlling. So geben zwei Drittel der befragten Entscheider an, dass die Kosten ihrer Supply-Chain nicht ausreichend zugeordnet und in Abhängigkeit zueinander ausgewiesen werden.
„Anders als von vielen Unternehmen angenommen, ist es gar nicht das Hauptproblem, dass jede Abteilung mit unterschiedlichen Systemen hantiert und Daten in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Qualität bereitstellt“, sagt Carsten Jacobi. „Vielmehr fehlt es überhaupt an geeigneten Modellen zur Berechnung der Gesamtkosten und ihrer vollständigen und genauen Verteilung auf die Verursacher.“
Dabei gibt es dem Experten zufolge längst methodische Lösungen, etwa das Prinzip des Total Cost of Supply Chain (TCSC). Zwar verfolgten viele Unternehmen inzwischen diesen Ansatz, scheiterten aber entweder daran, ein individuell für ihren Betrieb passendes Rechenmodell zu entwickeln oder die zur Berechnung notwendigen Daten zusammenzuführen. „Da verwundert das Studienergebnis nicht, das besagt, dass das TCSC-Prinzip bisher nur in weniger als jedem sechsten Unternehmen die Basis für Struktur- und Optimierungsentscheidungen ist“, sagt Jacobi. Die Folge: Einsparungen im Einkauf tauchen als Mehr­kosten an anderen Stellen wieder auf.
Emporias wäre ein schlechtes Beratungsunternehmen, wenn es nicht eine Lösung für dieses Problem parat hätte: Sein Total-Cost-Ansatz ist ein standardisiertes Vorgehensmodell, das produzierenden Unternehmen helfen will, die Gesamtkosten ihrer Lieferkette zu optimieren und bessere Einkaufs- und Lieferantenentscheidungen zu treffen. In der Praxis mit Kunden erprobt und in Kooperation mit der TU München und einem Logistikexpertenkreis weiterentwickelt, sind dazu jetzt ausgereifte BI-Anwendungen verfügbar. Dazu gehört auch die Optimierungs-App „Total Cost Sourcing“, die unter anderem die Darstellung aller Kosten­bestandteile, die mit dem Lieferanten in Zusammenhang stehen, erlaubt, außerdem die optimale Allokation zukünftiger Beschaffungsumfänge im globalen Lieferanten- und Produktionsnetzwerk sowie die Identifikation von Einsparungspotenzialen zur Ableitung von Maßnahmen.

Risiken für den Einkauf
Andere sehen wiederum auch maßgeblich von außen wirkende Kräfte als Risiko für den Einkauf – so wie die Experten von Deloitte. „61 Prozent der Befragten stellen mit Blick auf ihren Einkauf einen Anstieg der Risiken fest“, sagt Michael Wiedling, Director im Sourcing & Procurement Practice von Deloitte. „Verläss­liche Handelsbeziehungen, eine entscheidende Voraussetzung für jeden Einkäufer, werden durch aktuelle geopolitische Entwicklungen und neue Abgaben infrage gestellt.“
Laut Deloittes eigener Studie „Deloitte CPO Survey“ ist die Mehrheit der befragten Chief-Procurement-Officers (CPOs) überzeugt, dass die Risiken in den vergangenen zwölf Monaten zugenommen haben. 61 Prozent sind der Meinung, dass diese Risiken deutlich oder etwas gestiegen sind. Doch lediglich 41 Prozent der Einkäufer sind nach eigener Aussage darauf vorbereitet.
Der drohende wirtschaftliche Abschwung und die Deflation sind für die meisten Befragten die größte Gefahr (42 %). Handelskonflikte und der Brexit liegen auf den Plätzen vier (33 %) und sechs (23 %). An zweiter, dritter und fünfter Stelle der größten Unsicherheits­fak­to­ren stehen innerbetriebliche Themen wie die Komplexität des eigenen Unternehmens (39 %), die Steuerung von Megalieferanten (37 %) und die digitale Fragmentierung des Unternehmens (29 %).

Die Gunst der Stunde nutzen
Einige Unternehmen gehen mit diesen Herausforderungen aktiver um, das aktuelle Markt­risiko wird für sie zur Chance. „Die derzeitige Konjunktur sowie die Digitalisierung schaffen neue Möglichkeiten, denn der Kostendruck eröffnet dem Einkauf neue Kooperationen mit anderen internen Funktionen“, sagt Wiedling. „CPOs sollten das nutzen, indem sie ihre Teams zum Beispiel durch die Integration digitaler Ansätze stärken. Denn plötzlich öffnen sich Türen, die jahrelang verschlossen waren.“
Nicht alle Unternehmen sind optimal vorbereitet. Die Datenqualität in der eigenen Organisation ist die größte Herausforderung für 60 Prozent der Befragten. 40 Prozent kämpfen mit ihrer zu stark individualisierten IT-Landschaft, die eine aussagekräftige Datenanalyse beeinträchtigt. Geringe Budgets und unklare Kosten-Nutzen-Rechnungen weisen zudem darauf hin, dass es vielen CPOs schwerfällt, einen überzeugenden Business-Case für neue digitale Lösungen aufzumachen.

Einkauf ist zu wenig vernetzt
„Chief-Procurement-Officers müssen sich als Businesspartner stärker profilieren“, sagt ­Wiedling. „Nur 26 Prozent betrachten ihren Fachbereich als sehr gut positioniert. Denn der Einkauf ist mit wichtigen Funktionen wie IT, Finance oder Operations nur bedingt vernetzt.“ Eine stärkere Vernetzung versetzt ihn in die Lage, crossfunktionale Lösungen wie optimierte Spezifikationen oder die Integration von Lieferanten zur Kostensenkung zu nutzen. „Wir empfehlen daher, für jede Partnerfunktion des Einkaufs den Reifegrad der Beziehung zu ­eva­luieren, Fachabteilung und Einkauf eng zu ­verzahnen und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen“, so Wiedling.
Vor diesem Hintergrund wird Weiterbildung zu einem zentralen Thema für zahlreiche CPOs, in Kernbereichen des Einkaufs (Category-Management, Verhandlungsführung), aber auch bei Zukunftsthemen wie Datenvisualisierung oder Analytics. „Der Schwerpunkt der Digitalisierung im Einkauf liegt heute bei reifen Applikationen im Bereich Source-to-Pay, Purchase-to-Pay und Vertragsmanagement, mit denen operative und strategische Prozesse automatisiert werden. Die Chancen, die durch den Einsatz von Analytics oder künstlicher Intelligenz in der Entscheidungsfindung entstehen, werden bislang zu wenig genutzt. Wir empfehlen daher, eine starke digitale Vision zu entwickeln und diese schrittweise umzusetzen, eng abgestimmt auf die Bedürfnisse der internen Kunden“, sagt Wiedling.
Wie man es also dreht und wendet: Der Einkauf steht vor Herausforderungen. Aber das ist für einen versierten Einkäufer doch eigentlich keine Neuigkeit, oder? (RNF)

INFO-BOX
Über Emporias
Emporias ist eine international tätige Prozess- und Organisationsberatung für Supply-Chain-Management, Logistik und Einkauf mit Sitz in München. Seit mehr als 15 Jahren entwickelt das Beratungsunternehmen für Mittelständler und Großkon­zerne maßgeschneiderte Lösungen mit messbarem Output.
www.emporias.de

INFO-BOX
Über Deloitte
Deloitte erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Risk-­Advisory, Steuerberatung, Financial Advisory und Consulting für Unternehmen und Institutionen aus allen Wirtschaftszweigen; Rechtsberatung wird in Deutschland von Deloitte Legal erbracht. Mit einem weltweiten Netzwerk von Mitgliedsgesellschaften in mehr als 150 Ländern verbindet Deloitte herausragende Kompetenz mit erstklassigen Leistungen und unterstützt Kunden bei der Lösung ihrer komplexen unternehmerischen Herausforderungen. Making an impact that matters – für mehr als 286.000 Mitarbeiter von Deloitte ist dies gemeinsames Leitbild und individueller Anspruch zugleich.
www.deloitte.com