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Sommerurlaub mit gutem Gewissen

NEW BUSINESS - NR. 6, JUNI 2023
78 Prozent der Österreiche­r:in­nen planen laut dem aktuellen ÖAMTC Reisemonitor einen Sommerurlaub, lediglich neun Prozent haben nicht vor, zu verreisen – 13 Prozent sind noch unschlüssig. © Adobe Stock/aanbetta

Die Freude am Sommerurlaub ist ungebrochen. Auch wenn dabei immer mehr Nachhaltigkeit gefragt ist. Und es gibt durchaus Möglichkeiten, seinen Fußabdruck zunehmend kleiner zu gestalten ...

... Dafür müssen Hotels, Gemeinden, Fluglinien und Gäste gemeinsame Sache machen.

Reist heuer das schlechte Gewissen im Gepäck mit in den Sommerurlaub? Doch wieder eine Flugreise gebucht? Für ein Ressort in Spanien entschieden, das mehr Wasser verbraucht als die örtliche Landwirtschaft im ganzen Jahr? Tatsache ist, dass auch heuer wieder 78 Prozent der Österreicher:innen laut ÖAMTC-Reisemonitoring einen Sommerurlaub planen. Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Urlaubsplanung und beim Reiseverhalten allerdings eine immer wichtigere Rolle – bei mehr als einem Drittel der befragten Urlauber:innen hat Nachhaltigkeit bei ihren Reisen einen hohen Stellenwert.

„Wird auf Nachhaltigkeit geachtet, dann geben die Befragten an, dass sie vor allem die Art der Reise verändern: 41 Prozent dieser Gruppe reisen mit Zug oder Fernbus anstatt mit Flugzeug und Auto. Die Beachtung von Nachhaltigkeit steigt mit dem Alter an und vor allem Alleinreisende achten verstärkt darauf, ihren Urlaub nachhaltiger zu gestalten“, so Yvette Polasek, die seit 1. Februar 2023 beim Mobilitätsclub als Reiseexpertin tätig ist.

Wie die Österreicher:innen ans Urlaubsziel kommen, hängt laut ÖAMTC stark davon ab, ob man alleine oder mit der Familie verreist. Familien mit Kindern nutzen öfter den privaten PKW für ihre Sommerurlaube. Wer alleine unterwegs ist, verreist nur halb so oft mit dem Auto. Mehr als ein Drittel der Alleinreisenden fährt mit der Bahn in den Urlaub. „Im Vergleich zu den Vorjahren bleibt das Flugzeug als Reise-Verkehrsmittel ähnlich beliebt: 33 Prozent der Befragten fliegen in den Sommerurlaub. PKW-Reisen verlieren und Bahnreisen gewinnen leicht an Beliebtheit“, fasst Polasek die Ergebnisse zusammen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Marketagent. Die Daten einer Umfrage des Research-Anbieters aus dem Sommer 2022 deuten darauf hin, dass die Österreicher:innen – ob bewusst oder unbewusst – schon sehr terran unterwegs sind. „Terran“ ist eine Wortneukreation, die eine Form des Reisens beschreibt, bei der aus ökologischen Gründen bewusst auf das Flugzeug verzichtet wird. „Worte schaffen Rea­lität und Bewusstsein. Dass Fliegen schlecht für die Umwelt ist, ist mittlerweile in der Breite der Bevölkerung angekommen. Durch den neuen Begriff ‚terran‘ wird die Wahrnehmung für klimafreundlicheres Reiseverhalten gestärkt und diesem auch ein positives Image verliehen“, erläutert Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent.

Der konkrete Begriff „terran“ ist zwar in der österreichischen Bevölkerung noch nicht sehr verbreitet. Nichtsdestotrotz stößt dieses Konzept auf Interesse. „Um den Umstieg zu schaffen, sehen die Österreicherinnen und Österreicher nicht nur die Konsu­ment:in­nen, sondern auch die Anbieter:in­nen in der Pflicht. Drei Viertel gehen davon aus, dass die Menschen nicht freiwillig auf andere Verkehrsmittel umsteigen, solange es günstige Flüge gibt. Im Umkehrschluss wünscht man sich günstigere Tickets für die Bahn, damit mehr Menschen auf Schienenverkehr umsteigen“, so Thomas Schwabl. In diesem Sinne würde die Hälfte der Befragten auch eine Besteuerung von Kerosin befürworten. 

Dass der Tourismus im Bereich der Mobilität intensiv an Lösungen für die letzte Meile arbeiten muss, ist auch Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler bewusst, denn die An- und Abreise der Urlaubsgäste sorge nach wie vor für den größten CO₂-Fußabdruck. „Der verstärkte Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes auch für Urlaubsreisen und smarte Mobilitätsinitiativen können zur klimafreundlichen An- und Abreise sowie zur Mobilität vor Ort beitragen“, so die Tourismus-Staatssekretärin.

Genau das versucht man seit letztem Jahr im Semmering-Rax-Gebiet mit dem Wander- und Kultur-Shuttle-Service, das gleichermaßen für die heimische Bevölkerung sowie den Ausflugs- und Urlaubsgast gedacht ist. Bei diesem Mobilitätsprojekt arbeiten Ausflugsziele, Kulturbetriebe, Unterkünfte, Gemeinden und Touristiker:innen eng zusammen, um sich als nachhaltige Region zu positionieren. Unterstützt vom Land Niederösterreich, dem Maßnahmenprogramm „Leader“ und der Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie „klimaaktiv“ soll den Gästen ein umfassendes Mobilitätsangebot geboten und dabei die Umwelt und Ressourcen geschont werden.

„Das Projekt leistet einen wesentlichen Beitrag zur touristischen Weiterentwicklung der Region. Dieses gelebte Miteinander verkörpert unser gemeinsames Interesse an einer gezielten Besucherlenkung. Mit der Nutzung des Rufbusses leisten unsere Gäste zudem einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO₂-Emissionen und vergeuden keine Zeit mit der Parkplatzsuche oder im Stau“, sagt Mariella Klement-Kapeller, Geschäftsführerin der Wiener Alpen in Niederösterreich Tourismus GmbH. Mit der öffentlichen Anreise in die Natur und zur Kultur soll dank der neuen Mobilitätsangebote in der Region Semmering-Rax ein autofreier Urlaub oder Tagesausflug noch einfacher und bequemer möglich werden.

Darf man fliegen?
Wer außerhalb von Europa Urlaub macht, kommt um einen Flug nicht herum. Daher versuchen Fluglinien, ihr schlechtes Image durch den Einsatz von Sustainable Aviation Fuel (SAF) zu verbessern. Doch das Angebot an biobasiertem SAF, dem derzeit einzigen kommerziell verfügbaren SAF-Typ, ist äußerst begrenzt. Nach Schätzungen der International Air Transport Association IATA deckt das weltweite Jahresangebot weniger als 0,1 Prozent des Bedarfs der Fluggesellschaften ab.

Auch die heimische Austrian Airlines tankt seit März letzten Jahres aus österreichischem Altspeiseöl hergestelltes SAF. Diese Menge soll in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen, um die CO₂-Emissionen im Flugbetrieb der heimischen Airline maßgeblich zu reduzieren. „Nachhaltiger Flugkraftstoff ist einer der wichtigsten Hebel zur Dekarbonisierung der Luftfahrt, jedoch noch nicht in großen Mengen verfügbar. Für einen großflächigen Einsatz brauchen wir das Engagement unserer Gäste und die Unterstützung unser Partner entlang der Reisekette“, so Michael Trestl, CCO von Austrian Airlines.

Dazu werden auch die Fluggäste zur Kasse gebeten: Bei der Buchung eines Fluges kann diese Option ausgewählt und zusammen mit dem Ticket bezahlt werden. Auch die Hoffnung auf die E-Fuels ist getrübt, denn die strombasierten Kraftstoffe, sogenannte Power-to-Liquid Fuels (PtL), befinden sich aktuell noch in der Entwicklung hin zu einer industriellen Herstellung, gelten aber für die Airlines langfristig als wichtiger Schritt hin zum CO₂-neutralen Fliegen. 

Das sieht man beim VCÖ anders. Denn auch die ­E-Fuels würden den Flugverkehr nicht klimaneutral machen. Negative Klimaeffekte etwa durch Kondensstreifen und Ozon würden auch mit den synthetisch hergestellten Treibstoffen weiter bestehen. „Der massive Anstieg der klimaschädlichen Emissionen des Flugverkehrs ist rasch zu bremsen. Einerseits, indem Flüge vermieden und verlagert werden, andererseits durch eine Beschleunigung der Energiewende im Flugverkehr“, drängt VCÖ-Expertin Lina Mosshammer auf raschere Maßnahmen der Politik und der Wirtschaft.

Ein Treiber für die Zunahme des Flugverkehrs seien die nach wie vor bestehenden Steuerbegünstigungen. So zahlen Flugkonzerne für Kerosin keine Mineralölsteuer. Damit würde, so Mosshammer, der Flugverkehr in der EU massiv gefördert. Vor der Pandemie bezifferte eine Studie im Auftrag der EU-Kommission diese Subvention mit rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommt die Mehrwertsteuerbefreiung von internationalen Flugtickets, die vor der Pandemie in der EU rund 40 Milliarden Euro an Subventionen pro Jahr ausmachte. „Mit den Einnahmen aus der Kerosinsteuer sollten die grenzüberschreitenden Bahnverbindungen in Europa ausgebaut und verbessert werden“, schlägt VCÖ-Expertin Mosshammer vor.

Motto „Nachhaltigkeit als Dauergast“
Also doch wieder Urlaub in Österreich? Dafür reichen für die Anreise zumindest die Bahn bzw. das Auto. Die „schönste Zeit im Jahr“ verbringen 42 Prozent der Österreicher­­:innen gerne in der Heimat. Laut ÖAMTC-Reisemonitoring liegen dabei die Steiermark und Kärnten an der Spitze der Destinationen. Dabei wird Nachhaltigkeit immer öfter zu einem wesentlichen Faktor bei der Urlaubsbuchung.

„In den letzten Jahren hat sich ein regelrechter Nachhaltigkeits-Boom entwickelt, was sich sowohl bei Buchungsentscheidungen der Touristinnen und Touristen als auch beim Angebot der heimischen Betriebe immer stärker zeigt. Auch die Art des Reisens wird durch die Nutzung von neuen Technologien immer umweltverträglicher. Nachhaltige Tourismuspolitik bedeutet demnach, eine Balance zwischen den Wünschen der Gäste, den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung und dem Umweltschutz zu schaffen, und ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Tourismusbranche“, erklärt Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler im Rahmen des Österreichischen Tourismustages ÖTT am 2. Mai, der unter dem Motto „Nachhaltigkeit als Dauergast“ ein starkes und sichtbares Zeichen für die gesamte Branche setzen wollte.

„Viele potenzielle Gäste sind bereit, mehr für nachhaltige Angebote im Hotel zu bezahlen. Laut unserer aktuellen Nachhaltigkeitsstudie kann rund ein Viertel der Befragten als nachhaltigkeitsaffin bezeichnet werden. Diese Gruppe ist zahlungsfreudiger als der Rest der Bevölkerung, häufiger bereit, Angebote mit zusätzlichen nachhaltigen Angebotsbausteinen zu buchen und um bis zu sechsmal mehr für diese auszugeben.

Diese Nachhaltigkeitsaffinen stellen eine interessante Zielgruppe für unsere Branche dar, denn sie haben das Potenzial, ein Katalysator für Nachhaltigkeitsinitiativen zu sein und im Endeffekt auch für mehr Wertschöpfung zu sorgen“, fasst Astrid Steharnig-Staudinger, neue Geschäftsführerin der Österreich Werbung, die Erkenntnisse aus der Nachhaltigkeitsstudie gleich an ihrem ersten Arbeitstag auf dem ÖTT zusammen. 

Nachhaltigkeit als Salzburger Kernkompetenz
Mehr dafür bezahlen können die Gäste aber nur, wenn es das entsprechende Angebot überhaupt gibt. In den beiden Salzburger Gemeinden Wagrain-Kleinarl und Zell-am-See-Kaprun wird nachhaltiger Tourismus soweit gelebt, dass die Projekte der beiden von der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen UNWTO als „Best Tourism Villages“ ausgezeichnet wurden. Über 130 Gemeinden aus 57 Ländern haben sich um das Nachhaltigkeitssiegel beworben. Nur rund 30 Orte weltweit wurden ausgezeichnet. Wagrain-Kleinarl und Zell-am-See-Kaprun konnten bei der Jury mit langfristigen Konzepten im Sinne eines nachhaltigen, zukunftsfähigen Tourismus punkten.

Im Falle von Wagrain-Kleinarl wurde der umfassende und partizipative Prozess für eine nachhaltige Tourismusentwicklung gewürdigt, der sich auch in der Zertifizierung als „Green Destination“ des Global Sustainable Tourism Councils sowie in der laufenden Bewerbung für das österreichische Umweltzeichen für Destinationen niederschlägt. Zell-am-See-Kaprun punktete als Klima- und Energie-Modellregion mit hohem Engagement und konkreten Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung.

Dass sich gerade Salzburg immer wieder als Kompetenzzentrum für naturnahen und nachhaltigen Tourismus hervorhebt, ist für Leo Bauernberger, Geschäftsführer der SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft, kein Zufall, sondern das Ergebnis einer seit Jahrzehnten gelebten Grundhaltung. Dieser Kernkompetenz trägt auch die erst kürzlich vorgestellte neue Tourismusstrategie im Salzburger Land Rechnung, die das Thema Nachhaltigkeit und Mobilität als zentrales Thema für die Zukunft definiert hat.

„Wir wollen einen höchst qualitätsvollen Tourismus in unserem Bundesland, der den Menschen und der Natur verpflichtet ist – und damit unser Image als Premium-Destination in den Alpen weiter ausbauen“, so Bauernberger und erklärt weiter: „Vieles von dem, was oft als nachhaltig bezeichnet wird, ist bei uns nicht aus einem Trend geboren. Etwa bei der Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Tourismus, wo das Salzburger Land seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle einnimmt und Maßstäbe in der touristischen Angebotsentwicklung setzt.“

Als einen besonderen Hebel bezeichnet der SalzburgerLand-Chef die Mobilität durch die gute Lage im Herzen des europäischen Bahnnetzes. Daher wurde eine Kampagne zur Anreise mit der Bahn gestartet, um in Zukunft noch mehr Menschen für eine umweltfreundliche Anreise in den Urlaub zu begeistern. 

Wer nicht die ganze Region auf seiner Seite hat, kann sich als einzelner Betrieb die GreenSign-Zertifizierung holen. Aktuell haben das bereits zwölf Hotels aus Österreich getan, drei weitere befinden sich noch im Zertifizierungsprozess. Die mehr als 100 Kriterien des Prüfkatalogs wurden auf Basis international anerkannter Rahmenwerke für Nachhaltigkeit und den Global Sustainable Tourism Criteria für die Hotellerie entwickelt. Sie umfassen acht Kernbereiche für nachhaltiges Wirtschaften: Management und Kommunikation, Umwelt, Biodiversität und kulturelles Erbe, Einkauf, Regionalität und Mobilität, Qualitätsmanagement und nachhaltige Entwicklung, soziale Verantwortung und wirtschaftliche Verantwortung.

Mehr als 300 Hotels in 15 Ländern wurden bereits zertifiziert. Die vom deutschen GreenSign Institut im Jahr 2014 entwickelte Nachhaltigkeitszertifizierung wurde mittlerweile vom weltweit bekannten Globalen Rat für nachhaltigen Tourismus, dem Global Sustainable Tourism Council, anerkannt.

„Dass wir nun auch in Österreich mit GreenSign einen gesteigerten Anklang finden, macht uns sehr stolz. Wir stellen fest, dass unsere Nachbarn in der Hotellerie bereits vorbildliche und innovative Nachhaltigkeitskonzepte umsetzen. Ich finde es sehr beeindruckend, dass die meisten der neu zertifizierten Hotels in Österreich gleich auf Anhieb das hervorragende GreenSign Level 4 erreichen konnten. Das Potenzial der Branche ist bemerkenswert und ich freue mich, weitere nachhaltige Hoteliers in unserer GreenCommunity begrüßen zu dürfen“, erklärt Suzann Heinemann, Gründerin und CEO des GreenSign Instituts. (BS)


INFO-BOX
Sustainable Aviation Fuel
SAF ist der Oberbegriff für alle Flugkraftstoffe, die ohne die Verwendung von fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas hergestellt werden. Es existieren verschiedene Herstellungsverfahren und es stehen verschiedene Ausgangsmaterialien als Energieträger zur Verfügung. Die aktuelle Generation von SAF, welche im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin etwa 80 Prozent CO₂ einspart, wird hauptsächlich aus biogenen Reststoffen, beispielsweise aus gebrauchten Speiseölen, hergestellt. Noch vor dem Transport zum Flughafen wird das SAF mit fossilem Kerosin vermischt. Das von Austrian Airlines und der Lufthansa Group derzeit eingesetzte SAF wird im HEFA-Verfahren (Hydroprocessed Esters & Fatty Acids) aus biogenen Reststoffen wie gebrauchten Speiseölen hergestellt. 

Die Lufthansa Group schließt palmölbasierte Rohstoffe für die Herstellung von SAF aus. Das eingesetzte SAF entspricht den Vorgaben der Renewable Energy Directive II (RED II) der Europäischen Union.

www.austrian.com