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Rollen(vor)bilder neu gedacht.

NEW BUSINESS - NR. 6, JUNI 2024
Die Statistik zeigt, dass ein Berufsweg im MINT-Bereich für Frauen nach wie vor die Ausnahme bildet. © Adobe Stock/paffy

Immer noch sind Frauen und Mädchen die Ausnahme in technischen Berufen. Infineon Austria will daraus die Regel machen und holt vier MINT-Absolventinnen vor den Vorhang.

Im Rahmen der Girls’-Day-Initiativen werden Mädchen ermutigt, in österreichischen Unternehmen Arbeitsluft zu schnuppern. Auch bei Infineon Austria werden Mädchen ermutigt, neue Berufsfelder in der Mikroelektronik zu erforschen und diesen Bereich stärker als bisher zu erobern. An Tagen wie dem Girls’ Day ist die Stimmung optimistisch, zukünftig mehr Mädchen für eine Karriere im MINT-Umfeld (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu gewinnen. Die Statistik zeigt, dass ein Berufsweg im MINT-Bereich für Frauen nach wie vor die Ausnahme bildet:

Ihr Anteil in technischen Lehrberufen betrug 2022 lediglich 11 Prozent. In Österreichs HTLs sind 17 Prozent der Schüler:innen weiblich, in universitären MINT-Studiengängen 20 Prozent und in MINT-Fächern an Fachhochschulen knapp ein Viertel. Das besagt eine Studie im Auftrag des Österreichischen Fonds zur Stärkung und Förderung von Frauen und Mädchen.

Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria, erklärt dazu: „Wissenschaft und Technik haben im deutschsprachigen Raum völlig zu Unrecht ein Image mit wenig Strahlkraft. Insbesondere Mädchen und Frauen fühlen sich nicht angesprochen. Mit den bisherigen Maßnahmen ist es nicht gelungen, eine echte Trendwende bei der Berufswahl von Mädchen herbeizuführen. Hier braucht es neue Zugänge! Studien zeigen deutlich: Mädchen wird, oft unbewusst, von klein auf im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich weniger zugetraut. Das führt dazu, dass sie sich später selbst weniger zutrauen. Dazu kommen Vorurteile und ein gesellschaftlich geprägtes ‚männliches Image‘ von Technologie. Wir brauchen eine neue, geschlechtersensible Art der Vermittlung mit authentischen Rollenvorbildern, praxisnahe Einblicke in die tatsächliche Arbeitswelt, und müssen viel stärker herausarbeiten, wie gesellschaftlich relevant MINT-Berufe sind. Oft fehlt Jugendlichen, Eltern und Pädagog:innen schlichtweg die Vorstellungskraft, welche spannenden und sinnstiftenden Berufe man mit absolvierter MINT-Ausbildung ausüben kann.“

Genau das nimmt Infineon Austria zum Anlass, vier junge Tech-Power-Frauen aus MINT-Disziplinen vorzustellen, ihren Werdegang zu beleuchten und darzustellen, wie vielfältig, attraktiv und relevant MINT-Berufe heute sind (siehe Porträts). (BS)

MATHEMATIK
Anna Posch sieht nicht aus, wie man sich eine Mathematikerin vorstellt. Und hier liegt bereits das Problem: Das landläufige Bild eines männlichen Professors mit kariertem Jackett ist völlig überholt, wenn es überhaupt jemals gegolten hat. „In meinem Studium der technischen Mathematik an der Universität Klagenfurt gab es ein ziemlich ausgeglichenes Verhältnis zwischen Studentinnen und Studenten, auch im Doktoratsstudium und bei den Professor:innen“. Das zweite Klischee, mit dem Anna aufräumen kann: Mathematik wird nur gelehrt. „Die meisten, die erfragen, dass ich Mathematikerin bin, fragen, an welcher Schule ich unterrichte“, lacht die 29-Jährige. Wie viel Spaß Mathematik macht, hat Anna bereits im Gymnasium gemerkt. „Ich hatte eine tolle Professorin, die uns auch die Bedeutung und Anwendungsmöglichkeiten vermitteln konnte“.

Heute arbeitet Anna als Senior Data Scientist bei Infineon in Villach und erlebt die Schönheit der Mathematik tagtäglich bei ihrer Arbeit. Datenanalyse und -modellierungen, Projekte zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Chipfertigung und Projekte, die sich mit dem allgegenwärtigen Thema „Large Language Models“ (vielen eher über „Chat-GPT“ ein Begriff) beschäftigen, stehen auf ihrer persönlichen To-do-Liste. Wie das konkret aussieht? Sie programmiert viel, dazwischen ist sie in Besprechungen, einen Teil ihrer Arbeit kann sie dank Digitalisierung auch von zu Hause aus erledigen.

Daneben ist die sportliche Klagenfurterin auch in einer Musikkapelle aktiv, wo sie Querflöte spielt. Was sie jungen Mädchen und Frauen in der Phase der Berufsorientierung raten würde? „Das Wichtigste ist: Du kannst alles machen. Einfach ausprobieren, etwas finden, das Freude macht. Sich selbst keine Hürden setzen und die ganze Bandbreite an Ausbildungen und Berufen erkunden. Die Matura ist eine gute Basis und du kannst etwas Technisches studieren, auch wenn du vorher nichts dergleichen gemacht hast!“

INFORMATIK
Chiara Janach, 23, hat beruflich etwas geschafft, das viele anstreben: mehrere ihrer Leidenschaften zu verbinden. Bei Chiara heißt das konkret Kreativität, Technik und das gute Gefühl, Menschen zu helfen. Kurz vor ihrer Matura an einer Modeschule, als Chiara noch einen Beruf in der Kreativwirtschaft anstrebte, stellte sich die FH Kärnten im Rahmen von Berufsorientierungstagen vor. Vom damals recht neuen Studium „Multimediatechnik“ war die junge Villacherin sofort begeistert. 3D-Modellierungen, Audio- und Videotechnik sprachen ihren kreativen Geist an.

Technisches Interesse brachte sie mit, technische Fertigkeiten wie Programmieren allerdings nicht. Kein Problem: Dank des angebotenen Vorbereitungslehrgangs und der Ausbildungsgestaltung eignete sie sich das technische Rüstzeug schnell an und wurde Informatikerin. „Mir ist es wichtig, jungen Menschen weiterzugeben: Traut euch bitte! Man kann programmieren auch an der Uni lernen – und darf ruhig einen anderen Weg gehen als andere. Daraus ergeben sich erfrischende neue Perspektiven, was im Job später hochgeschätzt wird.“

Bei Infineon Technologies IT-Services GmbH mit Sitz im Klagenfurter Lakeside Science & Technology Park hilft Chiara heute als Service Desk Mitarbeiterin ihren Infineon-Kolleg:innen auf der ganzen Welt weiter, wenn sie vor IT-Schwierigkeiten stehen – im persönlichen Gespräch, aber auch durch „Hilfe zur Selbsthilfe“ mittels guter Anleitungen, die sie und ihre Kolleg:innen für die weltweit über 58.000 Infineon-Mitarbeiter:innen erarbeiten. Dabei kommen ihr ihre kreativen und kommunikativen Fähigkeiten genauso zugute wie ihr technisches Know-how.

Der wertschätzende Umgang, das Gefühl, jemandem wirklich das Leben zu erleichtern, und der Spaß im Team machen den Job für sie komplett. Die Möglichkeit, einen Teil der Arbeitszeit im Homeoffice zu verbringen, spart Lebenszeit und schafft Raum für ihr Hobby als Buch-Bloggerin, wo sie über digitale Plattformen Buchrezensionen verfasst. Chiara liest übrigens fast ausschließlich analog. „Das Gefühl des Papiers, der Geruch und der Anblick eines vollen Bücherregals sind für mich unersetzbar – gerade, weil ich so viel mit digitalen Medien arbeite!“

NATURWISSENSCHAFT
Susanne Reischauer, 29, hat bereits viel von der Welt gesehen: Studium in Graz, Doktorarbeit in Berlin (mit summa cum laude!), Forschung am Max-Planck-Institut in Potsdam, Studienaufenthalte in New York und Tschechien, Post-Doc in Chicago. Die Liebe zur Chemie entfachte ihr erster Chemiebaukasten, mit dem sie erst im elterlichen Wohnzimmer und später – aus Sicherheitsgründen – im Gartenhaus experimentieren durfte. Ein Tag der offenen Tür in einer Chemie-HTL tat ein Übriges: Die spannende Welt der Chemie und Materialwissenschaft ließ Susanne Reischauer nicht mehr los, führte sie einmal um die Welt und dann zurück nach Österreich.

Seit März 2024 ist sie bei Infineon in Villach als Senior Project Leader in der Technologieentwicklung. Dabei begleitet sie die Entwicklung neuer, noch energieeffizienterer Chips von den Kinderschuhen bis zur Marktreife und ihrem Einsatz z. B. in Solaranlagen. Technisches Verständnis ist dabei wichtig, genauso wie Projektmanagementfähigkeiten und ein Gespür für Menschen, denn Kommunikation ist beim Koordinieren von Projekten essenziell.

„Wenn Leute das Wort ‚Chemie‘ hören, denken sie sofort an rauchende Schornsteine. Dabei ist Chemie so viel mehr, betrifft alle Lebensbereiche. Die Berufsmöglichkeiten reichen vom Krankenhaus bis zur Halbleiterindustrie, wo wir jeden Tag dazu beitragen, die Klimawende zu ermöglichen.“ Welchen Tipp sie jungen Menschen in der Phase der Berufsorientierung gibt? „Sich möglichst viel anschauen, Praktika machen, sich nicht abschrecken lassen und seine Leidenschaft finden. Jeder Job lässt einen wachsen und bringt Erfahrung. Ich habe vom Kellnern bis zum Apothekenjob vieles gesehen und jeder Job hat mich dabei weitergebracht, meinen Weg zu finden.“

TECHNIK
Selma Karic, 29, ist Technikerin, genau gesagt, hat sie ihren Bachelor und Master in Elektrotechnik in Graz gemacht. Sie plädiert für mehr Pragmatismus in der Berufswahl. Gebürtig aus Bosnien-Herzegowina kam sie zum Studium nach Österreich und stieg bald über ein Industriepraktikum bei Infineon ein.

„Wo ich herkomme, läuft die Berufswahl viel pragmatischer ab und ist weniger von Stereotypen geprägt. Wenn du dich für naturwissenschaftliche Themen begeistern kannst, dann steht dir das Tor zur Technik offen – egal ob Mädchen oder Bub.“ Selma: „Ich stand vor der Wahl zwischen Medizin oder Elektrotechnik – und ich habe mich ganz bewusst gegen den Arztberuf mit all seinen emotionalen Herausforderungen entschieden“. Das Elektrotechnikstudium ist herausfordernd, daraus macht sie keinen Hehl. „Aber wie immer, wenn du ein Ziel hast: dranbleiben, konsequent sein und nicht gleich hinschmeißen. Danach wirst du dafür mit einem abwechslungsreichen, spannenden Berufsfeld belohnt, in dem du dich deinen Talenten und Vorlieben entsprechend weiterentwickeln kannst.“

Im Moment arbeitet Selma als System Verification Engineer und Verification Manager im Infineon Entwicklungszentrum in Graz. „Wir schauen uns an, ob die Mikrochips, in unserem Fall jene in Bankomatkarten, Reisepässen, E-Cards, und die dazugehörige Software funktionieren, bzw. ob sie das machen, was unsere Kollegen in einer früheren Phase der Entwicklung sich vorgestellt und designt haben.“ Ein abwechslungsreicher Job, halb im Labor, halb im Büro oder im Homeoffice.

Mit welchen Stereotypen sie aufräumen will: „Wir sind nicht die Nerds hinter dem Rechner, wie sich das viele vorstellen! Man kann unterschiedliche Aufgaben erledigen: die einen wollen programmieren, die anderen lieber testen, die dritten lieber planen und managen. Man kann seinen Job auf den eigenen Stärken aufbauen. Und man kann aussehen, wie man will. Ich zum Beispiel gehe gerne gestylt ins Büro. Solange man authentisch ist, wird man auch ernstgenommen.“ Genau das versucht Selma auch aktiv den vielen jungen Mädchen weiterzugeben, die sie nebenbei im Rahmen der Berufsorientierung bei Infineon in Graz betreut, z. B. im Rahmen des Girls‘ Day oder der „Girls! TECH UP“-Erlebnistage.