Die Logik der Organisation verstehen

NEW BUSINESS - NR. 8, OKTOBER 2018
Supervision leistet Hilfestellung bei schwierigen Entscheidungen und anderen belastenden oder fordernden Arbeitssituationen. © Pexels

Reflexion im Arbeitskontext schafft Transparenz und Klarheit. Supervision wird dank ihrer vielen Vorteile für Betrieb und Mitarbeiter auch in der Wirtschaft ein immer beliebteres Tool.

Hundecoach, Lebenscoach, Finanzcoach: Keine Branche, die ohne professionelle Beratung auskommt – und das aus gutem Grund. Was wir tun, warum wir es tun und wie es uns damit geht, sind Fragen, die in allen Lebenslagen eine Daseinsberechtigung haben. Einen bedeutenden Anteil unserer Lebenszeit verbringen wir mit unserer Arbeit. Warum daher nicht auch das berufliche Handeln reflektieren?
Supervision kommt ursprünglich aus der Sozialarbeit, hat sich über den Bildungs- und Gesundheitsbereich weiterentwickelt und dringt nun sukzessive in die Wirtschaft ein. Wie Manager von Supervision profitieren, wie die Branche mit den Veränderungen im Zuge der Digitalisierung umgeht und ob Supervision immer freiwillig sein muss, erzählt Dr. Wolfgang Knopf, Geschäftsführer der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching ÖVS im Interview.

NEW BUSINESS: Was ist Supervision­ und wie profitieren Führungpersonen von ihr?
Wolfgang Knopf: Das Ziel von Supervision ist es, im Einzelgespräch, im Team oder in der Gruppe berufliche Situationen zu reflektieren und erfolgreicher zu gestalten. Das heißt Supervision und Coaching sind arbeitsweltliche Beratungsformate. Es geht um die Person, die mit ihrer Arbeitsorganisation in einem Vertrag steht. Aber es geht nicht um die Person allein. Das wäre ja Psychotherapie oder Lebensberatung. Genauso wenig geht es um Unternehmensberatung, wo ökonomische Ziele im Vordergrund stehen.
Durch Supervision und Coaching reflektieren die Mitarbeiter, was sie als Teil ihrer Organisation tun, was ihr Auftrag ist und wie es ihnen dabei geht. Dadurch erhalten sie Zuspruch, da Arbeit auf allen Ebenen schneller, anstrengender und unsicherer wird. Wir haben heute immer mehr Verantwortung und müssen Entscheidungen treffen. Gerade in Führungspositionen gilt es als fatal, eine falsche Entscheidung zu treffen, weshalb oft gar keine getroffen wird. In der Beratung geben wir den Raum dafür. Sie unterstützt bei den zu treffenden Entscheidungen, hilft bei Belastungen, klärt Aufgaben und Rollen. Mobbing kann gestoppt und Burnout vorgebeugt werden.

Wie wird Supervision von den ­Mitarbeitern aufgenommen?
Sehr gut. Für viele Menschen ist es entlastend, wenn sie verstehen, dass sie, aber auch andere so agieren, weil es ihre Funktion oder Position verlangt. Die Beratung schafft eine Professionalisierung des Arbeitsbereiches und hebt die persönliche Ebene auf eine strukturelle.

Braucht es immer ein Problem, um ­Supervision oder Coaching in ­Anspruch zu nehmen?
Nein. Beides kann als Qualitätssicherung ansetzen. Gerade in Berufen, die eine hohe psychische Belastung mit sich bringen, bietet Supervison einen Rahmen, wo das Erlebte besprochen werden kann, um für den Arbeitsauftrag fit zu bleiben. Supervision ist ein ‚Time-out‘, um hinzuschauen, wie es eigentlich gerade läuft. Ein Problem ist nicht immer nötig, allerdings eine Aufgabenstellung, an der gearbeitet werden kann.

Supervision nimmt immer mehr Einzug in die Führungsebene. Warum?
Supervision kann bewusst dort eingesetzt werden, wo ein neues Team aufgebaut wird. Oft haben wir folgendes Dilemma: Führungskräfte werden deswegen Führungskräfte, weil sie eine Fachkompetenz haben. Dann steigen sie auf und übernehmen eine leitende Position – ohne Führung je gelernt zu haben. In diesen Fällen steht Supervision beratend zur Seite.
Wir leiden darunter, nicht zu wissen, wie Organisationen funktionieren. Vieles in ihnen ist nicht sichtbar, anderes dafür Gewohnheit und Selbstverständlichkeit. Oft wird während der Ausbildung zum Supervisor festgestellt, dass sich die gelernten Fähigkeiten ideal zur Mitarbeiterführung eignen. Die Ausbildung ermöglicht es, die Logik der Organisation und die nötigen Rahmenbedingungen zu verstehen, ebenso was es heißt, Entscheidungen zu treffen. Mit diesen Tools macht der Job als Führungsperson mehr Spaß.

Was sind die Argumente, die ­Mitarbeiter vorbringen, die sich gegen Supervision wehren? Muss sie immer freiwillig sein oder kann sie auch ­angeordnet werden?
Wenn sich jemand gegen Supervision wehrt, liegt es meistens daran, dass sie ungeschickt eingefädelt wurde. Sie wird dann nicht als Unterstützung, sondern als Kontrolle oder Vorwurf der Inkompetenz angesehen. Im Regelfall wird Supervision aber von den Mitarbeitern sehr gut angenommen. Es geht ja nicht um persönliche Defizite, sondern darum, welche strukturellen Anforderungen zu erfüllen sind, wo die Probleme sind und was nicht transparent genug ist, um gut genug wahrgenommen zu werden.
Bei Teamsupervision halte ich Freiwilligkeit für kontraproduktiv, denn dann kommen die Personen, um die es geht, nicht hin. Daher gebe ich die Empfehlung, Supervision als Qualitätsmanagement in die Arbeitsplatzbeschreibung reinzuschreiben. Dann ist es vorgeschrieben und es gibt es auch keine Ausreden.

Die Digitalisierung bringt in vielen Branchen grundlegende Veränderungen, so bestimmt auch bei der Beratung. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?
Das ist sehr spannend. Onlineberatung wird langsam angenommen, teilweise gewünscht – ist aber ambivalent. Auf der einen Seite gibt es das Bedürfnis der Kunden, in manchen Fällen so rasch wie möglich beraten zu werden. Ein knappes Fünftel der Supervisoren berät seine Klienten bereits zusätzlich über das Internet. Dafür nutzen sie meistens irgendeine Art von Videokonferenz, beispielsweise Skype, oder sie beraten in einem Telefongespräch. Die klassische Besprechung bleibt weiterhin aber unverzichtbar, denn der Face-to-Face-Kontakt stellt doch etwas Besonderes dar. Ich vermute, dass es zukünftig eine Mischform geben wird. Man sollte es allerdings vermeiden, den allgemeinen Trend zur Beschleunigung durch Onlinebetreuung noch weiter anzutreiben. Beratung erfordert das Gegenteil, eine Entschleunigung bzw. eine Nachdenkpause. (MW)


INFO-BOX I

Das bietet Supervision:
• Entscheidungshilfe
• Begleitung während Veränderungs­prozessen
• Unterstützung in belastenden oder fordernden Arbeitssituationen
• Selbstreflexion in Arbeits- und ­Berufskontext
• Reduzieren bzw. Ausschalten von ­Stressfaktoren
• Burnout-Prophylaxe
• Gemeinsames Erarbeiten alternativer Möglichkeiten und Lösungswege

Für wen eignet sich Supervision?
• Für Einzelpersonen
• Für Teams
• Für Unternehmen

INFO-BOX II
Über die ÖVS
Die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching ÖVS ist ein Berufsverband, dem mehr als 1.300 qualifizierte Supervisoren angehören. Die ÖVS hat ihren Sitz in Wien und verfügt über Vertretungen in allen Bundesländern. Die Vereinigung wurde 1994 gegründet, um die Qualität von Supervision/Coaching in Österreich zu sichern und anerkannte Qualitätskriterien einzuführen. Mitglieder müssen eine ÖVS-zertifizierte Ausbildung nachweisen und ihr Können alle drei Jahre belegen.
www.oevs.or.a